Dort, wo Wein wächst auf den Bergen, die gemütlich Hiwwel heißen, und Du nur wenige Höhen­meter steigst, um ganz oben zu ste­hen und weit zu schauen, dort liegt eine mein­er Lieblings­land­schaften: Das rhein­hes­sis­che Hügel­land. Für diesen Fleck­en Erde gibt es einen neuen Wan­der­führer. Frank Hamm, Blog­ger und Wan­der­er hat ihn sich klug aus­gedacht und mit viel Liebe fürs Detail geschrieben und fotografiert: Wan­derun­gen für die Seele – Wohlfühlwege Rheinhessen“. 

Wer dieses Buch in der Hand hat, neugierig ist und Aus­blick liebt wie ich, scan­nt das Inhaltsverze­ich­nis rauf und runter, bleibt mit dem Blick beim Sym­bol Fer­n­glas“ hän­gen und blät­tert direkt non­stop durch zu den Panoram­a­touren. Die Rund­tour Nr. 7 macht mich hell­hörig. Sie scheint mit über­schaubaren 7 Kilo­me­tern, 126 Höhen­metern und 3 Stun­den Gehzeit genau richtig für eine Spazier-Wan­derung an einem son­ni­gen, klaren Son­nta­gnach­mit­tag mit blauem Him­mel, weißen Schäfchen­wolken, angenehmen 20 Grad Luft­tem­per­atur und typ­is­chem Rhein­hessen-Lüftchen. Los geht’s!

Der weiß wo’s lang geht und sagt es auch!

Ori­en­tierung geben, einem sagen wo es lang und zu den schön­sten Eckchen geht, das gehört orig­inär zu den Auf­gaben eines Wan­der­führers. Manche tun sich damit leichter als andere. Dieser hier ist sorgfältig recher­chiert und bis ins kle­in­ste Winkelchen durch­dacht und aus­gear­beit­et. Daher kann ich von Beginn an punk­ten, als ich dem Chauf­feur die Dat­en für die Anfahrt durchgebe: Statt neb­ulös­er Hin­weise, a là Fahren Sie zum Wan­der­park­platz.“, lief­ere ich dank Franks Angaben eine voll­ständi­ge Adresse mit Straße, Haus­num­mer, Postleitzahl inklu­sive GPS-Dat­en. Kon­fig­u­ra­teur und Gerät sind zufrieden. Ganz ohne Diskus­sion haben wir in Nul­lkom­manix eine konkrete Anreis­eroute vor der Nase und begeben uns auf diese. 
Die Liebe für Detail und Voll­ständigkeit set­zt sich bei der Wegbeschrei­bung fort. Ich lese im Text: Wir über­queren die Gaus­traße und gehen den Weg rechts neben dem Fried­hof hinab.“ Dann blät­tere ich zur Karte. Sie kommt in einem fürs Navigieren brauch­baren Maßstab daher. Alle rel­e­van­ten Wege, Pfade, Straßen sowie Gelän­de­merk­male sind deut­lich auszu­machen. Ich norde die Karte ein und erkenne sofort den beschriebe­nen Ein­stieg und den weit­ere Ver­lauf. Schritt für Schritt leit­et Dich der Text voran und nen­nt Dir markante Anhalt­spunk­te, wenn sich die Rich­tung ändert. Zum Beispiel einen Brun­nen, eine Baum­gruppe oder einen Weg­weis­er. Das erlaubt Dir, das Buch für län­gere Pas­sagen unter den Arm zu klem­men und ein­fach nur zu gehen, den Blick schweifen zu lassen und die Natur zu genießen. Geset­zt dem Fall, Du fol­gst den Sätzen akribisch und ver­gisst für einen Moment die Welt um Dich herum, warnt Dich der Text rechtzeit­ig vor Hin­dernisse: „… dann über­queren wir aufmerk­sam die Straße…“
Diese Ori­en­tierung­shil­fe ist nach meinem Geschmack. Sie verbindet Dich mit der Land­schaft, Du wirst und bleib­st aufmerk­sam für Kleinigkeit­en am Wegrand und in der Ferne und läuf­st nicht blind der Beschrei­bung nach.

Fünf Weg-Kat­e­gorien ste­hen zur Auswahl: Auszeit­touren, Panoram­a­touren, Ver­wöh­n­touren, Entschle­u­ni­gungs­touren und Erfrischungs­touren. Land­schaft für jeden Geschmack: Wein-Berge, Wald und Wass­er; von der Natur großzügig mit leichter Hand in ein­er weit­en Arm­beuge des Rheins verteilt. Für einen ersten inhaltlichen Überblick bekommst Du bere­its im Inhaltsverze­ich­nis Dis­tanz und ob Runde oder Strecke plus Seiten­num­mer genan­nt. Inspi­ra­tion ohne Rum­blät­tern. Die wichtig­sten Koor­di­nat­en der 20 Rund- und Streck­en­wan­derun­gen ste­hen am Anfang ein­er Tourenbeschrei­bung: Dis­tanz, Höhe und Gehzeit. Jew­eils am Ende dann alles über­sichtlich auf einen Blick: Wegbeschaf­fen­heit, emp­foh­lene Wan­der­jahreszeit, Anfahrtsin­fos, ÖPNV (bei Streck­en­wan­derun­gen), Einkehrmöglichkeit­en mit Öff­nungszeit­en und Webadresse, Sehenswertes und Kultur.

