Vor drei Wochen ging ich ohne Jacke auf Wan­der­schaft. Seit ein paar Tagen ist der Hochsom­mer eingeknickt. Um 6 Uhr in der Früh zeigt das Ther­mome­ter heute frische 9 Grad plus. Zwiebel­prinzip ist ange­sagt. Jacke, Flee­cepul­li, T‑Shirt. Die Bank an der Bushal­testelle ist beset­zt: mit Tau!

Der Fahrkarte­nau­tomat am Bahn­hof nimmt nur bis 20 Euroscheine. Sicher­heit­shal­ber wech­se­le ich den 50er für die Rück­fahrt am Nach­mit­tag bei Mc Don­ald gegen eine Tasse Kaf­fee und neun (!) 5er Scheine. Musst Du zählen!“, lacht der Ser­vice­mann. Stimmt. Das Pack­erl geht grad so in das kleine Wan­der­porte­mon­naie, das ich mir angeschafft habe, um Platz und Gewicht im Ruck­sack zu sparen.

Die heutige Etappe mein­er Wan­derung durch die Nordp­falz ver­läuft von Meisen­heim über Desloch und Lauschied nach Bad Sobern­heim (12 km). Ein san­fter Nord‑, Nordwest‑, Nordkurs.

Meine linke Ferse tat auf den let­zten Kilo­me­tern der let­zten Wan­derung der­maßen weh, dass ich kaum mehr laufen kon­nte. Deshalb beschränke ich mich dieses Mal auf eine kürzere Route. Pro­belauf für die neuen Ein­la­gen. Mal sehen, ob sie sich bewähren.

Am Tagesziel steige ich von der Bahn um in die Buslin­ie 262, die mich zum Aus­gangspunkt der Wan­derung brin­gen soll: Meisenheim.
Meisen­heim hat sich als ide­al­er Start­punkt für eine Nordp­falz­tour her­aus­gestellt. Die kleine Stadt am Glan liegt gün­stig. Sie ist mit Bahn und Bus von Mainz aus in max­i­mal 1,5 Stun­den zu erre­ichen; ohne lange Wartezeit­en beim Umsteigen. Und Meisen­heim liegt zen­tral. Von hier aus lässt sich die Nordp­falz in für mich mach­bare Dis­tanzen (15 bis 2o Kilo­me­ter) erkun­den. Wichtig ist näm­lich ein Bahn­hof am Ziel, über den ich flot­ten Anschluss an Zuhause habe. In dieser Hin­sicht liegt Meisen­heim perfekt.

Als sich die Bustür öffnet, bin ich baff. Hin­ter dem Lenkrad sitzt eine adrette ältere Dame und feilt sich die Fin­gernägel. Wohin?“, fragt sie fre­undlich und guckt über den Bril­len­rand drüber. Dann runter, durch die Gläs­er. In Ord­nung!“, quit­tiert sie meine Fahrkarte.
Im Bus­ra­dio laufen Nachricht­en, die sie mit Seufz­ern und Kopf­schüt­teln kom­men­tiert. Dabei lenkt sie das rund 12 Meter lange Gefährt sou­verän durch die engen Kurven.
Am Abzweig nach Bär­weil­er hält sie an. Die Straße in den Ort ist ges­per­rt. Sie wartet, ob Fahrgäste, die per Aushang informiert sind, zur Kreuzung raus­ge­laufen kom­men. Zeit für ein Schwätzchen und wir kom­men ins Gespräch.

Ich bewun­dere, dass sie als Bus­fahrerin arbeit­et. Ich foar schon seit 35 Joar!“, erzählt sie stolz. Eine spon­tane Entschei­dung sei das damals gewe­sen, mit der der Mann erst gar nicht ein­ver­standen war. Sie solle sich sofort wieder abmelden, habe er protestiert. Aber sie hat sich nicht abbrin­gen lassen von ihrem Plan. Sechs Wochen habe die Aus­bil­dung gedauert. Damals musste sie zusät­zlich den LKW-Führerschein machen. Noch keinen Tag habe sie ihren Entschluss bedauert.
Aber so langsam kämen die Gedanken ans Aufhören; schließlich sei sie schon über 70 Jahre. Im Früh­jahr habe sie den Per­so­n­en­be­förderungss­chein noch mal weit­ere 5 Jahre ver­längern lassen. Es macht doch noch so einen Spaß! Die Zeit ren­nt einem fort.“, sin­niert sie einen kurzen Augen­blick wehmütig. Doch schon geht es weiter.

So, jet­zt fahrn mehr noch do rin un hole die Kin­ner­gad­dekin­nercher ab.“ Dabei fällt mir die Geschichte mit dem net­ten Bus­fahrer im Früh­jahr wieder ein.

