Vor ein paar Wochen hörte ich Gerlinde Kaltenbrunners Geschichte von ihrer Besteigung des K2 das erste Mal bewusst.
25 Jahre träumte die Höhenbergsteigerin vom Gipfel dieses Achttausenders im Himalaya-Gebirge. Sieben Versuche (!) brauchte es, bis sie schließlich an einem Dienstagabend im August 2011 auf dem Gipfel stand. Der Berg hat ihr viele Male ihre Grenzen aufgezeigt und sie immer wieder zum Umkehren gezwungen. Doch sie ist drangeblieben.
Diese Geschichte hat zwei Dinge bewirkt: Gerlinde Kaltenbrunner ist mir zum Vorbild geworden. Weniger, was körperliche Leistungsfähigkeit (ok, bissl schon 😉 ) und Terrain angeht. Sondern in Bezug auf ihre emotionale und mentale Kraft und Ausdauer, ihre Durchhaltefähigkeit und ihre Geduld. Und auf meiner Rangliste der drei wichtigsten Punkte zum Erreichen von Zielen, ist das Ziel (benennen, fokussieren) von ganz oben nach ganz unten gerutscht.
Zwei Fotos von Gerlinde habe ich in meinem Büro angebracht. In Augenhöhe und von allen Positionen im Raum gut sichtbar. Auf dem einem Bild steckt sie im gelben Alpin-Overall mit rotem Rucksack in einer schneebedeckten, unfassbar nahezu senkrecht abfallenden Steilwand und lacht dem Fotografen ins Gesicht. Das andere Bild zeigt sie auf dem relativ flachen Gipfelbereich. Von hinten. Im Vordergrund Fußspuren im Schnee. An der Kante entlang. Am Ende dieser Spur steht Gerlinde; wenige Schritte vor dem Gipfel. Nur ein paar Meter sind es noch bis zum Ziel. Scheinbar ruhig steht sie da, die Arme unten, in jeder Hand einen Eispickel. Erleichterung, Staunen … was mag wohl in diesem Moment des Ankommens in ihr vorgegangen sein?
Diese beiden Fotos haben meinen Blick auf Ziele grundlegend verändert. Beim genaueren Betrachten vom Sessel aus, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Das Ziel ist viel weniger zentral als ich bisher dachte. Denn die Tour, der Wirklichkeit gewordene Traum ist am Ziel eigentlich vorbei.
Ja, das Ziel setzt den Rahmen, gibt die Bedingungen vor, mit denen klar zu kommen ist, richtet aus, motiviert, zieht. Aber das Bewegende — das Abenteuer — ist der Weg!!!
Das Erlebnis Berg wird viel, viel wertvoller, wenn der Weg zum Ziel in der Unternehmung gleichberechtigt zum Ziel Raum erhält.
Der Weg ist es, der Dich lebendig macht und an dem Du wächst!
Wichtig: Der Weg ist mehr als der konkrete Pfad unter den Füßen. Zum Weg dazu gehört, sich auf eine Bergtour vorzubereiten: zu planen, zu trainieren, sich Fähigkeiten anzueignen, Erfahrungen zu sammeln, auszuprobieren, unter Umständen neu anzusetzen, um schließlich so ausgestattet, ertüchtigt und gestärkt sich tatsächlich auf den konkreten Bergweg zu machen und sein Ziel zu erreichen, wie Gerlinde Kaltenbrunner.
Wann gehst Du los?
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