Von Blätterteigschiefer, zittrigen Beinen und der Schwarzkopfschafalm

Gewit­ter ist ange­sagt. Es ist schwül. Egal. Wass­er, Apfel und Schirm in den Ruck­sack. Mittwochs auf Abwe­gen: Abfahrt nach Nieder­he­im­bach zur zweit­en Schleife der Rhein über”-Tour, die wir vor eini­gen Tagen nicht weit­er­laufen kon­nten. Höhe Bin­gen die ersten fet­ten Tropfen. Unverza­gt steuere ich mein Ziel an. Ich kenne mich ja jet­zt schon etwas aus in Nieder­he­im­bach und finde gle­ich einen Park­platz in der Straße Heim­bach­tal”.

Das Wegze­ichen ist schnell wieder gefun­den. Rechts die kleine Straße hoch, dann links rein ins Grüne. Alle Ziege heben die Köpfe als ich das Gat­ter öffne. Besuch mit­ten in der Woche. Über die Wei­de geht es steil hoch, ich schließe das Gat­ter hin­ter mir. Über mir braut sich was zusam­men, es don­nert ver­hal­ten in der Ferne. Es riecht nach Ziegen, nassen Wein­blät­tern, Gras. Dann blitzt doch die Sonne wieder durch. Ganz schön warm heute. Fotografiere zarte Mohn­blät­ter am Wegrand. Ein gewaltiges Rot.

Links unter mir die Häuschen von Nieder­he­im­bach. Hüb­sche sind dabei, nichts im Ver­gle­ich zu den des­o­lat­en, ver­lasse­nen Häusern unten direkt an der B9. Es geht hin­unter, durchs Dorf. Strecke kurz den Kopf bei der Schere” rein, wider Erwarten hat der Friseur gut zu tun und keine Zeit für spon­tane Kunden.

Weit­er über den plätsch­ern­den Heim­bach. Auf der anderen Seite des Tals hoch und weit­er durch die Neubausied­lung. Hier haben sich die Nieder­he­im­bach­er also zurück­ge­zo­gen. Kleine Pause auf ein­er Bank. Meine Hand wirft Schat­ten auf das weiße Papi­er meines Notizbuch­es. Platsch. Ein dick­er Wassertropfen klatscht vom Baum über mir auf die Seite, Farbe zer­läuft. Hun­dege­bell, ein Hahn kräht und weit­er geht es. Vor­bei an einem Schiefer­auf­bruch. Wie feine Schicht­en eines Blät­terteigs ste­hen die Stein­scheiben senkrecht im Hang. Ich rieche Fluss­wass­er. Der Rhein ist immer präsent hier. Ich erre­iche das näch­ste Seit­en­tal. Am Erschbach geht es entlang. 

Ich folge der Schleife in Rich­tung Burg Soo­neck. Auf dem Park­platz habe ich die Wahl: 5 Minuten zur Burg oder 45 Minuten zum Sieben­bur­gen­blick. Ich entschei­de mich, den Schleifen­weg zu ver­lassen, auf den Rhein­höhen­weg abzu­biegen und zum ange­sagten Aus­sicht­spunkt aufzusteigen. Plöt­zlich rechts und links des Weges ein Maro­nen­hain. Edelka­s­tanien­bäume so weit das Auge reicht. Muss ich mir für den Herb­st merken! Nach ein­er 3/4 Stunde steti­gen Auf­stiegs erre­iche ich den 10 Meter hohen Turm. Wass­er rin­nt mir das Gesicht und den Rück­en hin­unter. Ein heißer Tag. Das Üben auf dem Crosstrain­er in den let­zten Wochen macht sich aber bezahlt. In meinen Beinen ist gut Kraft. So, und nun da rauf. Jo. Ide­al für ein Anti-Höhenangst­train­ing. Tapfer steige ich die Treppe hoch. Jet­zt zit­tern sie, die eben noch kräfti­gen Beine. Wie soll man sich da klar machen, dass man sich­er ste­ht? Ich atme ruhig und gebe mir Zeit. Ich schaffe es bis nach ganz oben. Con­te­nance, meine Liebe, Contenance!

Was ist das denn für ein Lärm rechter Hand? Rechts ist kein Berg, rechts klafft eine riesige Wunde im Hang. Sieht aus wie eine Dia­man­ten­mine. Später recher­chiere ich. Hier wird quarzi­tis­che Grauwacke abge­baut. Der Ursprung des Tage­baus hier an dieser Stelle reicht bis in die Mitte des 17. Jahrhun­derts zurück. Das andere Mittelrheintal.

Über den Mar­tin­sp­fad mache ich mich auf den Rück­weg. Ist eine Abkürzung und wohl ein alter Tram­pelp­fad. Der schmale, aus­ge­set­zte Pfad ver­langt meine ganze Aufmerk­samkeit. Fuß für Fuß trägt mich mein Kör­p­er sich­er bergab. Unten entschei­de ich mich, nicht über den aus­geschilderten Weg zurück­zuge­hen. Auf dem Hin­weg hat­te ich rechter Hand einen Weg ent­deckt, der einen grü­nen, schat­ti­gen Gang ins Dorf ver­sprach (statt durchs Neubauge­bi­et). Kön­nte passen. Ich beiß” mir in den Hin­tern, wenn ich diesem inneren Impuls jet­zt nicht nachge­he. Also los. Meine Neugi­er wird belohnt. Abseits der Haup­trouten ent­decke ich einen Traump­fad durch den Wald, der auf eine Alm hin­aus­führt. Weite saftige Wiesen, wei­dende Schwarzkopf­schafe, Bauern­hof, Vogel­gezwitsch­er, leichte Hun­srück­brise, Grasweg. Ganz nach meinem Geschmack. Paradiese find­et man eben abseits der Hauptwege. Erken­nt­nis des Tages, wieder mal.

Kurz vor Nieder­he­im­bach frage ich dann doch eine junge Ein­heimis­che, die mit ihrem Bern­har­diner unter­wegs ist. Ja, nach Nieder­he­im­bach, da gehen Sie diesen Weg noch ein Stück nach unten. Dann kom­men rechter Hand zwei Graswege. Sie nehmen den zweit­en. Unten müsse se dann nur noch übber de Bach.” Stimmt. Im Leben nicht wäre ich auf diesen unschein­baren Grasweg abge­bo­gen. Den ken­nen sich­er nur die Ober­he­im­bach­er und die Nieder­he­im­bach­er. Schließlich laufe ich im Dorf ein. In der Schere” ist immer noch gut Kund­schaft. Völ­lig ver­schwitzt;  27 Grad warm ist es am Nach­mit­tag. Aus den 6 Kilo­me­tern der offiziellen Tour sind min­destens mal 12 bis 15 gewor­den. Für heute reicht es. 

Auf der Rück­fahrt bedenke ich das große Glück, das ich habe, mit­ten in der Woche auf Abwe­gen unter­wegs sein zu dürfen. 

Maronenbaumblätter
Maro­nen, oder Esskas­tanien, bracht­en die Römer aus dem Süden mit.

 

Von den Naturge­wal­ten über die Zeit in die Senkrechte geschoben­er Schiefer.

 

Schwarzkopf­schafalm ober­halb von Niederheimbach.

 

PS: Wanderungen für Ungeübte und Unerschrockene

Woch­enend-Touren (Män­ner + Frauen)
Wochen­tag-Tour (Frauen)