Und wie ist es im Win­ter mit dem Bus­fahren hier auf dem Land, bei Eis und Schnee, will ich wis­sen. Dieser Win­ter woar jo gar nix. Aber sun­st… es geeeht.“

Als ich frage, ob ich sie fotografieren darf, reckt sie sich: Ei wirk­lisch? Ei jo!“, pfälz­ert sie und lacht keck in den Rück­spiegel. Nach­dem die Kleinen wohlbe­hal­ten in der Kita abgeliefert sind, hält sie noch so lange, bis das Foto im Kas­ten ist. Wir winken uns lachend zu. Dann ist sie weg, die Ursu­la. Den Namen hat mir das Namenss­child­chen ver­rat­en, das mit kleinen Ted­dy­bärchen an der Frontscheibe baum­melt. Was für eine mutige, stolze Frau. Mit 70 noch so flott unter­wegs. Ich habe sie so um die 60 geschätzt. Boah! Da kann ich mir eine Scheibe abschneiden.

Das liebe ich am Über­land­wan­dern auch so: solche Men­schen kennenlernen!

In Bad Sobern­heim ist der Ein­stieg zum Wan­der­weg schnell gefun­den. Ein schmaler, mit Obst- und Laub­bäu­men gesäumter Wiesenpfad. Als natür­lichen Weg­weis­er habe ich den Heim­bach an mein­er Seite. Nach weni­gen Metern schäle ich mich aus den Klam­ot­ten und laufe kurzärmelig. Das Allein­wan­dern koste ich aus. Nehme mir Zeit zum Fotografieren. Nach ein­er mehrwöchi­gen Wan­der­pause tut diese Frei­heit richtig gut. Blattgrün, blauer Him­mel und rot­er Apfel ergeben ein far­ben­sattes Motiv. Im Fis­chte­ich spiegeln sich die Strohrollen auf dem benach­barten Feld. Lustig sehen die haushohen Strohsäulen aus. Wie riesige Ein­machgläs­er mit ihren Hauben aus weißen Plastikplanen.

Auf dem  höch­sten Punkt dieser Wan­derung (378 Meter) ober­halb von Lauschied bestaune ich das typ­is­che Nordp­falz-Panora­ma: Mit ein­er 360 Grad-Drehung um die eigene Achse zeigen sich die Höhen der umliegen­den Mit­tel­ge­birge: Soon­wald, Hun­srück, Roten­fels, Binger Wald, Taunus, Don­ners­berg. Alle da!

Die Mär vom Herb­st hat in den let­zten Tagen die Runde gemacht. Auch wenn es erst Mitte August ist und heute die Sonne scheint, der Som­mer hat augen­schein­lich seinen Zen­it über­schrit­ten. Die Felder sind wie leer gefegt. Die Ernte einge­bracht. Abkürzun­gen über Stop­pelfelder sind jet­zt wieder möglich. Die Bauern pflü­gen die Äck­er. Das Knat­tern der Trak­toren begleit­et mich über weite Streck­en durch die offene Landschaft.

Nach der Gemarkung Die Wald­lose” erre­iche ich den Rand des Bad Sobern­heimer Waldes. Zwei Markierun­gen weisen Routen zum Wan­derziel. Eine Län­gere (6,5 km) über Med­der­sheim und eine Kürzere (2,5 km), die Diret­tis­si­ma durch den Wald runter ins Nahetal. Aus den bekan­nten Grün­den entschei­de ich mich für die Direk­troute. Hier im Wald ist noch keine Spur von Herb­st zu ent­deck­en. Alles naht­los grün. Vom nahen Freibad höre ich Kinder lachen, qui­etschen und vergnüglich schreien. Noch sind Sommerferien!

Das wieder aufgenommene Train­ing der Kniemusku­latur macht sich pos­i­tiv bemerk­bar. Der Abstieg runter nach Bad Sobern­heim geht fast schmerzfrei von stat­ten. Mit den Stan­dard­ein­la­gen bin ich noch nicht zufrieden. Da muss doch was speziell für meinen Fuß Gefer­tigtes her, so mein Faz­it dieser Pro­be­tour. Vor allem, weil die Abschlus­se­tappe von Wolf­stein nach Rock­en­hausen mit über 20 Kilo­me­tern noch dieses Jahr anste­ht! Da freue ich mich schon sehr drauf.

+ + Etappe 7 — Nord-Pfälz­er Berg­land 2014  — Mittwoch, 20.8 — von Meisen­heim am Glan nach Bad Sobern­heim an der Nahe — 12 km, 289 hm Auf­stieg, 229 hm Abstieg ++

++ Karte: Westp­falz Nord – Blatt 1. Pfälz­er Berg­land mit Nahe —  Topographis­che Karte 1:25.000 — ISBN 978–3‑89637–412‑7++