Kennt Du das? Geschwollenen Hände beim oder nach dem Wandern? Besonders an warmen Tagen kriegst Du nach einer Weile unterwegs keinen Ring mehr vom Finger. Beide Hände sind dick und spannen unangenehm; fühlen sich an wie aufgeblasen und sehen aus wie mit Wasser gefüllte Gummihandschuhe.
Eine Kursteilnehmerin fragt mich neulich: „Heike, hast Du eigentlichen einen Tipp, was ich gegen geschwollene Hände beim Wandern tun kann?“
Interessante Frage!
In Wanderforen finde ich verschiedene Patentrezepte; doch welches davon verschafft tatsächlich bei dicken Wanderhänden Abhilfe oder zumindest Linderung? Zeit für einen Selbstversuch!
Die Gelegenheit war gerade günstig: Ich machte zwei Wochen Wanderurlaub und es war schön kuschelig warm. Beste Bedingungen, um die Lösung praktisch zu erwandern. Dazu gleich mehr.
Zuerst bissl Hintergrund! Warum eigentlich werden die Hände beim Wandern besonders an warmen Tagen dick?
Kurzer Schlenker zum Warum
Was läuft da biologisch im Körper ab, wenn die Hände beim Wandern anschwellen? Zwei Ärzte, ein Sportwissenschaftler und Dr. Google habe ich dazu befragt. Die Essenz ihrer Antworten lautet wie folgt:
Der Vergleich mit dem Wasser im Gummihandschuh kommt der Sache schon ziemlich nahe! Die Schwellungen in den Händen werden durch Wassereinlagerungen im Gewebe verursacht. Das hat mehrere Gründe: natürliche Vorgänge in den Gefäßen, die Blut transportieren, die Stellung von Armen und Händen während des Gehens, wie sich die oberen Extremitäten beim Gehen bewegen sowie die Dauer.
Für den Transport des Blutes sind zwei unterschiedliche Gefäßarten zuständig. Die Arterien bringen frisches, sauerstoffreiches Blut vom Herz in den Körper. Den Rücktransport des verbrauchten, sauerstoffarmen Blutes zum Herz zurück, übernehmen die Venen.
Wenn wir Strecke machen oder einen Berg raufsteigen, kommt unser Kreislauf in Schwung. Die Arterien pumpen mit vollem Karacho frisches Blut bis in Fingerspitzen. Im Gegenzug kriegen die Venen richtig was zu tun.
Normalerweise schaffen die Venen in Fingern, Händen und Armen diese Aufgabe mit Leichtigkeit.
Bei längeren, fordernden Wanderungen an sehr warmen Tagen herrschen allerdings erschwerte Bedingungen!
Erstens weiten sich Venen bei Hitze und Anstrengung. Fachleute nennen das Weitstellung. Diese sorgt einerseits für Wärmeaustausch und für bessere Durchblutung. Andererseits schwächt diese biologische Regulation ihre Leistungsfähigkeit.
Zweitens hängen beim Wandern die Arme über längere Zeit nach unten. Sprich, die Venen arbeiten gegen die Schwerkraft. Dazu ähnelt das leichte Pendeln der Arme beim Gehen wie eine Zentrifuge, die dem Hochpumpen zusätzlich entgegenwirkt. Und als ob das nicht schon Herausforderung genug wäre für die ohnehin geschwächten Venen, fällt durch die relative Bewegungslosigkeit der Arme und Hände auch noch die so genannte Muskelpumpe aus, die sonst den Rücktransport des Blutes tatkräftig unterstützt.
Ganz blöd kann es kommen, wenn äußere Einflüsse den Rücktransport des Blutes blockieren. Zum Beispiel enge Armbänder, Ringe oder die Tragriemen eines schweren Rucksacks, die unter den Achseln Gefäße abschnüren.
Alle diese Faktoren führen dazu, dass der Blutrückfluss aus den Händen zäh wird. Wasser sickert in umliegendes Gewebe (Blut besteht zu 95 % aus Wasser!).
Die Hände schwellen an.
Theoretisch liegt die Lösung des Problems der dicken Hände damit wortwörtlich auf der Hand:
Den Rücktransport des Blutes aus Fingern, Händen und Armen nach Kräften unterstützen. Sprich den Venen durch Bewegung helfen, die Schwerkraft zu überwinden, die Muskelpumpe aktivieren und von außen bedingte Engpässe in den Gefäßen vermeiden.
