Mod­erne Nav­i­ga­tion­stech­nolo­gie bringt der Men­schheit viel Gutes. Nehmen wir das Navi für Aut­o­fahrer. Dieses nüt­zliche Teil erspart meinem Mann und mir bei Fahrten in den Urlaub sehr, sehr viel Stress.

Ander­er­seits hat die Ori­en­tierung mit Hil­fe von Satel­liten im Weltall auch seine Schat­ten­seit­en für die men­schliche Spezies: Forsch­er haben her­aus­ge­fun­den, dass Online-Nav­i­ga­tion sich neg­a­tiv auf die men­tale Fähigkeit der räum­lichen Ori­en­tierung auswirkt. Men­schen, die sich auss­chließlich pas­siv mit Online-Sys­te­men ori­en­tieren, kön­nen Dis­tanzen und die Lage von Objek­ten zueinan­der oft schlechter ein­schätzen als Men­schen, die auf die eige­nen Sinne set­zen. Zudem wird von ersten Fällen berichtet, bei denen Wan­der­er in der Wild­nis die Ori­en­tierung ver­loren haben und sich lebens­bedrohlich verir­rt haben, weil das GPS den Geist aufgegeben hat, auf das sie sich auss­chließlich ver­lassen haben.

Deshalb empfehlen Out­door-Por­tale und auch der Deutsche Alpen­vere­in Wan­der­ern inzwis­chen neben dem GPS immer auch eine Wan­derkarte im Ruck­sack zu haben und sich mit den tra­di­tionellen Nav­i­ga­tion­s­meth­o­d­en, wie Karte und Kom­pass, ver­traut zu machen.
Ich gebe gerne zu: Das ist Wass­er auf meine Mühlen!

Seit 5 Jahren biete ich den Kurs Mit Karte, Kom­pass und Köpfchen“ an. Zeit, sich vor Augen zu führen, was mich per­sön­lich zu dieser Art der Ori­en­tierung bringt.

Erfahrung mit allen Sinnen

Als ich vor eini­gen Jahren beschloss auf Wan­der­schaft zu gehen“, ging es mir auch darum, wieder in Kon­takt mit mein­er Umwelt zu kom­men. Jahre­lange, tägliche und auss­chließliche Arbeit am Com­put­er hat­te dazu geführt, dass ich mich abgeschnit­ten von der Welt fühlte. Ich hat­te den Ein­druck, das Leben da draußen vor allem durch einen Bild­schirm wahrzunehmen. Auf meinem neuen Weg wollte ich die Welt mit eige­nen Sin­nen erfahren.

Der Kom­pass lag schon viele Jahre unbe­nutzt in der Schublade. Die Liebe zu Karten aller Art war eine alte und unge­brochen. Was lag da näher, diese Stücke nicht nur zu Dekozweck­en oder aus Lieb­haberei zu bewahren, son­dern sich endlich mit der Nutzung dieser Werkzeuge ver­traut zu machen und sie prak­tisch anzuwen­den. Gesagt, getan.

Handwerkszeug liegt in der Familie

Ich bin in ein­er Handw­erk­er­fam­i­lie groß gewor­den. Mein Groß­vater und mein Vater arbeit­eten beru­flich und in der Freizeit mit den Hän­den. Mein Groß­vater hat­te eine sehr gut bestück­te Werk­statt, in der die einzel­nen Werkzeuge fein säu­ber­lich an der Wand hin­gen, nach Größe sortiert: Schrauben­zieher und Schrauben­schlüs­sel aller Größen, Bohrer, Mess­lat­ten und, und, und. Die Män­ner baut­en Möbel, Häuser und ter­rassierten schräge Grund­stücke mit Trock­en­mauern. Meine Groß­mut­ter war Schnei­derin und meine Mut­ter Hut­macherin und Hob­byschnei­derin und nähte die Klei­der für sich und ihre Töchter mit der Hand [und schaffte beim Haus­bau den Sand für den Beton mit dem Schubkar­ren bei].

Wenn Du in einem solchen Umfeld groß wirst [vom Vater regelmäßig los­geschickt wur­dest dieses und jenes Werkzeug aus Opas Werk­statt zu besor­gen], ist es kein Wun­der, dass Du eine Affinität zu Handw­erk­szeug entwick­elst. Selb­st wenn Du handw­erk­lich kein großes Ass bist. Meine Lehre in der Zah­n­tech­nik erwies sich schon nach kurz­er Zeit als Sack­gasse. Die epi­genetis­che Dis­po­si­tion zum Werken mit eigen­er Kraft, eigen­em Kopf und den Hän­den schlägt bei mir offen­sichtlich beim Wan­dern aus.

