Du hast einen Traum. Einen Wun­sch. Ein Ziel. Du willst neue Wege wan­dern. Du willst einen neuen Sport machen. Oder Du willst bei einem Sport, den Du ganz gut beherrschst, neue Wege beschre­it­en. Kurz: Du stehst am Anfang eines [Erfahrungs-]Lernweges. Und zum Ler­nen gehört Fehler machen dazu.

Als ob sich Fehler zuzugeste­hen für ambi­tion­ierte Ein­steiger nicht schon Zumu­tung genug wäre, wer­den sie zudem mit Geset­zen ähn­lichen Sprüchen kon­fron­tiert, die vorschreiben, wie mit Fehlern umzuge­hen ist und wie nicht, um voran zu kommen.

Ein bekan­nter Ratschlag lautet, dass man einen Fehler nicht zweimal machen darf, um in ein­er Sache weit­erzukom­men. Im Orig­i­nal lautet der Spruch: Erfolg beste­ht nicht darin, keine Fehler zu machen, son­dern darin, den gle­ichen Fehler kein zweites Mal zu machen.“ Er stammt aus der Fed­er des Schrift­stellers George Bernard Shaw.

Dieser Spruch ist völ­liger Quatsch.

Denn wie bitte soll man einen Fehler ver­mei­den, wenn man noch gar nicht weiß, dass es ein Fehler  ist, bzw. der Fehler, der einen am Weit­erkom­men hindert?

Um den gle­ichen Fehler nicht ein zweites Mal machen zu kön­nen, muss ich doch zunächst Klarheit darüber gewin­nen, was das eigentliche Prob­lem ist. Was genau meinem Weit­erkom­men entgegensteht.

Die Hür­den bei einem sportlichen Ziel kön­nen vielfältig sein: Haperte es an der Kon­di­tion? Oder sind es eher tech­nis­che Fähigkeit­en, die mir noch fehlen. Über­fordere ich mich grund­sät­zlich mit mein­er Herange­hensweise? Lege ich die Lat­te zu hoch oder zu niedrig? Brauche ich Unter­stützung? Oder liegt es vielle­icht an der gewählten Unter­stützung. Fehlt es hier an päd­a­gogisch-didak­tis­ch­er Kom­pe­tenz? Geht der Train­er auf meine indi­vidu­ellen Bedürfnisse ein. Set­zt er die Rah­menbe­din­gun­gen des Train­ings für mich passend. Ist das gewählte Lern­for­mat für mich über­haupt das richtige. Ist statt Grup­penkurs vielle­icht eher ein indi­vidu­elles Train­ing für meinen aktuellen Lern- bzw. Leis­tungs­stand ange­sagt? Und, und, und.

Wenn Dir per­sön­lich nicht klar ist, was Dich daran hin­dert weit­erzukom­men und wenn Du trotz mehrfachen Scheit­erns die Flinte nicht ins Korn wer­fen willst, dann kommst Du nicht umhin unter Umstän­den Fehler ein zweites Mal oder auch mehrmals machen, um Dich im Auss­chlussver­fahren der tat­säch­lichen Hürde zu nähern.

Damit klar­er wird, was ich meine, will ich ein Beispiel aus der Liste mein­er eige­nen sportlichen Lern­pro­jek­te geben:

Ich fahre seit meinem 6. Leben­s­jahr Ski. Früher habe ich das Abfahrts­fahren geliebt. Ich kon­nte gar nicht oft genug mit dem Lift rauf und dann so schnell wie der Blitz. 14 Tage Skife­rien auf diese Art waren mir vii­iel zu kurz. Heute reicht mir ein Tag auf der Piste. Das dauernde Rauf mit dem Lift und ruck zuck wieder runter wird mir schnell lang­weilig. Deshalb habe ich mir Ski­tourenge­hen in den Kopf gesetzt.

Beim Ski­tourenge­hen läuf­st Du die Berge auf Ski mit spezieller Bindung hoch und fährst im Gelände oder auch auf Pis­ten ab. Touren zu gehen ist eine Art Berg­wan­dern im Winter.

Ski­tourenge­hen kostet im Ver­gle­ich zum reinen Abfahrt­slauf richtig Kraft. Beim Hochlaufen. Klar. Aber auch beim Abfahren. Wenn Du nicht über Pis­ten run­ter­fährst, geht es durch Tief­schnee. Tief­schnee fordert Dich tech­nisch und kon­di­tionell auf eigene Weise.