Wie sieht die praktische Lösung aus?
Diese Tipps aus den Wanderforen habe ich während meiner Wanderungen im Naturpark Bayrischer Wald im Juni und Juli ausprobiert: Handschuhe tragen, die Hände in den Tragriemen des Rucksacks einhängen, Hände und Arme bewegen und kreisen sowie mit Stöcken gehen.
Eine wichtige Anmerkung vorweg: Veränderungen der Venen durch Krankheit oder andere körperliche Belastungen, wie z.B. Schwangerschaft oder Gewichtszunahme etc., sind hier außen vor. Auch der Einsatz von Medikamenten spielt hier keine Rolle. Das ist Sache der Ärzte!
Nur auf Rezept!
Im Grunde passiert beim Wandern in den Händen das Gleiche wie wir es auch von den Beinen kennen bei langem Sitzen, langem Liegen oder langem Stehen.
Da kam mir beim Tipp mit den Handschuhen spontan die Idee: Für Beine und Füße gibt es doch Kompressionsstrümpfe. Kompressionshandschuhe müssten doch dann das Non plus Ultra sein!
Gleich mal gegoogelt: Tatsächlich, die gibt es! Alles möglichen Varianten: mit Finger, ohne Finger, bis zum Handgelenk oder gleich der ganze Unterarm.
Nun war ich ja im Urlaub. Woher für meinen Selbstversuch Kompressionshandschuhe nehmen? Im Sanitätshaus der Kreisstadt im Hinteren Bayrischen Wald schaut mich die Verkäuferin skeptisch an, schüttelt resolut den Kopf und antwortet bestimmt: Die gibt es nur auf Rezept vom Arzt, werden maßgefertigt und kosten um die 100 Euro. Nee, hier bin ich verkehrt.
Schließlich finde ich in einer Apotheke eine fingerlose, komprimierende Handgelenkbandage. Außerdem haben wir elastische Fahrradhandschuhe mit halbem Finger im Urlaubsgepäck.
Beides habe ich
jeweils auf einer Wanderung an einer Hand getestet.
Ich mache es kurz: Vergiss‘ diese Lösung.
Die Handgelenkbandage hat die Hand und den Arm um das Gelenk ordentlich zusammengedrückt, oder besser abgedrückt. Die Finger waren noch dicker als ohne Bandage und nach dem Abnehmen der Presse haben Hände und Finger geschmerzt.
Kompression kann an den Händen nicht funktionieren. Anders als in den Beinen liegen die Venen nicht tief drin im Gewebe, sondern direkt unter der Haut. Durch die Kompression wird der Blutfluss abgedrückt. Das ist nicht im Sinne des Erfinders!
Auch der Fahrradhandschuh brachte nicht den gewünschten Effekt an der Testhand. Oben angekommen am Berggasthof, war sie genau so dick und angespannt, wie die Hand ohne Handschuh.
Handschuhe beim Wandern – normale, nicht einengende – kommen allenfalls in Frage, um die Hände beim Greifen an Seilsicherungen zu schützen, um die Griffigkeit schwitziger Hände zu gewährleisten oder halt im Winter zum Warmhalten. ;-)
Gehen wie Goethe
Durch Zentrifugalkraft verstärkte Schwerkraft und fehlende Muskelpumpe sind zwei der Faktoren, die beim Wandern zu geschollenen Händen und Fingern führen.
Da liegt die Lösung nahe, Arme, Hände und Finger zu bewegen und damit die Venen aktiv bei ihrer Arbeit zu unterstützen: das Blut fließt leichter und schneller zurück, die Muskelpumpe springt an und hilft mit beim Rücktransport.
Eine Leserin kommentierte meine Ankündigung dieses Blogthemas auf meiner Facebook-Seite so: „Einfach den Lymphfluss in Schwung halten: Faust auf und zu oder Arme schwingen!“
Was das mit Goethe zu tun hat? Bevor ich auflöse, erst der Testbericht.
Bei einem zweistündigen Aufstieg von 600 auf 1200 Meter habe ich diese Varianten mit beiden Händen parallel durchgehend im Wechsel ausprobiert:
- Handflächen nach oben wenden, Unterarme leicht anheben, die Armbeugen formen einen Bogen, die Arme in dieser Haltung zum Oberkörper hin und weg schwingen; wie ein Bagger mit Schaufel nach oben.
