Viele wan­dern nicht gerne allein, obwohl sie sehr gerne allein wan­dern wür­den. Ein­er der Gründe ist die Angst sich zu verlaufen.

Hil­fe naht: Ori­en­tierung ist nichts, was man hat oder nicht hat, son­dern sie ist eine Fähigkeit, die sich ler­nen und trainieren lässt.

Wer in der Kind­heit und Jugend viel im Gelände oder in der Stadt alleine unter­wegs war, der hat seine Ori­en­tierungs­fähigkeit von klein auf trainiert und aus­ge­baut. Ähn­lich wie die Fähigkeit auf einem Bein zu ste­hen oder die Fähigkeit Purzel­baum zu schla­gen. Wer ängstliche Eltern hat­te und nicht alleine vor die Tür durfte, oder wer keine Gele­gen­heit hat­te auf Streifzug zu gehen, der hat ein­fach nicht richtig ler­nen kön­nen, sich selb­st­ständig zu orientieren.

Noch ist also nicht aller Tage Abend. Es gibt mehrere Möglichkeit­en auch als Erwach­sen­er in Sachen Ori­en­tierung fit zu werden.

In diesem Artikel kläre ich auf, was Ori­en­tierung eigentlich ist, warum Du bess­er von Ori­en­tierungs­fähigkeit sprichst statt von Ori­en­tierungssinn und dazu gebe ich Dir drei nüt­zliche Tipps, wie Du Deine räum­liche Ori­en­tierung selb­st trainieren kannst!

Was ist Orientierung beim Wandern?

Sich zu ori­en­tieren bedeutet beim Wan­dern, in einem Raum seine eigene Posi­tion zu bes­tim­men und sich in Bezug auf ein Ziel oder andere Objek­te auszuricht­en. Man spricht deshalb von räum­lich­er Orientierung.

Ori­en­tierung erfordert min­destens zwei Kom­po­nen­ten: einen Stand­punkt (Posi­tion) und einen Bezugspunkt (Ziel).

Besser Orientierungsfähigkeit statt Orientierungssinn!

Einen Ori­en­tierungssinn gibt es im Grunde genom­men nicht. Es gibt kein eigenes Ori­en­tierung­sor­gan, wie die Nase für’s Riechen, die Ohren für’s Hören, die Augen für’s Sehen oder die Haut für’s Tas­ten. Ori­en­tierung ist ein Zusam­men­spiel zwis­chen Gehirn und den eben genan­nten Sin­nesor­ga­nen: Das heißt, einem Mix aus Wis­sen, woran ich mich ori­en­tieren kann (Anhalt­spunk­te, Bezugspunk­te) und der Wahrnehmung dieser Anhalt­spunk­te. Ein schönes Beispiel für dieses Zusam­men­spiel habe ich mal in einem Artikel über ein Erleb­nis beim Ski­laufen im Nebel beschrieben.

Statt von Ori­en­tierungssinn spreche ich daher lieber von Ori­en­tierungs­fähigkeit. Das öffnet Spiel­raum, um aktiv zu werden.

Drei nützliche Tipps für Dein Orientierungstraining

1.) Orientierung lernst Du durch aktives Tun!

Ohne Machen keine gut aus­ge­baute Ori­en­tierungs­fähigkeit. Men­schen sind kein Com­put­er wo man ein Pro­gramm hochlädt.

Es muss ja nicht gle­ich eine Wald­wan­derung in einem völ­lig unbekan­nten Ter­rain sein. Es reicht, wenn Du auf einem Weg übst, den du schon mit anderen zusam­men gegan­gen bist [aber noch nie alleine]; ihn also in etwa kennst. Eine kurze Runde. Vielle­icht den Aus­gangspunkt immer in Sichtweite. Zum Beispiel auf dem offe­nen Feld!

Wenn Du dann schon ein biss­chen sicher­er gewor­den bist, dann übern­imm doch mal bei der näch­sten Wan­derung mit Fre­un­den die Führung. Sprich Dich vorher ab. Wei­he die anderen ein, dass das eine Übung ist und dass Du die Wan­der­führung aus­pro­bieren möcht­est. Du wirst sehen, kein­er Dein­er Ver­traut­en wird Dich im Regen ste­hen lassen! Im Gegen­teil, das wird sich­er eine tolle Ori­en­tierungswan­derung, bei der alle etwas ler­nen kön­nen. Und der Spaß wird sich­er nicht zu kurz kommen! ;-)

Am besten Du ziehst alleine los: Du bist ganz für Dich. Nie­mand lenkt Dich ab, nie­mand redet Dir rein und weiß alles bess­er. Du darf­st Dich ungestört aus­pro­bieren. Darf­st Fehler machen. So oft umdrehen, ste­hen bleiben, wie es nötig ist. Du hast Ruhe und so viel Zeit, wie Du brauchst. 