Gastgeber von Anfang an

Der Wan­der­führer ist in der Rei­he Wan­derun­gen für die Seele“ des Droste Ver­lags erschienen. Er hat sich laut Pres­se­text auf Büch­er mit Heimat spezial­isiert. Heimat an sich weit­et ja schon das Herz, sagt die Heimat­wan­derin. Bere­its mit der Auf­machung des Buch­es füh­le ich mich wohl. Cover­text, Über­schriften und Her­vorhe­bun­gen sind in Pastell in frischem Vio­lett, Grün und Blau geset­zt. Das weiche Mate­r­i­al schme­ichelt den Fin­gern. Die Augen fol­gen der beschwingt, leicht­füßi­gen Schrift gerne. Viele groß­for­matige Fotos machen Lust aufs Erkun­den und Ent­deck­en des topografisch wogen­den Reben­meers. Meinem Blog­gerkol­le­gen Frank gelingt es immer wieder beein­druck­end die Weite der Land­schaft fotografisch einz­u­fan­gen und zu ver­mit­teln. Mir gefall­en seine Auf­nah­men von den für Rhein­hessen typ­is­chen Landgasthäusern und alten Höfen aus Sand­stein, die an Dör­fer in der Provence erin­nern. Mit einem Auge für Kleinigkeit­en lenkt der Autor mit Bild und Worten Deinen Blick auch auf schein­bar unschein­bare Kost­barkeit­en, wie ein Eidech­sendom­izil, ein beson­ders schönes Wingertshäuschen, einen Bar­fußp­fad oder eine Telegrafen­sta­tion. Dazu am Seit­en­rand drapiert Fin­ger­food fürs Auge! Kurze, knack­ige Mehrwiss­er-Häp­pchen zu Architek­tur, His­torischem, Tra­di­tio­nen sowie Geolo­gie dieser ein­ma­li­gen Kul­tur­land­schaft, die Frank für uns zusam­menge­tra­gen hat. 

Dann live und in Farbe: Als wir am Aus­gangspunkt von Panoram­a­tour Nr.7 — schon in den Hänge über Oppen­heim — aus dem Auto steigen, sind wir mit­ten drin in der im Buch beschriebe­nen Szener­ie. Vor uns macht sich die som­mer­reben­grüne Rheinebene bre­it. Im Osten Oden­wald soweit das Auge reicht. Rich­tung Nor­den wan­dernd taucht bei klar­er Sicht wie heute die Sky­line von Frank­furt auf. Im Vorder­grund deko­ra­tiv die Oppen­heimer Kathari­nenkirche. Dann erkenne ich die bei­den Taunus­gipfel Feld­berg und Hochkönig. Oben auf dem Plateau im West­en erspähen wir die Höhen des Mit­tel­rhein­tals und schließlich im Süden sog­ar den Don­ners­berg in der Nordp­falz. Frank leit­et die Runde so, dass das Panora­ma während der gesamten Tour eigentlich nie endet. Der Clou zum Schluss ist der Blick aus den nur noch als Fen­ster­bö­gen existieren­den Zim­mern mit Aus­sicht der Bur­gru­ine Land­skro­ne. Die Altvorderen hat­ten ein Händ­chen für aus­sicht­sre­iche Standortwahl.

