Aufgewachsen bin ich im Lüßerttal. Eine Kerbe in der Landschaft unterhalb des Lembergs. Davon habe ich ja schon hin und wieder geschrieben. Wir haben zwar in der Stadt gewohnt; dort bin ich zur Schule gegangen. Von Montag bis Freitagnachmittag. Groß geworden bin ich im und um das Lüßerttal. Am Wochenende und in den Ferien.
Ende 2013, habe ich mich aufgemacht, um das Land jenseits des Lüßerttales zu entdecken. Mit einer Wanderung durch das Nord-Pfälzer Bergland. In mehreren Etappen. Nachgucken, was ist. Und nach jeder Wanderung wird mir klarer, wie sehr ich diese Landschaft liebe. Das offene, hügelige Land mit Äckern, Getreidefeldern, Weinbergen, kleinen Wäldern, Brombeerhecken, Pappelalleen, Bächen, Häusern und Scheunen aus Sandstein, uralten Höfen in Senken und auf Hochebenen.
Die 6. Etappe meiner Nord-Pfalz-Wanderung führte mich vergangenen Mittwoch von Staudernheim an der Nahe nach Norheim an der Nahe (16 Kilometer). Dort, wo die Nord-Pfalz in das liebliche Naheland übergeht. Nicht am Fluss entlang, sondern über die Hügel über Odernheim am Glan, Duchroth, Oberhausen und Niederhausen. Das ist die Gegend, die einem vor den Füßen liegt, wenn man oben auf dem Lemberg am Ausguck der Lemberghütte steht. Dort schaut man Richtung Norden. Das Lüßerttal liegt auf der Südseite des Lembergs.
Dort verläuft meine Lieblingslandstraße für den Heimweg vom Lüßerttal zurück nach Mainz. Bei Oberhausen über die sechsbogig Luitpold-Brücke. Ein Sandsteinquaderbau von 1889. Dann direkt an der Nahe weiter. Vorbei an der Stelle, an der sich der Fluss zum See ausbreitet. An der Niederhäuser Staumauer.
Die Strecke ab Oberhausen kenne ich also gut. Vom Auto aus. Als Wanderin wird mir deutlich, wie trennend die dort verlaufenden Bahnschienen sind. Nach einer Unterführung habe ich flussaufwärts erst vergeblich gesucht; fand dann auf der Karte eingezeichnet Richtung Niederhausen eine Möglichkeit. Einfach querbeet laufen, abkürzen geht hier natürlich nicht.
Unbekannt war mir bisher die Gemarkung zwischen Norheim und Durchroth. Zwar bin ich oberhalb von Norheim schon letztes Jahr im November gelaufen. Der sagenhafte Ausblick auf dem Galgenberg ist mir gut in Erinnerung geblieben! Später lese ich auf einer Tafel an einem Aussichtspunkt mit Bank: “Von hier oben überblickt man unsere ganze Heimat: Soonwald, Hunsrück, Naheland bis rüber in den Taunus.” Genau! Überblick gewinnen! Einer der Gründe, warum ich diese Wanderung unternehme.
Außerdem sind mir bei meinen Anreisen mit der Bahn dieses Jahr immer wieder die sanften Bergwiesen dort oben ins Auge gefallen. In Odernheim am Glan war ich dieses Jahr auch schon öfter. Dieses Mal bin ich einen neuen Abzweig gegangen und siehe da, jetzt erst ist mir das stattliche Gebäude der Bannmühle aufgefallen! Und ich bin durch ein historisches Gässchen gegangen; rechts und links alte Sandsteinhäuser, Torbögen und altes Mauerwerk. Bergauf bin ich an Weiden mit den bekannten Glanrindern vorbeigelaufen bin; fast wie im Allgäu, wo ich gerade mit meinem Mann zwei Wochen rumgewandert bin.
Oben angekommen hat sich die Hoffnung auf Weitblick mehr als erfüllt. Zwar hängt noch das Wasser der letzte Regentage in der Luft, es ist schwül, bedeckt und diesig. Aber der Wind ist schon emsig dran den Himmel aufzuräumen. Vor Duchroth dann Obstbaumwiesen mit Äpfeln und Pflaumen. Und viele Bauerngärten. Ein Wahrzeichen des Ortes. Der wunderschöne, kupferne Zwiebelturm der Duchrother Kirche. Zwiebelturm in der Nordpfalz? Ein Münchner Architekt! Weiter lese ich bei Wikipedia: Die Uhr mit dem schönen Ziffernblatt hat ein mechanisches Uhrwerk, das jeden Tag per Hand aufgezogen wird. Ein idyllisches Dörfchen mit Fachwerkhäusern und einem von Mauern gesäumten historischen Rundpfad. Und sogar einen Metzger gibt es hier noch. Um 12.30 Uhr sind die Brötchen aus, deswegen ziehe ich ohne neuen Proviant weiter.
Duchroth ist ein echtes Kleinod. Als ich das Dorf am anderen Ende verlasse, streife ich linker Hand ein riesiges Brombeerheckenfeld. Schwarze, dicke, süße Brombeeren wachsen mir fast in den Mund hinein. Ich lasse mich verführen und gehe immer weiter vom Weg ab. Dabei fühle ich mich 40 Jahre zurück in die Zeit, als ich als Kind mit Eimerchen ausgestattet Beeren gesammelt habe: eine ins Töpfchen, eine ins Kröpfchen! ;-)
Ich laufe runter an die Nahe; vor mir erhebt sich der alte Vulkankegel des Lembergs. Nachdem ich hinter der Brücke die Unterführung der Bahnlinie gefunden habe, steige ich durch die Weinberge hoch auf den Weinwanderweg. Erhabener Blick auf den breiten undschnell fließende Fluss. Die Unwetter der letzten Tage haben den Flussboden aufgewühlt. Das Wasser ist ganz braun.
Bei Niederhausen wechsele ich an der Staumauer noch einmal das Ufer. Zur Lembergrunde geht es rechts ab; heute biege ich nach links und laufe die letzten 3 Kilometer an der Nahe entlang nach Norheim. Dort endet die Tour über eine schöne geschwungene Brücke laufend in weiten, offenen Naheauen.
Wegbeschreibung: Vom Staudernheimer Bahnhof bin ich an der Straße Richtung Odernheim gelaufen. Oben am Berg geht es links die Disibodenberg-Treppe ab, runter zum Glan. Von Odernheim bis Oberhausen bin ich dem blauen Balken gefolgt; der Wegmarke eines alten Wanderwegs des Pfälzer Waldvereins. In Oberhausen geht’s über die Brücke, dann ein Stück an der Straße nach Niederhausen entlang (Fuß- und Fahrradweg) bis zur Unterführung Richtung Niederthälerhof. Von dort bin ich hoch zum Weinpfad gestiegen, der oberhalb der Nahe bis Norheim verläuft – zeigt die Karte jedenfalls. In Niederhausen hätte ich aber ein ganzes Stück Landstraße bis zum Anschlussweg laufen müssen. Für bergauf und Auto hatte ich keine Lust. Deshalb ging es in Niederhausen runter zur Nahe (Querung der Bahn im Ort), über die Staumauer auf die andere Flussseite und dann den Wegweisern nach bis Norheim (Bahnstation). (16 Kilometer)
Karte: Naturpark Soonwald-Nahe – Blatt 4. Binger Wald/ Stromberg/ Rheinböllen, Topographische Karte 1:25.000, (ISBN 978–3896373755)
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