Seit Februar gehe ich am Rhein entlang. Von Worms nach Bonn. Zusammen mit meiner Wanderkameradin Andrea Geiß. In Etappen. Pi mal Daumen einmal mit Monat. Anfang September steht Etappe 7 von Bingen nach Niederheimbach (18 Kilometer) an. An einem der letzten Spätsommertage des Jahres wandern wir in T‑Shirt und kurzen Hosen von Bingen nach Niederheimbach. Blauer Himmel. Sonne satt.
Futter für die Entdecker-Seele
Am Abend vorher schaue ich mir die Route für den nächsten Tag an. Orientierung dürfte nicht gerade die Herausforderung werden. Ich kenne hier jeden Winkel. Seit der Wanderung, bei der ich ahnungslos ortskundigen Freunden hinterherdackelte, sind über 10 Jahre ins Land gegangen. Inzwischen habe ich auf unzähligen Kreuz-und-quer-Wanderungen den Binger Wald erkundet und bin über die Zeit heimisch geworden. Bei Bingen findet mein Kurs “Mit Karte und Kompass statt”. Oberhalb von Trechtingshausen der Trittsicherheits-Kurs. Heimspiel. Einfach laufen. Kopf frei für Austausch.
“Alles gut und schön. Mal ehrlich … bissl langweilig, oder?”, grmpfts im Kopf. Typisch: Meiner Entdecker-Seele fehlt das Abenteuer. Unverzüglich macht sich mein Hirn auf die Suche. “Doch da haben wir was: Wir werden dem neuen Welterbe-Steig folgen. Sprich, gleich zum Einstieg geht’s über einen Deiner Lieblingspfade am Rheinberg und oberhalb der Kreuzbergklamm. Bei Trechtingshausen kommen wir an einem Turm und — wenn ich mich recht erinnere — sogar an Felsvorsprüngen vorbei. Beim Abstieg lockt der alpine Martins-Pfad.” Na also!
Unterhalb der Baumgrenze, aber …
Wir sind im Oberen Mittelrheintal angekommen. Nach viel Weg geradeaus in den vergangenen Monaten heißt es ab dieser Etappe bis auf weiteres rauf und runter. Andreas neue Trackinguhr kann jetzt zeigen, was sie bei Höhenmetern drauf hat. Um es gleich vorwegzunehmen: Das Teil liegt utopisch daneben. Da machen wir uns nichts vor. Eindeutig sind wir noch unterhalb der Baumgrenze. Alte Eichenwälder, deren Bäume sich zu Skulpturen winden. Moos. Warmes Licht. Grüne Kraftorte statt alpine Kraxelei.
Trotzdem: Aufstieg ist Aufstieg. Das Taschentuch aus Papier, mit dem ich mir die Schweißtropfen aus dem Gesicht wische, löst sich rasch in seine Bestandteile auf. Unterhalb des Franzosenkopfs die Belohnung: Vom Aussichtsturm und einer alpenadäquaten Felsnase: Fernsicht über den Fluss.
Happy End
Für eine Etappenwanderung am Rhein spricht die [theoretisch] unkomplizierte An- und Abreise mit dem Zug. Ein Abenteuer, das uns bisher auf keiner der Etappen im Stich gelassen hat. Fast schon ein “fortlaufender Witz”. So sicher wie das Amen in der Kirche. Diese Mal Geduldsspiel: Zwei Züge lassen uns einfach stehen. Anderthalb Stunden warten wir am Bahnhöfchen von Niederheimbach (!!!) auf Verbindung. 🤷♀️ Glück im Unglück: Noch vor dem Gewitter unterm Dach.
Seit dem Start in Worms sind wir 119,4 Kilometer zu Fuß gegangen.
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