Savoir vivre zu Fuß und auch sonst alles entspannend …

Frank Hamm wohnt in Rhein­hessen und ken­nt sich aus. Auch kuli­nar­isch. Ich folge ihm auf Face­book und Twit­ter und kenne daher seine Exper­tise in Sachen, wo gibt es in Rhein­hessen leckere Weine, regionale Küche, Gutes vom Bäck­er bis hin zum Eis auf die Hand. Aus dieser uner­schöpflichen Wis­sensquelle lab­st Du Dich mit diesem Buch. Als wir auf unser­er Test-Panoram­a­tour Nr. 7 – Reben und Kirche – in Oppen­heim ein­laufen und von der Kathari­nenkirche aus unten am Markt ankom­men, ste­he wir genau vorm Eis­café. Bess­er kann es Dich doch nicht tre­f­fen, oder? Und es hat sog­ar geöffnet! Die Straßen­cafés drum herum übri­gens auch und es herrscht reges Treiben. Ich gönne mir zwei Kugeln mit Strac­ciatel­la und Wal­nuss plus einem Klacks Sahne im Bech­er. Dann schlen­dern wir gemütlich durch die Oppen­heimer Alt­stadt mit Fach­w­erk und engen Gäss­chen hoch Rich­tung Aus­gangspunkt und gön­nen uns noch etwas See­len­zeit: Auf einem alten Mäuerchen unter Schat­ten spenden­den Bäu­men an der Land­straße lassen wir das Eis genüsslich auf der Zunge zerge­hen, Seele und Füße leicht auf und ab schwin­gen und beobacht­en inter­essiert, wer da so mit Cabrio, Old­timern und schw­eren Maschi­nen ins Städtchen rein und raus fährt. Ich liebe Leute guck­en. Du auch?
Apro­pos Füße. Alle Böden der im Wan­der­führer aus­gewiese­nen Routen sind, wenn ich das gemäß den Angaben im Buch richtig deute, ein­fach und für Anfänger und Ungeübte geeignet. Bequeme Schuhe reichen aus. Oft sind es bre­ite Wirtschaftswege, Wiesen­wege oder auch mal ein schmaler Tram­pelp­fad zwis­chen Wingert und Böschung. Der Unter­grund macht kein Stress, ist für Kinder­wa­gen und Moun­tain­bikes (!) geeignet (mit eige­nen Augen gese­hen auf Tour Nr. 7, für die übri­gen lehne ich mich aus Erfahrung aus dem Fen­ster) und erlaubt ein gemäch­lich­es dahinspazieren im indi­vidu­ellen Wohlfühltem­po. Noch eine wichtige Infor­ma­tion für Wan­der-Anfänger: die Anstiege sind tat­säch­lich über­schaubar. Um die Gipfel dieser Gegend zu erre­ichen, sind zwis­chen 4 und max­i­mal 223 Höhen­metern gemütlich zu erk­lim­men. Ein Schritt nach dem anderen!
Wohlbe­ha­gen ver­spricht eben­falls das Interieur am Wegrand. Auch davon kon­nten wir uns auf unser­er Testrunde über und durch Oppen­heim selb­st überzeu­gen: Bänke mit Aus­blick, Tis­che des Weines (was das ist, wird hier nicht ver­rat­en), plätsch­ernde Brün­nchen und viele Türm­chen, auf die Du klet­tern und dann noch weit­er guck­en kannst als es ohne­hin im über­schaubaren Rhein­hessen möglich ist. Erwäh­nte ich eigentlich das Frank Hamm DER Entspan­nende ist. Noch Fragen?

Es gibt über­haupt nix zu krit­teln und wenn über­haupt eine Frage auf­taucht dann die: Wo bringst Du prak­tisch das vom For­mat für eine Wan­derung doch etwas sper­rige Wan­der­buch unter während Du spazier­wan­der­st? Mit den vie­len Infor­ma­tio­nen zum Drumherum soll­test Du es unbe­d­ingt ein­steck­en und bei der Tour stets parat haben. Ums Dir leichter zu machen, kön­ntest Du die Seit­en, die Du brauchst zum Beispiel kopieren. Ich habe es für die paar Kilo­me­ter in der Hand getra­gen; die aktuelle Wegbeschrei­bung und die Karte mit dem vom Ver­lag beige­fügten Buchze­ichen für den raschen Zugriff gekennze­ich­net. Außer­dem ist das Buch ide­al­er Leses­toff für unter­wegs. Für kleine Auszeit­en auf ein­er der Ruhe­bänke zwis­chen­durch, die Appetit machen auf mehr Rhein­hessen und zum Pläne schmieden, wo es beim näch­sten Aus­flug hinge­hen soll. 

Ach ja … vielle­icht noch eine winzige Notiz am Rande: Die Wan­derzeit wird in der Regel mit April bis Okto­ber angegeben. Da stimme ich voll zu. Als hitzeempfind­lich­er Men­sch soll­test Du dazu wis­sen: Schat­ten ist in dieser offe­nen Land­schaft rar. Tour Nr. 7 würde ich beispiel­sweise niemals an einem Hochsom­mertag bei knaller Sonne machen. Da wirst du gegrillt. Dann lieber eine der bei­den schö­nen Erfrischungs­touren mit viel Wass­er wählen; am besten was mit Wald, zum Beispiel Tour Nr. 20 im Zellertal!

Soder­le, dann bleibt Dir jet­zt nix anderes übrig und zu tun als flugs Franks Rhein­hessen-Wan­der­führer in Dein­er Buch­hand­lung vor Ort zu besor­gen und Dich entspan­nt durch die 191 Seit­en Wohlfühlwege durchzuwan­dern. Viel Vergnü­gen dabei!  

Danke an den Droste Ver­lag für das kosten­lose Rezensionsexemplar!

Hamm, Frank: Wan­derun­gen für die Seele — Wohlfühlwege Rhein­hessen”, Droste Ver­lag, 191 Seit­en, 16,99 Euro.

Burg Land­skro­ne: Blick aufs Buch und die Kathari­nenkirche in Oppenheim.