Jet­zt denkst Du vielle­icht: Na pri­ma, Heike! Danke für diesen tollen Tipp. Alleine wan­dern ist genau mein Ding! Ich habe ja üüüüber­haupt keine Angst mich zu ver­laufen. Schluck. Wie soll das denn bitte gehen: Alleine losziehen?“ 

Nur die Ruhe! Wed­er bei der Wan­der­führung noch bei ein­er ungestörten Solowan­derung musst Du unbe­d­ingt ins kalte Wass­er sprin­gen. Eine tolle Möglichkeit, Übungs-Vorhaben so zu gestal­ten, dass sie gelin­gen, zeige ich Dir am Ende dieses Artikels auf. 

2.) Orientierung braucht Anhaltspunkte

Es gibt zwei Möglichkeit­en, den Weg zum Ziel zu find­en: Tri­al-and-Error oder eine gute Karte zur Hand haben. Im ersten Fall bildest Du mit der Zeit und nach etlichen Sack­gassen und Ver­läufen ein Bild, bzw. eine Karte im Kopf. Im zweit­en Fall nutzt Du eine Bild, dass Kar­tografen für Dich vor­bere­it­et haben.

Ori­en­tierung heißt daher vor allem Karte lesen!

Ori­en­tierung beim Wan­dern ist im Grunde genom­men der stete Abgle­ich zwis­chen ein­er Karte und der Wirk­lichkeit um uns herum.

Nicht ohne Grund, gab mein Ori­en­tierungslehrer, gefragt nach den drei wichtig­sten Hil­f­s­mit­teln zur Ori­en­tierung, zur Antwort: 
1. Karte, 2. Karte, 3. Karte.

Übri­gens: Auch wenn wir uns an einem Ort, in ein­er Land­schaft ausken­nen, laufen wir nach Karte. Mehr dazu bei Tipp Nr. 3.

Also: Besorge Dir eine Wan­derkarte in einem großen Maßstab (1:25.000) von Deinem bevorzugten Wandergebiet.

Nimm die Karte bei Deinen Übungs­touren mit. Und zwar immer! Auch dort, wo Du Dich eigentlich auskennst!

Bere­ite Deinen Übungsweg zu Hause am Tisch vor. Wie gesagt: Auch wenn Du den Weg kennst! Geh Deine geplante Route auf dem Papi­er vor. Welche Anhalt­spunk­te wer­den Dir begeg­nen? Stößt der Weg irgend­wann an einen Wal­drand, ver­läuft er ein Stück an einem Bach, wirst Du eine Straße queren müssen? Kommst Du an einem Aus­sicht­sturm vorbei?

Unter­wegs bleib­st Du immer mal wieder ste­hen und bes­timmst auf der Karte Deine Posi­tion. Gewöhne Dich daran, Weg­muster zu erken­nen. Gehe Schritt für Schritt den Weg, den Du ger­ade wan­der­st, auf der Karte mit. Karten sind Bilder. Kleine Kunst­werke. Und wie bei einem richti­gen Kunst­werk, erschließen sich umso mehr Details und Struk­turen, je mehr und je länger Du Dich damit beschäftigst. So unge­fähr, wie wenn Du eine fremde Sprache lernst: Am Anfang ist alles Kaud­er­welsch und plöt­zlich erkennst Du Worte. 

Nimm Dir für das Lesen der Karte Zeit.

Wenn Du zurück bist von Dein­er Train­ingswan­derung, bere­ite sie auf der Karte nach. Wo bist Du tat­säch­lich langge­laufen? Welchen Abzweig hast Du passiert? Bist Du, wie geplant, auf den Wal­drand gestoßen? Wie kam es, dass Du dann doch wo anders raus­gekom­men bist? An welch­er Stelle hast Du eine andere Rich­tung genommen? 

Wie gesagt, fang in einem Gebi­et an, dass Du rel­a­tiv gut kennst. Warum, dass klärt gle­ich Tipp 3.

Und noch was zum The­ma GPS“: Benutze erst ein GPS-Gerät (wenn über­haupt), wenn Du im Umgang mit der analo­gen Karte aus Papi­er richtig fit bist. 