Überblick statt Tunnelblick

Wie bei Han­dar­beit gehen Men­schen auch ver­schieden an Denkar­beit her­an. Die einen kom­men gut mit abstrak­tem Mate­r­i­al, wie Zahlen, Tabellen und Plä­nen zurecht. Andere brauchen es anschaulich. Sie müssen ein Bild vor Augen haben, um eine Idee, eine Vorstel­lung von den Din­gen um sie herum zu bekom­men. Ich bin ein solch­er Bild­men­sch. Ich ver­ar­beite die Welt men­tal in Bildern. Ein Bild, eine Fotografie, die ich ein­mal gese­hen habe, bren­nt sich in mein Gedächt­nis ein. Das habe ich schon gese­hen.“ Wieder­hol­un­gen im Fernse­hen ent­larve ich rel­a­tiv flott. Deshalb muss ich die Dinge, mit denen ich umge­he, im Blick haben. Deshalb brauche ich den Überblick. Kalen­der am PC stelle ich immer sofort auf Wochenüberblick. Meine Kurse plane ich mit einem DIN A 4‑Kalender, der das Jahr auf jed­er Seite mit 6 Monat­en auf einem dick­en Kar­ton darstellt. Ana­log öffnet mir die aufgeklappte Wan­derkarte im Maßstab 1:50.000 oder 1:25.000 ein aus­re­ichend großes Blick­feld, um Zusam­men­hänge, Verbindun­gen, Möglichkeit­en auszu­machen. Der Spiel­raum, den ich brauche, um offen, frei, flex­i­bel mit Ent­deck­ergeist das Ter­rain zu erkun­den. Das kleine Dis­play eines GPS-Geräts kommt mir wie ein enges Schlüs­sel­loch vor, durch das ich die Welt nur in klitzek­leinen Auss­chnit­ten betra­cht­en kann.

Der Reiz von einfachem Gerät

Tech­nis­che Geräte, die ich erst bedi­enen kann, nach­dem ich ein kryp­tis­ches Hand­buch entschlüs­selt habe, befeuern mein neu­ro­bi­ol­o­gis­ches Moti­va­tion­ssys­tem wenig bis gar nicht. Wenn es keinen anderen Weg gibt, kann ich mich schon rein­fuch­sen und entwick­ele auch so was wie Stolz, wenn ich das Teil zum Laufen gebracht habe. Aber im Grunde meines Herzens folge ich am lieb­sten der Intuition.

Wer jemals ein GPS-Gerät kon­fig­uri­ert hat, weiß wovon ich rede. Über die Fum­melei habe ich mich bere­its in einem anderen Artikel zum The­ma Ori­en­tierung echauffiert. Aber noch demo­tivieren­der ist, wenn geheime Kräfte das Gerät auf den Liefer­sta­tus zurück­set­zen und dadurch meine ganze Arbeit über den Haufen wer­fen. Das kann ich über­haupt nicht ab. Wenn ich mich anstrenge, dann soll das Ergeb­nis bitteschön auch von Dauer sein.
Karte und Kom­pass funk­tion­ieren im Sinne des Wortes ein­fach so. Du lernst ein­mal damit umzuge­hen und dann machen diese Helfer­lein ihren Job.

In dieser Ein­fach­heit liegt der beson­dere Reiz. Ein­fache Werkzeuge konzen­tri­eren sich auf das Wesentliche. Sie geben ihren Ein­satz genau vor. Wie der Schrauben­schlüs­sel oder das Küchen­mess­er: Statt ein Werkzeug mit zig Funk­tio­nen, gilt das Prinzip: für zig Funk­tio­nen gibt es genau ein Werkzeug. Das hat wieder was mit Überblick und Klarheit zu tun; aber auch mit Ruhe.

Karte und Kom­pass sind kein Schweiz­er Klappmess­er, das viele Funk­tio­nen in sich vere­int und wo im Fall der Fälle doch genau das Werkzeug fehlt, das Du ger­ade brauchst. Karte und Kom­pass erfüllen jew­eils einen klar vorgegeben Zweck. Den Rest erledigt Dein Kopf. Karte und Kom­pass sind ein­fache Hil­f­s­mit­tel, die Dir nicht vor­gaukeln, die ganze Arbeit zu machen. Den Stan­dort bes­timmst Du und Du sorgst selb­st dafür, dass Du erkennst, wann Du Dein Ziel erre­icht hast. Du bleib­st als Men­sch in der Ver­ant­wor­tung. Und das ist mein­er Mei­n­ung nach der Reiz ein­fach­er Tech­nolo­gie: Du wirst als Men­sch weit­er gebraucht; Du wirst men­tal und physisch gefordert, statt zu verküm­mern.

In diesem Sinne mag ich ein­fache Geräte, wie Karte und Kom­pass, genau so, wie ich gern tra­di­tionell mit eigen­em Antrieb, eigen­er Kraft Fahrrad fahre, zu Fuß unter­wegs bin oder am lieb­sten Noti­zen hand­schriftlich festhalte.

