Attention! Der Lautsprecher des Mannheimer Hauptbahnhofs spricht Französisch. Heute fahre ich mit zwei ICEs und einer Regionalbahn zum Ausgangspunkt meiner Wanderung. Nach dem zweiten Mal umsteigen sitze ich im Zug nach Paris Est. “Wir erreischen in Kürzé Kaiserslautèrn!” Der Schaffner ist ein echter Franzose. Ich wechsele in den Bummelzug. Jetzt geht’s ins Pfälzer Hinterland. Auf der achten Etappe meiner Jahreswanderung bin ich im Süden der Nordpfalz unterwegs: von Wolfstein über Relsberg, Hefersweiler, Seelen, Reichsthal, Spreiterhof, Dörnbach nach Rockenhausen (22 Kilometer). Nach zweieinhalb Stunden (!!) Zugfahrt komme ich am Ausgangspunkt an.
Erstaunlich mild ist es gewesen als ich um 4.55 Uhr das Haus verlassen habe. Schätzungsweise 14 Grad. Der Mond schimmerte noch (jetzt wieder um diese Uhrzeit) am nächtlichen Schäfchenwolkenhimmel. Kurz nach Acht ist es richtig hell. Die Sonne blitzt durch die Wolken. Die Jacke wandert schnell in den Rucksack. Heute kann ich noch mal mit kurzen Ärmeln laufen.
Eine ganze Weile brauche ich in Wolfstein, um den Einstieg zur Wanderung zu finden. Der im ausgedruckten Ortsplan ausgeguckte Schleichpfad entpuppt sich als Finte. Nach ein paar Metern mündet er in eine Brombeerhecke. Merke: den Google Maps Plänen ist nur bei richtige Straßen über den Weg zu trauen. Nach zwei Fehlversuchen frage ich schließlich Einheimische. Es hilft alles nichts, es gibt keinen Trampelpfad; ich muss außen herum. Endlich nach einer dreiviertel Stunde bin ich raus aus dem Ort!
Die kurze Nacht hängt mir in den Knochen. Es dauert ein bis zwei Kilometer bis die Augen richtig auf sind und die Müdigkeit verfliegt. Gleich am Ortsausgang geht es rauf auf die Höhe. Immer wieder drehe ich mich um, um mit den Augen das sanfte Auf und Ab der südlichen Nordpfalz zu erkunden. Offen. Weit. Kaum Wald. Äcker, Weiden, Wiesen. Es duftet nach Klee, wilder Kamille und feuchtem Stroh. Aber die Felder sind abgeräumt, noch nicht geflügt. Die stoppeligen Weiten sehen zerfeiert aus. Wie morgens nach einem Fest. Kornblumen, Hagebutten und ein gelb blühendes Kraut geben ihr Bestes. Trotzdem: Der Sommer macht sich ab.
Quer gegen den Strich verläuft meine Route. Quer zum Verlauf der Höhen. Deshalb folgt einem Bergauf konsequent ein Bergab. Auch was den Boden unter meinen Füßen betrifft, ist die gewählte Route anspruchsvoll. Wenn ich Kreuz- und Quer-Wanderungen überland auf der Karte plane, achte ich ja immer auf einen naturnahen Wegverlauf. Oft ist es ein bisschen wie Puzzeln, bis eine schöne Strecke zusammenklabustert ist. Auf die ganz dünnen Striche kommt es an. Das Symbol für Feldwege bzw. Erdpfade. Nur wenn es hier nicht mehr weitergeht, weiche ich auf Wirtschaftswege und zur Not auch auf ruhige Landstraßen aus. Schon als ich diese Tour vorbereitet habe, habe ich gemerkt, dass so eine Art Niemandsland für Wanderer vor mir liegt. Um Wolfstein herum jede Menge Wanderwege. Um Rockenhausen herum jede Menge Wanderwege. Dazwischen nix. Um eine einigermaßen direkte Strecke hinzubekommen, ist es dann auf ungewohnt weite Passagen auf Asphalt hinausgelaufen. So pi mal Daumen bestimmt 1/3 der Gesamtstrecke. Das geht an die Substanz.
Wegen dem langen Laufen auf hartem Untergrund sind die letzten 5 Kilometer nicht mehr so ganz der große Spaß. Kräftemäßig bin ich noch fit. Die Füße schmerzen. Aber die Ferse hält! Immerhin. Müd bin ich auch. Deshalb habe ich zum Schluss nur noch noch das Ziel im Kopf. An einer Weggabel, an der ich lieber noch mal die Karte gecheckt hätte, verlasse ich mich blind auf den Kompass. Peilung und Wegrichtung stimmen überein; also biege ich rechts ab. Der Kompass lässt mich eine ganze Weile im Glauben richtig zu sein. Das nächste Dorf will und will aber nicht auftauchen. Und dann ist klar: ich laufe in die falsche Richtung. Jetzt zeigt es auch der Kompass deutlich an. Als ich aus dem Wald trete, sehe ich die Dächer von Dörnbach linker Hand aus den Hügeln lugen. Uns trennt eine weite, offene Fläche: Acker und gemähte Wiese. Kurzer Hand beschließe ich querfeldein auf die richtig Route zu wechseln. Wegen dem unebenen Gelände rutschen meine Füße auf der neuen Einlegesohle im Schuh hin und her (da muss ich mir noch eine Lösung überlegen), aber diese Abkürzung ist die Mühe wert! Es geht flott bergab. Immerhin. 10 Minuten später bin ich wieder d’accord mit meinem Plan. Uff!
Am Rockenhausener Bahnhof sitze ich völlig malade auf der Bank. 22 Kilometer übersteigen echt meine Wohlfühldistanz. Zumindest unter diesen Bedingungen. Das steht nach dieser Strecke definitiv fest. Aber auch die eigene Belastbarkeit will ja erstmal ausgekundschaftet werden! Dazu kommt, dass ich schon seit Stunden auf den Beinen bin. Die Müdigkeit krabbelt in den Kopf. Deshalb realisiere ich erst im letzten Moment, dass der Zug vor mir steht und abfährt, wenn ich nicht augenblicklich einen Satz mache. Es geht alles gut. ;-) Rückzus läuft’s dann echt ruck zuck. Eine schnelle Stunde später steige ich in Mainz aus dem Zug! Etwas wackelig auf den Beinen. Die Muse, um stolz und zufrieden mit mir zu sein, dass ich diese Herausforderung gemeistert habe, küsst mich am nächsten Tag; nachdem ich tief und fest durch geschlafen habe. Der Plan, mit dieser Wanderung die Etappentour zu beenden, ist jedenfalls schon wieder über den Haufen geworfen. Da gibt es noch ein, zwei Routen in der Nordpfalz, mit denen ich liebäugle! ;-)
+ + Etappe 8 – Nord-Pfälzer Bergland 2014 – Mittwoch, 10.9. – von Wolfstein über Relsberg, Hefersweiler, Seelen, Reichsthal, Spreiterhof, Dörnbach nach Rockenhausen — 22 km, 735 hm Aufstieg, 735 hm Abstieg, höchster Punkt: 428 m, niedrigster Punkt: 115 m ++
++ Karten:
Westpfalz Nord – Blatt 1. Pfälzer Bergland mit Nahe – Topographische Karte 1:25.000 – ISBN 978–3‑89637–412‑7++
Naturpark Pfälzerwald — Blatt 1. Der Donnersberg — Topographische Karte 1:25.000 — ISBN 978–3‑89637–397‑7++
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