Ori­en­tierung lernst Du nicht, indem Du einem Com­put­er hinterherläufst. ;-)

3.) Die Sache mit der inneren Karte

Jet­zt kommt die Auflö­sung des Hin­weis­es auf Tipp 3.

Wenn wir sagen, wir ken­nen uns in ein­er Gegend aus, dann meinen wir damit nichts anderes, als dass wir im Gehirn eine innere Karte dieser Gegend parat haben. 

Das darf­st Du Dir nicht so vorstellen, dass wir von Geburt ein Karten­schrank im Kopf haben. 

Nein. Innere Karten müssen gel­ernt wer­den, aufge­baut wer­den. Will heißen: sich Schritt für Schritt im Kopf ein gedanklich­es Bild, eine Vorstel­lung, von der Land­schaft um sich herum zu machen.

Im All­t­ag basteln wir unbe­wusst ständig an unser­er inneren Karte. Wir ver­laufen uns in der Stadt, ent­deck­en eine Abkürzung, gehen durch eine Straße, die wir noch gegan­gen sind. Eine innere Karte bilden wir zum Beispiel, wenn wir im Urlaub abends ein­fach mal loslaufen und den unbekan­nten Ort erkun­den. Genau so lässt sich auch die weniger bekan­nte Gegend vor der Haustür entdecken. 

Oben habe ich vom Tri­al-and-Error-Ver­fahren geschrieben. Erin­nerst Du Dich? Tri­al-and-Error ist Rum­stromern, Erkun­den, Entdecken!

Rum­stromern ist das Non plus Ultra um innere Karten zu erstellen!

Denn Wege und Zusam­men­hänge merken wir uns am besten, wenn wir zu Fuß Räume erlaufen. In unserem eige­nen Tempo. 

Johann Wolf­gang von Goethe sagt es so: 


Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirk­lich gewesen.“ 

Neben spon­ta­nen Streifzü­gen ist es für den Auf­bau ein­er inneren Karte hil­fre­ich, wenn Du Dir eine externe Wan­derkarte dazu nimmst.

Damit ver­schaffst Du Dir einen groben Überblick, brauchst nicht so viele Wege umson­st gehen und lernst Zusam­men­hänge zu erken­nen: Wie ver­läuft der Weg, den Du gehen willst? Macht er einen Bogen, zweigt der Anschlussp­fad im recht­en Winkel ab? Geht es zick­za­ck oder ger­adeaus? Du entwick­elst vor­ab ein Gefühl für den Weg.

Ein Gefühl für den Wegver­lauf hil­ft Dir, Dich unter­wegs zu ori­en­tieren: ver­läuft der Weg nicht so wie erwartet, dann kann das ein Hin­weis sein, dass Du in der falschen Rich­tung unter­wegs bist. Umgekehrt: entspricht der wirk­liche Weg Deinen Erwartun­gen, dann gibt Dir das die nötige Ruhe und Sicher­heit für den Weiterweg.

Aber Vor­sicht: Vorstel­lun­gen kön­nen trü­gen. Deshalb ist es ja so wichtig, immer eine Karte im Ruck­sack zu haben!

Du siehst: Ums Karten lesen kommt man irgend­wie nicht drum herum!

Um eine innere Karte aufzubauen, nutzt es auch, wenn Du übst, Dich im weit­eren Raum zu ori­en­tieren. Bes­timme die Him­mel­srich­tun­gen mit dem Kom­pass oder mit Hil­fe der Hin­weise, die Dir die Natur gibt:

Kennst Du noch dieses Sprüch­lein aus der Schule?

Im Osten geht die Sonne auf, im Süden nimmt sie ihren Lauf, im West­en wird sie unterge­hen, im Nor­den ward sie nie gesehen.

Bes­timme von Deinem Stand­punkt aus, die Lage von weit ent­fer­n­ten, nicht sicht­baren Objek­ten (Städte, Flüsse, Gebäude, Plätze). Über­prüfe Deine Bes­tim­mung mit­tels Karte oder frag‘ Leute: Entschuldigen Sie, in welch­er Rich­tung liegt gle­ich noch mal das Schwimm­bad, der See oder der Park?“ 

Übri­gens: Bei dieser Gele­gen­heit wirst Du mit hoher Wahrschein­lichkeit fest­stellen, dass auch andere Men­schen an ihrer Ori­en­tierungs­fähigkeit arbeit­en dürften. 😊 

Zum Merken: Beginne Deine Übun­gen auf ver­trautem Ter­rain! Entwick­le Schritt für Schritt ein Gefühl für Raum und Posi­tion. Vom unmit­tel­baren Nahraum aus­ge­hend in die Ferne.