Zuverlässigkeit von Dingen und im Umgang mit sich selbst

Ein let­zter Punkt auf mein­er per­sön­lichen Liste der 5 Gründe für das Wan­dern mit Karte und Kom­pass ist die Zuverlässigkeit.

Das hat was mit meinem Werten zu tun. Was mir im Leben wichtig ist. Dazu zählt Zuver­läs­sigkeit. Zwis­chen­men­schlich, im Bezug zu Din­gen und auch im Umgang mit mir selb­st [die Bedeu­tung des zulet­zt genan­nten Aspek­ts habe ich allerd­ings erst in den let­zten 10 Jahren erkannt].

Bei Din­gen war das schon immer so: Lieber fahre ich gar kein Auto als eines, das dro­ht unangekündigt irgend­wo auf der Auto­bahn ste­hen zu bleiben. Ich will mich auf Werkzeuge und Hil­f­s­mit­tel [und dazu zäh­le ich auch ein Auto] ver­lassen kön­nen. Dabei geht es mir vor allem darum, dass ich ein­fach keine Lust auf den Ärg­er und den Stress habe, den Gerätschaften bei mir aus­lösen, die ein­fach so aus heit­erem Him­mel ihren Dienst quit­tieren können.

Karte und Kom­pass sind insofern höchst zuver­läs­sige Begleit­er, als dass sie unab­hängig von Stromquellen und Satel­litensignalen aus dem Weltall funk­tion­ieren. Ich muss keine schwere Power­bank im Ruck­sack mitschlep­pen, um auch in abseits gele­ge­nen Winkeln der Heimat die Akkus eines GPS-Gerätes zu ver­sor­gen. Auch in tiefen Tälern richtet sich mein Kom­pass am ark­tis­chen Pol der Erde aus und weist mir treu die richtige Rich­tung [bei ordentlich ermit­tel­ter Peilung].

Die einzige Voraus­set­zung der Funk­tions­fähigkeit von Karte und Kom­pass ist, dass ich mir Wis­sen aneigne, wie sie funk­tion­ieren und wie ich sie bedi­ene. Und dass ich dieses Wis­sen prak­tisch anwende. Die Energiequelle ist mein Kopf.

Der einzige, auf den ich mich ver­lassen kön­nen muss, bin also ich selb­st [nicht, dass das ein­fach oder gar selb­stver­ständlich wäre]. Zuver­läs­sigkeit im Umgang mit sich selb­st hat was zu tun mit Selb­s­tum­gang, Selb­st­für­sorge und Selb­st­be­wusst­sein. Dieser Rück­bezug zu sich selb­st, ist doch genau das, was viele Men­schen beim Wan­dern suchen und ganz neben­bei die Urquelle men­schlichen Selbstvertrauens!

Das sind meine ganz per­sön­lichen Gründe, warum ich am lieb­sten mit Karte und Kom­pass navigiere, wenn ich zu Fuß draußen unter­wegs bin. Ich bleibe auf den Boden der Tat­sachen: Natür­lich gibt es Sit­u­a­tio­nen beim Wan­dern, in denen die Vorteile eines GPS-Geräts [mit vollem Akku und Satellitenempfangs]nicht von der Hand zu weisen sind: vor allem für die Stan­dortbes­tim­mung in Land­schaften mit weni­gen topografis­chen und geografis­chen Anhalt­spunk­ten [Wüsten aller Art], bei Nebel, all­ge­mein sehr schlechter Sicht oder in der Nähe des ark­tis­chen oder antark­tis­chen Pols. Ich bin kein Feind mod­ern­er Tech­nolo­gien, son­dern ich vertrete die Ansicht, sie sollte sin­nvoll einge­set­zt wer­den. Sin­nvoll heißt für mich, der Nutzen ste­ht in einem vertret­baren Ver­hält­nis zu den Kosten [nicht nur mon­etär gedacht, son­dern vor allem mit Blick auf den Erhalt mein­er Fähigkeit­en als Mensch].

Vielle­icht find­est Du Dich in mein­er Liste an der einen oder anderen Stelle wieder und erkennst, was Dir das Wan­dern mit Karte und Kom­pass brin­gen kann. Das würde mich natür­lich sehr freuen.

Für Selb­stlern­er habe ich hier eine Anleitung, mit der Du auf eigene Faust ler­nen kannst, Dich mit Karte und Kom­pass zu ori­en­tieren.

Wenn Du im prak­tis­chen Tun und mit per­sön­lich­er und geduldiger Unter­stützung ler­nen willst, diese zuver­läs­si­gen Hil­f­s­mit­tel zu bedi­enen, dann empfehle ich Dir meinen Kurs Mit Karte, Kom­pass und Köpfchen unter­wegs“ und freue mich, Dich per­sön­lich ken­nen zu lernen

Der Artikel wurde das erste Mal am 21.April 2018 veröffentlicht.