Feine Net­ze hän­gen im Gras. Kreuz und quer von einem Kleesten­gel zum anderen haben Acht­bein­ler fil­igrane Fäden ges­pan­nt. Wie Perlen aufgerei­ht glitzern daran die Tautropfen im Mor­gen­licht. Ein Gewebe neben dem anderen in den Wiesen. Wie Nester. Sie sind das Werk von ganz jun­gen Spin­nen. An ihren Fäden lassen sie sich vom Wind fort­tra­gen, bis sie irgend­wo ein Quarti­er find­en, wo sie den Win­ter über­ste­hen kön­nen. Hier im Grün machen sie Zwis­chen­stopp? Über­nacht­en sie? Keine Ahnung.

An der Gren­ze zur Rhein­hes­sis­chen Schweiz laufe ich heute einen haar­ge­nauen Nord-Kurs: 0 Grad oder 360 Grad — wie man es sehen mag. Von Rock­en­hausen nach Alsenz (16 Kilo­me­ter). Über Würzweil­er, Hofer­hof, Bremicher­hof und Schmalfedler­hof. Die 9. Etappe mein­er Jahreswan­derung durch die Nordp­falz führt zurück; dor­thin, wo ich im Früh­ling ges­tartet bin. Der Wet­ter­bericht hat einen son­ni­gen, war­men Spät­som­mertag angekündigt. Ich will Wärme für den Win­ter sammeln.

Doch im Alsen­z­tal hängt Nebel. Mit sieben Son­nen am Him­mel bin ich in Mainz in den Zug gestiegen. Eine Stunde später, um 9 Uhr in der Früh, laufe ich durch ein herb­stlich­es Rock­en­hausen. Über dem Städtchen liegt dichter Hochnebel. Es wird gute 2 Stun­den dauern, bis die Sonne schließlich den Durch­bruch schafft.

Die ersten Kilo­me­ter gehe ich auf dem Pfälz­er Höhen­weg. In den let­zten Monat­en bin ich ihm immer wieder auf kurzen Abschnit­ten gefol­gt. Die weiße Wolke auf blauem Grund, seine Weg­marke, lotst mich ab Bahn­hof zuver­läs­sig auf den richti­gen Weg.

Die Sonne wärmt mir den Rück­en. Kurz vor dem Hofer­hof hat sie endlich den Nebel aufgelöst. Das weiß­graue Wabern weicht. Kon­turen tauchen auf. Der Hor­i­zont weit­et sich. Das Licht taucht die Hochfläche in sat­te Far­ben. Durch die Feuchte leucht­en sie inten­siv. Rot­braun, Gelb, Tan­nen­grün, Saft­grün, Dunkel­rote , Ock­er; über allem rhein­hes­sis­ches Him­mel­blau.

Durch altes Hofland wan­dere ich. Zwei, drei Häuser bilden einen Hof. In ein­er geschützten Mulde am Hang; oder mit­ten im offe­nen Land gele­gen. Außer Bauern auf Trak­toren ist kaum eine Men­schenseele unter­wegs. Manch­mal passiere ich zuerst den Fried­hof; draußen auf dem Feld, mit ein­er hüftho­hen Stein­mauer gefasst. Ich öffne das gus­seis­erne Tor. Trete ein. Auf der Bank mit Blick über weites Land raste ich. Die Gräber liegen weit­er hin­ten. Ich hoffe, die dort liegen, nehmen mein Ein­drin­gen nicht krumm. Bin froh, dass ich lebe! ;-)
Auf dem Brem­richer­hof tre­ffe ich nur die Tiere an: Einen braunen und einen weißen Ziegen­bock, die sich mit ihren Hörn­ern ger­ade um die weißen Ziegen­damen duel­lieren; an jed­er von Sonne gefluteten Stelle Katzen, im Stall Kühe, die mit Schlamm verkrusteten Beine des Wei­de­viehs ähneln meinen Hosenbeinen. ;-)

Auf weichen Wiesen­we­gen, fußfre­undlichen Erdp­faden und hin und wieder auf ver­schlafe­nen Land­sträßchen, die da und dort durch seichte Täler kur­ven, wan­dere ich durch eine kurzweilige Land­schaft. Außer dem Auf­stieg in Rock­en­hausen und dem Abstieg hin­unter nach Alsenz gibt es kaum nen­nenswerte Stei­gun­gen bzw. Gefälle zu bewälti­gen. Offene Felder mit Blick über die Höhen der Nordp­falz so weit das Auge reicht wech­seln sich ab mit kurzen Wald­pas­sagen, Wei­den, Bachauen und mit alten Bäu­men gesäumte Wege. So ganz anders als die von riesi­gen, kaum parzel­lierten, land­wirtschaftlichen Flächen und Asphalt geprägte Route der acht­en Etappe.

Lasse den Blick schweifen. Immer wieder bleibe ich ste­hen, drehe mich um die eigene Achse, präge mir dieses Land im Kopf ein. An beson­ders dun­klen Win­terta­gen werde ich in Gedanken diese Bilder rauskra­men; dabei einen leicht­en Wind auf dem Gesicht spüren, die Trak­toren tuck­ern hören, die feuchte Erde, das würzige Stroh riechen und mich an den Som­mer auf den Höhen der Nordp­falz erinnern.

Die vor­erst let­zte Etappe der Nordp­falz­tour plane ich von Hochstät­ten nach Norheim; über Mont­forter Hof und Feil­bingert. Am Ende dieser Jahreswan­derung wird es noch ein­mal durch meine 2. Heimat gehen.

+ + Etappe 9 – Nord-Pfälz­er Berg­land 2014  – Mittwoch, 17.9. – von Rock­en­hausen nach Alsenz, über Würzweil­er, Hofer­hof, Bremicher­hof und Schmalfedler­hof — 16 km, 384 hm Auf­stieg, 384 hm, höch­ster Punkt: 377 m, niedrig­ster Punkt: 173 m, Abstieg ++

++ ++ Karten: Westp­falz Nord – Blatt 1. Pfälz­er Berg­land mit Nahe –  Topographis­che Karte 1:25.000 – ISBN 978–3‑89637–412‑7++ ++