Als ein Grund für die Liebe zu den Bergen wird immer wieder das Gefühl der Erhabenheit genannt. Gipfel und Felsmassive führen vor Augen, wie winzig der Mensch eigentlich ist. Zeitlich gesehen schrumpfen die aufgetürmten Jahrmillionen ein Menschenleben zum Wimpernschlag; wenn überhaupt. Diese Perspektive macht ehrfürchtig.
Gestern wanderten wir auf dem Rheinterrassenweg. Von Worms nach Osthofen. 15 Kilometer. 80 Höhenmeter. Von Bergen keine Spur; im Westen lugte der Donnersberg bissl über den Horizont. Aber da mussten wir schon gewaltig die Augen zukneifen.
Berge braucht es jedoch nicht unbedingt, um Wimpernschlag-Momente erleben, wie wir sie z.B. aus den Urlaub in den Alpen kennen. Darüber unterhielten wir uns, während uns der Februarwind tosend um die Ohren pfiff.
Um einen Wimpernschlag-Moment zu erleben, reicht es völlig aus, an einem nebligen Tag mit wenigen Metern Sicht vor der Haustür einen bekannten Weg zu gehen, der durch die Wetterlage plötzlich ins Ungewisse führt. Schnee hat eine ähnliche Wirkung. Katharine May brachte mich in ihrem Buch “Überwintern” drauf: “Schnee weckt in uns eine Ehrfurcht angesichts einer Macht, die stärker ist als wir. Er ist der ästhetische Inbegriff des Erhabenen, in dem Großartigkeit und Schönheit sich verbinden und uns kleine, schwache Menschen überwältigen.”
Im Wormser Schlosspark machte ich gestern dieses Foto. Es zeigt eine weitere Möglichkeit Wimpernschlag-Momente wie in den Bergen zu erfahren: An einem windigen, kalten Wintertag in einem daher menschenleeren Park uralten Bäumen aufsuchen. Die waren schon vor mir da. Die werden noch da sein, wenn ich nicht mehr bin.
Überlebens-Tipp für Bergfexe im Flachland: Wenn kein Berg zum Greifen nah, lohnt es sich, Geist und Augen offen zu halten. Berg-Feeling gibt’s auch auf 80 m NN!
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