An dieser Stelle sind zwei Dinge wichtig zu wissen:

Ich bin auch heute noch eine mit­telgute Ski­fahrerin. Nach einem hal­ben Tag Ein­fahren fahre ich rote Pis­ten flüs­sig und traue mich auch schwarze Abfahrten runter. Schwarze Abfahrten fordern mich nicht men­tal, son­dern kon­di­tionell. Was mir fehlt ist Rou­tine und aus diesem Grund speziell Kon­di­tion. Schwarze Pis­ten gehen nach kurz­er Zeit über meine Kräfte.

Mein Ziel beim Ski­tourenge­hen ist, mod­er­ate Hänge hochzuge­hen und abz­u­fahren. Ich würde sage, Klasse Blau bis Blau­rot. Ich strebe keine Kar­riere als Freerid­erin an!

Ich halte dieses Ziel für mich mach­bar. Da ich aber über kein­er­lei Erfahrung im Ski­tourenge­hen hat­te, entsch­ied ich mich, Unter­stützung zu holen.

Bish­er habe ich zwei Grup­penkurse für Ski­tourenge­her besucht. Ein­mal im All­gäu und ein­mal in Tirol.

Beim ersten Kurs ging es darum, die Grund­la­gen des Ski­tourenge­hens zu ler­nen: Tech­niken beim Rau­flaufen, Umgang mit der speziellen Aus­rüs­tung (Bindung, Felle, Law­inen­not­fal­lausstat­tung etc.). Diesen Kurs musste ich am zweit­en Tag abbrechen. Die Abfahrt der Tour am 2. Tag über­stieg meine kon­di­tionelle Leis­tungs­fähigkeit, außer­dem wurde ich mein­er Uner­fahren­heit im Gelän­de­fahren respek­tive Tief­schneefahren bewusst.

Deshalb habe ich im Jahr darauf einen anderen Kurs aus­gewählt. Einen, der ein Train­ing im Tief­schneefahren weit­ge­hend auf roten Abfahrten auss­chrieb. Auch bei diesem Kurs musste ich noch vor Ende des ersten Tages aussteigen. Steil­heit der Abfahrten [Piste und Gelände] entsprachen nicht der Ankündi­gung. Kom­biniert mit schlechter Sicht wegen Nebel [Aus mein­er Per­spek­tive fuhr ich nicht in ein schwarzes, son­dern in ein weißes Loch] haben mich diese uner­warteten Bedin­gun­gen in den Sicher­heitsmodus schal­ten lassen. Dadurch wurde ich im Ver­gle­ich zum Rest der Gruppe zu langsam.

Warum erzäh­le ich das alles? Nun, ich will damit anschaulich machen, wie schnell falsche Vorstel­lun­gen vom Ziel abbrin­gen kön­nen, auch wenn Du grund­sät­zlich auf dem richti­gen Weg bist.

In dem Moment, als der Train­er sagte: Heike, für Dich ist hier Schluss.“, da schoss mir unkon­trol­liert in den Kopf: So ein Mist, jet­zt hast Du doch nach besten Wis­sen einen neuen, anders gestal­teten Anlauf genom­men, um dem Ziel Ski­tourenge­hen näher zu kom­men und bist doch wieder gescheit­ert. Du hast Dich zum zweit­en Mal auf einen Kurs ein­ge­lassen [weil Du nach rei­flich­er Über­legung und Beratung zum Schluss gekom­men, dass es dieses Mal passt] und wieder stellt sich raus, Du bist hier an der falschen Stelle. Ehrlich? Ich musste ganz schön schluck­en. Und nicht nur ein­mal. Im ersten Moment war ich ziem­lich enttäuscht.

Diese Erfahrung des erneuten Scheit­erns wegen der Kraft, obwohl ich einen Kurs gewählt hat­te, der der Auss­chrei­bung nach zu mein­er Kraftkon­di­tion passte, hätte das Aus für meine Ski­touren­pläne wer­den kön­nen. Zum Glück bin ich aus­ge­bildete Fachkraft in Selb­st­mo­ti­va­tion. In diesem Fall qua­si mein eigen­er Sport-Men­tal­coach. So leicht bringt mich nichts aus der Spur. By the way: Am näch­sten Tag habe ich mein eigenes Tief­schnee­train­ing absolviert. In meinem Tem­po, meinen kon­di­tionelle Voraus­set­zun­gen entsprechend, bin doch noch voll auf meine Kosten gekom­men und hoch zufrieden am näch­sten Tag ins Flach­land zurückgefahren.