- Von einer Qi Gong-Übung abgeschaut, leicht abgeandelt: Arme leicht anwinkeln, Unterarme abwechselnd zum Körper hin und weg beugen; zum Körper hin: Hände mit den Flächen nach oben, vom Körper weg: Handflächen nach unten. Im Qi Gong symbolisiert dieser Bewegungsablauf: Frische Energie von unten nach oben in den Körper schöpfen, verbrauchte Energie von oben nach unten aus dem Körper drücken. Ich glaube die Übung heißt ” Die Erdenergie in den Himmel tragen und drücken”, wer googeln mag.
Zwischendrin habe ich zusätzlich immer mal wieder die Faust auf und zu gemacht.
Nach der Gegenprobe mit einer aktiven und einer inaktiven Hand konnte ich sicher feststellen, dass am Gipfel oben die aktive Hand, zwar schwitzig und warm war, aber deutlich weniger angespannt und dick als die Hand, die die ganze Zeit leicht pendelnd nach unten hing.
Beide Varianten lassen sich einfach in einen stetigen Geh- und Atemrythmus verbinden. Angenehm fand ich kurze Pausen, in denen ich die Hände über den Kopf gestreckt an einem Baumstamm ablegte. So ungefähr muss sich wohl dieses Waldbaden anfühlen, das derzeit in aller Munde ist.
Oh Frau! Stundenlang mit den Flossen wedelnd durch die Berge steigen? Wie soll das bitteschön gehen und wie sieht das denn aus?! Hahaha. Tatsächlich hat der bayrische Waldarbeiter auf seinem Traktor, dem ich begegnete, schon bissl komisch zu mir rübergeschaut.
Aber was Goethe nicht kümmerte, soll auch uns nicht hindern, oder?
Zu meinem Entzücken habe ich in meiner Urlaubslektüre diese treffende Passage entdeckt:
„In dieser Zeit begann Goethe, auch beide Arme wild zu schwenken, wenn er spazieren ging – womit er besorgte Blicke seiner Nachbarn auf sich zog. Wie er einem Freund erläuterte, habe er entdeckt, dass dieses übertriebene der Arme ein Relikt des vierbeinigen Tieres sein – und damit einer der Beweise dafür, dass Tiere und Menschen einen gemeinsamen Vorfahren hätten. ‘Denn so gehe ich naturgemäßer’, sagte er und kümmerte sich nicht darum, dass die Weimarer Gesellschaft sein seltsames Verhalten für unfein halten könnte.“ Aus: Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ von Andrea Wulf , Penquin
Übrigens I: Mir hat am besten die Qi Gong-Variante in Kombination mit Baum-umarmen gefallen und diese hat auch am besten gewirkt. Anders als beim Schwingen, erhält beim leicht angewinkelten Auf und Ab der Unterarme bei stetigem Wenden der Handflächen die Zentrifugalkraft weniger Antrieb.
Übrigens II: Der Tipp mit dem Einhängen der Hände in die Tragriemen oder den Brustgurt des Rucksacks ist meiner Erfahrung aus dem Selbstversuch nach ein Flop. Erstens werden die Arme sehr angewinkelt und der Blutfluss eingeengt (siehe zum Thema Kompression oben). Zweitens wirkt die Haltung der Arme vom Gefühl her irgendwie beklemmend, einengend auf Brustkorb und Atmung. Bei allem guten Willen ist es mir nicht gelungen, diese Haltung über einen längeren Zeitraum beizubehalten. Daumen runter also für diesen Tipp, der erstaunlich oft in den Foren genannt wird. In die gleiche No go-Kategorie fällt die Idee, mit über dem Kopf gestreckten Armen zu gehen. Das hältst Du nur ganz kurze Zeit durch, weil Du die Arme unten brauchst, um das Gleichgewicht zu halten.
Das Ei des Kolumbus
In der Facebook-Gruppe für Langstreckenwanderinnen und ‑wanderer steht ein Tipp ganz weit oben: der Stockeinsatz. Wer mich kennt und schon länger hier mitliest weiß: Bisher bin ich keine Freundin von Stöcken beim Wandern; jedenfalls nicht über längere Zeit. Allenfalls in besonderen Situationen am Berg, wo ein mobiles Geländer Sinn macht.