Hilfestellung für Dein Training

Wan­dere ein­fach los. Auch mit ein­er Basisausstat­tung an Ori­en­tierung. Das sagt sich so ein­fach, gell!

Jet­zt kommt der tolle Tipp, wie Du kaltes Wass­er“ mei­dest und Dich ohne Risiko warm schwimmst“ in Sachen Orientierung!

Es gibt tat­säch­lich Wege, Wan­der­routen, da ist Ver­laufen so gut wie unmöglich. Die Rede ist von so genan­nten Pre­mi­umwe­gen. Das sind in der Regel vom Deutschen Wan­derin­sti­tut zer­ti­fizierte Routen, die mit sehr dicht und zuver­läs­sig geset­zten Weg­weis­ern aus­geschilderten sind. Du kannst diese Wege ohne Karte gehen. Musst aber nicht! 

Pre­mi­umwege sind super geeignet, um Tipp 1, 2 und 3 anzuwen­den. Ohne Risiko Dich zu ver­laufen. Genial, oder?

Ori­en­tierungswan­derung im abgesicherten Modus so zu sagen.

Okay: Kleinere Her­aus­forderung hal­ten sie schon bere­it. Du soll­test zum Beispiel wie ein Schießhund auf­passen, in welche Rich­tung die kleinen Pfeile auf den Markierun­gen weisen. Mein­er Erfahrung nach über­sieht man ganz gerne diese Dinger und ist schwupp die wupp in der falschen Rich­tung unter­wegs. [Ja, auf dem Artikelfo­to oben sieht der Pfeil riesig aus. Das ist eine optis­che Täschung. Zum Aus­gle­ich ist er unscharf auf dem Foto.😉 ] 

Aber keine Sorge! Das Gute an diesen Zer­ti­fika­trouten ist, dass Du sehr schnell merkst, wenn Du falsch bist. Taucht nach 100 bis 200 Meter keine Marke auf, ist es an der Zeit umzu­drehen, zur let­zten gese­henen Weg­marke zurück­zuge­hen und den Rich­tungspfeil genauer unter die Lupe zu nehmen.

Nimm Dir auch auf Pre­mi­umwe­gen an Kreuzun­gen die Zeit, in Ruhe den richti­gen Weit­er­weg zu orten. Nicht ein­fach drau­floslaufen, weil sich ein Weg förm­lich anbi­etet“: bre­it, führt direkt in der bish­eri­gen Gehrich­tung weit­er, gut befestigt.

Auf Pre­mi­umwege kannst Du also gefahr­los Deine Ori­en­tierungs­fähigkeit trainieren und außer­dem Deine Aufmerk­samkeit und Konzen­tra­tion schulen!

Eine, nach Bun­deslän­dern geord­nete, bun­desweite Über­sicht find­en Sie auf der Web­site des Deutschen Wan­derin­sti­tuts.

Hier im Blog habe ich bish­er 2 Pre­mi­umwege in Rhein­land-Pfalz unter die Lupe genommen.

Pre­mi­umweg unter der Lupe: Vital­tour Stein, Wein & Farbe im Naheland

Pre­mi­umweg unter der Lupe: Michels VITAL­Tour im Hunsrück

In Rhein­hessen sind in den let­zten Jahren gle­ich mehrere Pre­mi­umwege eröffnet wor­den: die Hiwwel­routen. Die bin ich bere­its alle gewan­dert und kann sie Dir für Dein Train­ing empfehlen.

Übri­gens: Ein aus­führlich­es und inten­sives Karte- und Kom­pass-Train­ing biete ich regelmäßig in mein­er Work­shop-Wan­derung Mit Karte, Kom­pass und Köpfchen unter­wegs“ an. Hier lernst Du den Umgang mit der Karte von der Pike auf, lernst mit Kom­pass die Marschrich­tung zu hal­ten und erfährst zusät­zlich, welche Anhalt­spunk­te – in der Natur und son­st – Dir helfen, sich­er Dein Wan­derziel zu erreichen.

Redak­tioneller Hin­weis: Dieser Artikel erschien das erst­mal im Juni 2014 und wurde im Feb­ru­ar 2019 kom­plett überarbeitet.

Artikelfo­to: Frank Hamm