Ausschau haltend nach alpinem Terrain im Mittelgebirge für meine Kunden, hat es mich kürzlich in die Ahrberge verschlagen. Ein Mittelgebirgszug des Rheinischen Schiefergebirges.
Die Ahr mündet rechts des Rheins in den Rhein rein. Dachte ich bis vor Kurzem. Erst als ich diese Wanderung vorbereite, stelle ich fest: Tatsächlich mündet die Ahr links bei Sinzig in den Rhein. Davor fließt sie an der nördlichen Grenze von Rheinland-Pfalz zu Nordrhein-Westfalen entlang durch die Eifel. Die Ahr ist nicht zu verwechseln mit der Aar, ein Nebenfluss der Lahn im Westerwald auf der anderen Seite des Rheins.
Oberhalb der Ahr verläuft der AhrSteig. Ein etwa 100 Kilometer langer Etappenweg von der Quelle bis zur Mündung. Gerade zu Deutschlands schönstem Wanderweg 2019 in der Kategorie „Routen“ gewählt.
Für Bergwanderer besonders interessant ist die AhrSteig-Etappe 5 an der Mittelahr. Dort hat die Ahr im Laufe der Erdgeschichte eine bizarre, tief eingeschnittene Felslandschaft geschaffen.
Drei Schleifen des AhrSteigs will ich mir genauer anschauen. An einem sonnigen Spätsommertag im September wandere ich von Kreuzberg über Altenahr nach Mayschoß. Eine kurze aber knackige Tour von acht Kilometern, die landschaftlich alles bietet, was das Mittelgebirgs-Bergwanderherz höherschlagen lässt.
El Capitan der Eifel
Ganz alpin wird mir im Kopf schon beim Zuhören. Die Touristikerin Ulla Dismon begleitet mich bis Altenahr und erzählt von Bergrettung mit Hubschraubern, die Wanderer aus Felsen pflücken und Outdoor-Magazinen, die hier ein und aus gehen, um Bildstrecken mit Bergmotiven zu produzieren.
Bereits am Einstieg gehen die Köpfe hoch. Erst thront auf einem Felskegel die malerische Burg Kreuzberg. Dann queren wir den Fluss und gehen direkt auf die erste Schieferwand zu.
Seitlich des Felsabbruchs weist die rote Wegmarke des AhrSteigs in den Wald auf einen schmalen Pfad, der in Serpentinen die ersten 120 Höhenmeter stetig bergauf klettert.
Oben angelangt entspannt sich der Weg. Zum Berg hin gesäumt von alten Trockenmauern aufgegebener Weinterrassen. Zum Tal hin haben wir Südblick auf den Fluss. Bis der Steig in großem Bogen nach Norden zieht.
Das Terrain wird felsiger.
Alte Routen zu den Ahrhöhen zweigen vom AhrSteig ab. Allein die Namen machen mich hellhörig; kurz bin ich versucht ihnen zu folgen.
Aber das erste Highlight kündigt sich an: Das Teufelsloch oberhalb von Altenahr. Eine mannshohe oder besser frauhohe Öffnung in der Schieferwand. Der Sage nach soll der Teufel in Wut seine garstige Großmutter durch den Felsen in die Hölle zurückgeschleudert haben. Na ja. Natürliche Erosion auf mittelalterlich.
Wir schlupfen durchs Teufesloch. Mein Blick wandert wie verzaubert rauf und runter und hin und her. Auf Augenhöhe vis à vis die Burgruine Are, wie eine Brücke dorthin gespannt die Engelsley (281 Meter) und — grün bewachsen — die Schieferzacken des Langfigtals.
Zu meinen Füßen Altenahr. Von hier oben lässt sich das Städtchen wie auf einer 3D-Karte studieren und die Unterkünfte mit dem schönsten Blick ins Gebirge ausmachen.
Auf einem langgezogenen Steinrücken, der Ahrschleife Eins und Zwei trennt, kraxelt der Pfad durch den Wald felsig abwärts.
