In diesem Bergsommer bin ich bei zwei Bergtouren umgedreht. Einmal marschierte ich ohne den Wetterbericht morgens zu checken bei schönstem Sonnenschein los, ignorierte die vom Tal aufziehenden Wolken und stand unmittelbar unterhalb des Gipfels urplötzlich vor einer undurchdringlichen Nebelwand. Im zweiten Fall unterschätzte ich die Distanz und drehte auf Dreiviertel des Wegs zum Ziel um:
Eine interessante Höhenwanderung verspricht Björn in seinem Wanderführer. Nicht ausgesetzt. Hohe Allgäu-Gipfel hautnah. Via Alpina. Laufbachereck. “Nur” 5 Kilometer eine Strecke. Mein Entdeckergeist jubelt. Ende Juni ist es soweit.
Stabiles Wetter. Sonne. Die Tage zuvor hats allerdings ordentlich geregnet. Am Vormittag liegt der Weg überwiegend noch im Bergschatten. Der Fels ist glatt. Wie zum Teufel kam ich auf die Idee mit Trailrunning-Schuhe loszugehen? Gut dass ich die Stöcke dabei habe. Großer Seekopf. Kleiner Seekopf. Prächtige Kulisse: Höfats, Oytal, Schneck. Markante Felsgiganten, atemberaubende Schluchten müssen bestaunt und fotografiert werden.
Die Glätte macht vorsichtig. Ich komme nur langsam vom Fleck. Am Schochensattel angekommen sind über zwei Stunden seit meinem Start oberhalb des Seealpsees vergangen. Bis zum Laufbachereck? Mindestens noch ein Stunde! Puh. Das wird knapp mit meinem Zeitplan. Das Ganze muss ich ja auch wieder zurück. Ich entscheide, es für heute gut sein zu lassen.
Wurmen tuts schon. Ärgern auch. Enttäuschung spielt mit. Selbstgespräche, wie “Du bist mir ja eine bergmutige Bergmut-Coach!”. Andererseits: Durch das rechtzeitige Umkehren gewinne ich vor der Talfahrt die Option für einen spontanen Abstecher am eigentlichen Zeigersattel.
Unterhalb des Zeigergipfels stapfe ich die Wiese hoch. Am Abbruch angekommen tut sich Richtung Osten ein neuer, herrlicher Blick ins Obertal/Hintersteiner Tal und auf den Giebel auf. Und da lugt es hervor, mein Objekt der Begierde: der Hochvogel-Gipfel. Eine schöne halbe Stunde setze ich mich ins warme Gras, blinzel in die Sonne, beobachte bissl neidisch Wanderer, die unterhalb meiner Position vorbeiziehen. An ihren Rucksäcke ist zu erkennen, dass sie an diesem Tag noch eine Hütte ansteuern. Ach ja, seufz. Freue mich am Wind, dem blauen Himmel, dem blauen See und den gelben Blumen um mich herum. Kann mich kaum losreißen aus diesem gewonnenen Moment.
“Wie wird man (berg)mutiger?” Antworten darauf finden sich auch in Prosa-Literatur. Die britische Schriftstellerin Deborah Levy zum Beispiel meint dazu dem Sinn nach: Ein Weg mutiger zu werden, ist weniger Angst vor dem Versagen zu haben. Statt sich selbst Erfolgsdruck zu machen, sich mehr Raum geben, alles auszuprobieren und mutig genug zu sein, Dinge auch einmal vermasseln zu können.
Im nächsten Anlauf zum Laufbachereck werde ich im Edmund-Probst-Haus übernachten, damit ich gleich mit dem ersten Sonnenstrahl loskann und den stabilen Bergschuh werde ich wählen; vielleicht werde ich den großen Rucksack dabei haben und das Prinz-Luitpold-Haus oder das Giebelhaus anvisieren.
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