Die nächste Gelegenheit rauszukommen ergibt sich erst wieder Ende Dezember. Obwohl es draußen noch dunkel ist. Obwohl Regen auf die Fensterbank tröpfelt. Obwohl es mein freier Tag ist und obwohl ich wohlverdient liegen bleiben dürfte, nehme ich diesen bereits seit langem geplanten Touren-Tag wie er ist: Wettertechnisch mitten im “grauen November”. Nieselig, neblig, nass. Jo.
Entschlossen schäle ich mich um 6 Uhr in der Früh aus dem warmen Bett, tappe fröstelig in die Küche, werfe den Wasserkocher für Tee an, toaste Brot für die Wandervesper und schlüpfe in warme Wanderklamotten, die unmissverständlich seit gestern Abend griffbereit liegen.
Noch wärmer wird mir zwei Stunden später. Wir steigen hoch von St. Goar zur Burg Rheinfels. Dieses Gipfelglück währt nur kurz. Der Welterbesteig führt uns unmittelbar hinter der Burg über Stiegen, Stufen und glitschige Holzbrücken steil hinab ins tief eingeschnittene Gründelbachtal.
Wir sind im alpinen Abschnitt des Oberen Mittelrheintals angekommen. “Ab jetzt haben wir spannnende Etappen vor uns; felsig, pfadig.”, prophezeit meine Wanderkollegin Andrea. Sie ist diese Strecke bereits im Sommer gegangen. Zunächst heißt es jedoch, den rutschigen Abstieg im aufrechten Gang zu meistern!
Wohlbehalten auf dem Talboden gelandet, gehen unsere Köpfe sofort in den Nacken. “Da geht’s jetzt wieder rauf. Alles klar!” Ungefähr 100 Höhenmeter auf engstem Raum sind bis zur Hochebene der Werlauer Schweiz zu wuppen. Jacke aus, Schluck Wasser und los geht’s.
Von Aussicht kann heute nicht groß die Rede sein. Immerhin anmutiger Anblick der Rheinfels in voller Pracht und Breite. Von Novembernebel umwabbert.
Die Erinnerung kommt zurück am Schild “alpiner Pfad”. Vor gut 9 Jahren musste ich hier unverrichteter Dinge umkehren, weil der Pfad aufgrund von Hangrutsch gesperrt war. Heute hängt dort eine Warnung “bei Nässe umgehen”. Wir lassen uns nicht verunsichern. Herumgeeiere wird’s dann doch bissl. Aber ein Abenteuer nach unserem Geschmack. Eine Pfadpassage die wirklich das Label “alpiner Pfad” verdient hat. Herrlich! “Eine geeignete Trainingsroute!”, denke ich.
Dieser fordernde, spannende Abschnitt zwischen den Aussichtspunkten “Auf’m Hartenberg” und “Am Pilz” entschädigt uns im Vorfeld für das folgende langweilige Stückchen durch den Wald. Wir nehmen auch diesen Moment wie er ist; beschäftigen den Geist mit Planungen vor uns liegender Etappen ab Koblenz.
Oberhalb von Hirzenach packen wir die Stöcke aus. Damit bewältigen wir den steilen, rutschigen Pfad runter ins Dorf in Rekordzeit. Pünktlich erreichen wir den Zug zurück in unsere Heimatorte.
Bahnabenteuer gab es heute auch wieder. Morgens am Mainzer Hauptbahnhof. Stehe erwartungsvoll auf dem ausgewiesenen Bahnsteig. 5 Minuten vor Abfahrt informiert mich eine junge Frau mit Kinderwagen über einen Gleiswechsel. Von 2a auf 11. Holla die Waldfee. Mit dem Aufzug würde sie es wohl nicht schaffen, meint sie enttäuscht. Das wollen wir doch mal sehen! So leicht gebe ich nicht auf. “Doch, doch, das geht schon mit Rolltreppe und Wagen!”, meine ich zuversichtlich zu ihr. Sie lässt sich ein. Nimmt die Situation, wie sie ist. Zusammen meistern wir die Rolltreppen rauf und runter. Dann heißt es “Beine in die Hand nehmen.” Alle Drei (Sie, ihr Kleinkind und ich) sitzen wir in “unserer” Mittelrheinbahn als diese pünktlich um 8.03 Uhr anfährt!
Nochmal zurück zur Tour: In Hirzenach hat Andrea 13, irgendwas Kilometer und über 500 Höhenmeter auf dem Tacho ihrer Smartwatch. Wir befinden uns jetzt auf Höhe vom rechtsrheinischen Kestert. Dort wo vor zwei oder drei Jahren ein ganzer Berg abrutschte und glücklicherweise kein Mensch zu Schaden kam. Vor uns liegt eine tolle Bergpassage nach Boppard. Die Vorfreude flackert bereits hell.
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