„Am Nückel“ machen wir nochmal Stopp!“, ruft die Ahrtalerin mir zu. Nückel? Das klingt nach Rheinland und entpuppt sich als Felsnase, auf der ein kleines Hüttchen mit Ruhebank sitzt.
An einer Felswand, die in ihrer senkrechten Ausgerichtetheit mit dem El Capitan im kalifornischen Yosemite-Nationalpark mithalten kann, trennen sich unsere Wege. Ulla Dismon muss zurück an den Schreibtisch. Ich darf weiter wandern!
Vom Glück des Verlaufens
Beinahe wäre mir das Langfigtal durch die Lappen gegangen. Der AhrSteig lässt dieses Naturschutzgebiet rechts liegen. Weil ich eine Markierung übersehe, bin ich plötzlich auf dem Ahrtalweg. Wider Erwarten finde ich mich in den lieblichen Auen der Ahrschleife wieder, die tief zwischen den Felsen in engem Bogen die Engelsley umrundet. Das besondere Glück des Verlaufens!
Derzeit ist die romantische Schleife nicht durchgängig begehbar. Eine kleine Brücke über die Ahr ist zusammengebrochen. Wenn sie wiederhergestellt ist, empfehle ich ab Altenahr den Kurs für einen Abstecher zu ändern. Statt dem AhrSteig durch den Tunnel zu folgen, biege nach der Brücke an der Yosemite-Wand [Name von mir] rechts auf den Ahrtalweg ab, der am anderen Ende des Tals wieder auf den AhrSteig trifft.
Ahrhöhen und alpine Passage
Bei einer Etappenwanderung im Gebirge folgt jedem Bergab unumgehbar ein Bergauf. Ich steige wieder über die 250-Meter-Marke auf in Richtung Teufelslei [nicht zu verwechseln mit dem über 500 Meter hohen Teufelsley, der rund 7 Kilometer von Altenahr entfernt bei Liers liegt]. Eine alpine Passage über die mit alten Kiefern bewachsenen Wiesen der aussichtsreichen Ahrhöhen.
Unterhalb des markanten Felsens mit Gipfelkreuz nehme ich Kurs auf die dritte Schleife meiner AhrSteig-Tour.
Ab hier sind Trittsicherheit UND Schwindelfreiheit angesagt. Der schmale Pfad fällt schräg und steil in den Hang ab und fordert meine ganze Aufmerksamkeit. Deshalb leider kein Foto.
“Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch! du bist so schön!”
Zum Ziel hin erwartet mich ein landschaftlicher und kultureller Höhepunkt bei Mayschoß. Kaum aus dem Wald raus erspähe ich am Horizont die Mauern der Saffenburg. Die Ruine einer hochmittelalterlichen Höhenburg auf 253 m ü. NN und die älteste Burg im ganzen Ahrtal.
Damit die Magie dieses Ortes wirkt, ist es unbedingt erforderlich, dass Du der Versuchung gleich nach Mayschoß abzusteigen widerstehst, zum höchsten Aussichtspunkt der Saffenburg aufsteigst und in die Richtung schaust, aus der Du gerade gekommen bist.
Leicht ist es nicht, sich da oben auf dem alten Mauern, wo einem der warme Wind um die Nase weht und die Weite ein Gefühl der Freiheit vermittelt, von der wunderbaren Landschaft zu lösen. Am liebsten würde ich auf einer der Ruhebänke für immer sitzen bleiben, ab und zu den Wanderern auf dem Rotweinwanderweg in den steilen Hängen gegenüber zu winken und den Wolken beim Ziehen zu schauen. “Verweile doch …”
Drei Dinge sprechen dafür, sich schließlich doch loszueisen und auf breiten sanften Wegen durch die Weinberge ins Tal zu wandern:
Erstens der Blick von unten auf die steilen Weinberge unterhalb der Saffenburg.