Damit nichts in den schiefen Hals kommt: Diese Einstellung hindert mich nicht, in meinem Kurs „Stressfrei bergauf und bergab (Trittsicherheit)” die Teilnehmer zu bitten, Stöcke zum Kurs mitzubringen und ihnen dann den sinnvollen Einsatz derselben beim Wandern in den Bergen zu vermitteln!
Zurück zum Thema:
Im Dienst der Wissenschaft habe ich meine Ressentiments gegenüber Stöcken über Bord geworfen, meine Lekis ausgepackt und auf einer mehrstündigen Wanderung mit knackigem Auf- und Abstieg eingesetzt.
Es kam tatsächlich wie es kommen musste: Im Vergleich mit den anderen hier vorgestellten Lösungen ist dieser Tipp das Ei des Kolumbus!
Schon beim Erreichen der Bergspitze an einem sehr warmen Tag: in beiden Hände kein „Wasserhandschuh-Gefühl“. Die Hände waren schwitzig, etwas rot (gut durchblutet), aber nicht dick und angespannt.
Auch bei diesem Versuch habe ich die Gegenprobe gemacht: eine Hand mit Stock, die andere Hand ohne und nach unten hängend und leicht pendelnd. Mit dem gleichen Ergebnis. Bingo!
Die Erklärung der Wirksamkeit liegt auf der Hand: Wie beim Goethe-Tipp bewegst Du die Hände. Du schwächst die Wirkung der Schwerkraft und aktivierst die Muskelpumpe. Die Hände sind in einer Greifhaltung, die sich jedes Mal leicht öffnet, wenn Du die Stöcke umsetzt. Zusätzlich werden die Arme in der Bewegung gestützt und seitlich des Körpers geführt.
Fazit meines Selbstversuchs
Kurz und gut: Wenn Du mit dicken Händen beim Wandern zu tun hast und etwas dagegen unternehmen willst, dann kommen zwei Möglichkeiten in Frage: Arme, Hände und Finger bewegen; frei oder mit Stöcken. Auf diese Weise förderst Du den zügigen Rückfluss des Blutes aus den Händen zurück zum Herz und gibst dem Wasser im Blut keine Chance sich ins Gewebe zu verlagern.
Weiteren Spielraum für Experimente sehe ich bei Allem, was Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Venen gut tut: Sei es Ernährung, Kühlung und Einengendes an den Händen (Schmuck) beim Wandern weglassen, Rucksack richtig setzen. Oder doch gaaaanz sanfte, auf keinen Fall abdrückende und über die Fingerknöchel reichende Kompression der Hände? Das probiere ich bei Gelegenheit noch mal aus.
Interessante Erkenntnis für mich war die unterschiedliche Physiognomie der Arm- und Beinvenen: „Beinvenen sind viel größer als Armvenen und liegen tiefer im Gewebe.“, so eine Ärztin, die ich gefragt habe. Oder anders ausgedrückt: Ratschläge für bessere Durchblutung und Vermeidung von Wassereinlagerungen in den Beinen, lassen sich nicht 1:1 auf Hände und Arme übertragen. Das hat mein Versuch mit der Kompression durch die Handgelenkbandage deutlich gezeigt.
Wichtige Anmerkung zum Schluss: Auf jeden Fall sollte bei intensivem Anschwellen ein Arzt konsultiert werden, da es noch weitere Faktoren gibt, die zu Flüssigkeitsansammlungen führen können!!!
Die Ergebnisse dieses Selbstversuchs verstehen ich als Orientierung und Inspiration. Ich bin immer für selbst machen und selbst ausprobieren. Weißte ja!
Ich freue mich, wenn Du den ein oder anderen Tipp, selbst testest und Deine Erkenntnisse mit einem Kommentar zu diesem Artikel mit uns anderen Wanderern teilst. Toll wäre es natürlich, wenn Du noch eine ganz neue Lösung hast, die funktioniert. Auf diese Weise schaffen wir es gemeinsam eine Sammlung mit brauchbaren, im Sinne von wirkungsvollen Tipps für schlanke, bewegliche Hände und Finger zusammenzutragen. Genauso willkommen sind jegliche Erfahrungen die ihr mit diesem Thema gemacht habt oder Anmerkungen zu meinen Erklärungen. Ich bin von Kopf bis Fuß auf Lernen eingestellt.
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