Dadurch dass ich zweimal den gle­ichen Fehler gemacht habe [in Kursen gelandet, die mein­er kon­di­tionellen Leis­tungs­fähigkeit nicht entsprachen], bin ich meinem Weg zu meinem Ziel erst auf die Spur gekom­men: Was ich brauche ist eine indi­vidu­elle Begleitung, die mir in Gelände, das zu meinen kon­di­tionellen Voraus­set­zun­gen passt, Abfahren im Tief­schnee ermöglicht. Wer hier mit liest und sich berufen fühlt, bitte gerne bei mir melden. ;-)

Wie dieses Beispiel zeigt, führt die Vorstel­lung, man dürfe den gle­ichen Fehler nicht ein zweites Mal machen, um erfol­gre­ich zu sein [im Sinne ein Ziel erre­ichen], in die men­tale Sack­gasse. Und zwar in dreifach­er Hinsicht:

  1. Sie set­zt Dich unter Druck und ver­leit­et dazu, Dir bei Deinen Entschei­dun­gen über das weit­ere Vorge­hen unnötig den Kopf zu zer­brechen [und wom­öglich das Vorhaben kom­plett aufzugeben, weil Du Dich schon beim Pla­nen fes­t­fährst]. Studieren der Web­site des Ver­anstal­ters im All­ge­meinen, der Auss­chrei­bung im Beson­deren und zig Fra­gen vor­ab per E‑Mail, eine Herange­hensweise, mit der Du glaub­st, einen bere­its gemacht­en Fehler zu ver­mei­den, ist keine Garantie, dass vor Ort alles exakt so ist, wie Du denkst.
  2. Sie wirkt im Falle des Scheit­erns als Moti­va­tions­bremse par excel­lence. Ich will mir gar nicht aus­malen, wie trau­rig ich gewor­den wäre, wenn ich mich davon hätte kirre machen lassen. Scheit­ern gehört zum Ler­nen dazu. Aber was Du unbe­d­ingt wis­sen soll­test ist, dass Du so oft scheit­ern darf­st, wie Du brauchst, um den eigentlichen Prob­le­men auf die Spur zu kom­men. Das Einzige, was Du ver­mei­den soll­test sind Gedanken wie: Ich kann das nicht. Ich bin dazu nicht fähig. Meist sind die Rah­menbe­din­gun­gen, die wahren Hür­den und Hin­dernisse, die sich schnell in Luft auflösen, ein­mal an Dich angepasst.
  3. Last but not least: Wer garantiert Dir, wenn Du einen Fehler nicht ein zweites Mal machst, dass Du dann tat­säch­lich weit­erkommst? Den einen Fehler zu ver­mei­den bewahrt Dich keines­falls davor einen anderen, neuen Fehler zu machen, der Dich bei sportlichen Zie­len auf der Stelle treten lässt, block­iert oder gar zurückwirft.

Meine Botschaft an Dich lautet daher: Leit­sprüche wie dieser hier sind all­ge­mein mit Bedacht zu genießen. Wenn Du Sprüche magst, dann schalte Dein Köpfchen ein. Solche dog­ma­tis­chen Weg­weis­er kön­nen Dich in die Sack­gasse führen, Deine Moti­va­tion aus­brem­sen und bei genauer­er Betra­ch­tung sog­ar kom­plett sinn­los sein.

Der einzige Spruch, der wirk­lich Sinn macht, wenn Du Ziele erre­ichen willst, heißt: Bleibe an Deinen Träu­men dran. Halte Rückschau. Verän­dere die Rah­menbe­din­gun­gen in Teilen. Schalte Deinen Forschergeist an. Mach‘ weit­er Fehler und auch die gle­ichen Fehler immer wieder, so lange bis Du auf den Trichter gekom­men bist, was die eigentliche Ursache für Dein Scheit­ern“ ist.

Dann, aber erst dann, wenn der tat­säch­liche Hin­der­er zweifels­frei aus­gemacht ist, ist es anger­at­en, diesen zu umgehen.

Fehler gehören zum Ler­nen dazu; auch der Zweite und Dritte! ;-)

PS: Übri­gens auch die Erken­nt­nis, dass Dein Ziel  tat­säch­lich [noch] eine Num­mer zu groß ist, ist ein Lern­er­folg, der den gle­ichen Fehler mehrmals hin­tere­inan­der dur­chaus recht­fer­tigt. Von dieser Erken­nt­nis bin ich, was Ski­tourenge­hen anbe­t­rifft, allerd­ings noch einige Den-gle­ichen-Fehler-mehrmals-machen weit davon entfernt.