Zweitens die Wirtschaft und die Keller der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr. Die älteste der Welt! Sie wurde 1868 mit 18 Personen gegründet. Heute geben hier 444 Ahrtalwinzer aus Mayschoß, Altenahr und Walporzheim im Herbst ihre Ernte ab.
Vor allem rote Trauben, die an der Ahr obwohl trocken ausgebaut fruchtig schmecken. Wie der Spätburgunder an dem ich leider jetzt nur nippen darf, weil in Kreuzberg mein Auto auf die Heimfahrt wartet.
Drittens der Bahnhof, der direkt am AhrSteig liegt und wo die Ahrtalbahn stündlich zurück nach Kreuzberg abfährt.
Gebirge aus Stein
Ohne Vorbehalte und nur mit vagen Bildern im Kopf bin ich an die Mittelahr gefahren, um den AhrSteig vor Ort eine Chance zu geben, mich auf der Suche nach alpinem Terrain im Mittelgebirge zu überzeugen. Das ist ihm gelungen.
Gerne wäre ich schon bei dieser ersten Stippvisite meinem Entdeckergeist gefolgt und linkerhand tiefer und höher ins Ahrgebirge geklettert. Erst im Nachhinein inspiziere ich die Topographie und das Wegenetz rund um Altenahr. Mit dem Ergebnis, dass ich jetzt noch neugieriger bin!
Du kannst den drei Schleifen folgen, wie beschrieben, bis zum Krausberg (384 Meter) bei Dernau weiterwandern, auf den Ahrtalweg direkt am Flüsschen wechseln, ab Rech über den Rotweinwanderweg zurückwandern oder einem der zahlreichen gestrichelte Pfade nach oben auf Berge um die 500 Meter folgen, die noch mehr Ausblick mit neuen Perspektiven ins Ahrgebirge versprechen. Der Kreativität für Tagesrouten ab Altenahr sind keine Grenzen gesetzt.
Eine abwechslungsreiche Bergwanderwoche lässt sich an der Mittelahr leicht verbringen. Von den Unterkünften her sollte sich für jeden Geschmack und Geldbeutel das Richtige finden. Viele Herbergen bieten ihren Gästen das Ahrtalticket kostenlos an! Da macht das Wandern von Tagesetappen natürlich doppelt so viel Freude. An einem Regentag fährt Dich die Ahrtalbahn zu Sehenswertem, wie zum Beispiel zur Dokumentationsstätte Regierungsbunker oder wenn Dir nach Wellness ist, in die Ahrthermen. Beides in Neuenahr-Ahrweiler gelegen und in wenigen Bahnminuten zu erreichen gelegen. Übrigens: Auch nach Bonn und Köln ist es ein Katzensprung. Von einem der Hausberge aus soll man sogar den Dom sehen!
Ein Wort zum Schwierigkeitsgrad
Die Website des AhrSteigs macht klar: Der Steig ist kein Wanderweg im üblichen Sinn. Auf meiner Route waren immer wieder kurze Stellen mit Seilen gesichert. Der Schwierigkeitsgrad wird mit „anspruchsvoll“ beschrieben und erfordert Trittsicherheit und festes Schuhwerk. Was den Abschnitt betrifft, den ich selbst gesichtet habe, gibt es auch Teilstücke, die aus meiner Erfahrung heraus Schwindelfreiheit erfordern. Das gilt vor allem für Wanderinnen und Wanderer, die auch im Mittelgebirge mit Höhenangst zu tun haben. Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer meines Kurses oder eines Praxis-Einzelcoachings „Höhenangst überwinden“ ist die in diesem Artikel beschriebene Route eine ideale Trainingsstrecke!!! Eine sicher entspannte Alternative dürfte der Ahrtalweg sein.
Danke an Ulla Dismon von der Mittelahr Touristik für die freundliche Wanderbegleitung auf dem Weg von Kreuzberg nach Altenahr und die Geschichten und Informationen rund um den AhrSteig. Bei der Winzergenossenschaft Mayschoß bedanke ich mich für die herzliche Gastfreundschaft und die Gabe einer Kostprobe des Spätburgunders!
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