Die Autorin Sabine Dinkel kennt ihr aus meinem Buchtipp “Krebs ist, wenn man trotzdem lacht: Wie ich von heute auf morgen Krebs hatte und wieder zu neuem Lebensmut fand”. In diesem Ratgeber verteilt sie auf ihre eigene humorige, wohltuende Art Zuversichts-Wichtel [original Sabine-Sprech] mit vollen Händen an Erkrankte, deren Angehörige, Freunde und Bekannte und Arbeitskollege.
Weil es in meinem Blog um Zuversicht geht, weil ich von Zuversicht nie genug kriegen kann und weil Sabine für mich die Zuversichts-Profi überhaupt ist, habe ich wieder “Hier!” gerufen, als sie auf Facebook Rezensionsexemplare für ihr neues Buch in Aussicht stellte.
Auch in Sabines neuem Buch geht es um ihre Erkrankung: Eierstockkrebs. Seit drei Jahren schlägt sie sich damit herum. “Meine Arschbombe in die Untiefen des Lebens” ist ein Tagebuch.
Und zwar ein besonderes: Ein Comic-Tagebuch.
Sabine teilt in diesem Taschenbuch ihre Erfahrungen mit dem Krebs in den ersten 15 Monaten ab Diagnose. Mit selbst gezeichneten Cartoons, Comics, dem ihr eigenen, nüchternen, selbstironischen Schnieptröten-Sprech und jede Menge schwarzem Humor.
Kleine Kostprobe aus dem Inhaltsverzeichnis: „Hausdurchsuchung! Razzia“ Nehmt alles Fiese mit! Alles!“„Krankenhaus-Grusel“, „Achterbahn der Gefühle“, „das pure Glück“, „Es wird haarig“, „Reha rockt!“, „Zurück in den Alltag katapultiert“, „Work ohne Würg“, „Irgendwas ist immer – Trouble im Nierenbecken“, „Vor der Chemo lass ich’s krachen!“.
Trotz allem keine leichte Kost. Aber Sabine schafft das Kunststück, den Grusel halbwegs erträglich auf Distanz zu halten. Du bekommst die ungeschönte [fast, laut Autorin] Wahrheit, kannst aber jeder Zeit selbst entscheiden, wie nah Du die Fakten an Dich ran lässt.
Du erfährst in diesen Buch Infos aus erster Hand zu diesen Themen [ungeordnet]: Diagnoseabläufe, Appetit, Essen [Zucker: ja/nein], durch Medikamente irritierter Geschmacksinn, Abläufe im Krankenhaus [Einzelzimmer/Doppelzimmer] und von Arztbesuchen, Diagnosekommunikation, einfühlsame und weniger einfühlsame Ärzte, Pfleger, was einem nach der OP erwarten kann, Ablauf, körperliche und seelische Nebenwirkungen einer Chemo-Therapie, Haarausfall und Perücken, Fatigue, Reha [Anekdoten und Fallstricke], wohltuende Kommunikation mit Partnern, Familie und Freunden, wie Du Betroffenen helfen kannst und was Du besser lässt, Umgang mit Gemütsschwankungen und Durchhänger, Veränderungen von Prioritäten, Haltungen und Selbstumgang, Alltag mit Krebs, Rezidive.
Kurz und bündig: Sabine beschreibt, wie sie mit dem Scheißzeug umgeht, das der Krebs mit sich bringt und sich nicht ändern lässt: das Gute im Schlechten entdecken, für gute Gefühle sorgen, Nerven-Zerreißproben bestehen, emotionale Achterbahnfahrten durchstehen, Seelen-Trampeltieren Paroli bieten, Tiefschläge „verstoffwechseln“.
So ging es mir beim Lesen
Krebs ist kein Unbekannter für mich. Vor zwanzig Jahren gab es eine Zeit, in der das Leben in unserer Familie von heute auf morgen für ein halbes Jahr komplett aussetzte und nach der Beerdigung bei uns Hinterbliebenen nur schwer, zäh und zögerlich wieder Fuß gefasst hat.
Beim Lesen, was die Sabine Dinkel mitgemacht hat bzw. mitmacht, sind Angst und Bange, die rabenschwarzen Gesellen von damals wieder um die Ecke gekommen. Wegen Sabine. Weil, die hat den Mist ja aktuell an der Backe. Aber wenn ich ehrlich bin: Schon auch nach dem Motto „Hätten wir damals bloß…“ [Was zwar sinnlos ist, aber automatisch hochkocht]. Und wegen mir. Das ist die Angst ums eigene Leben, die einen am Schlafittchen packt, wenn man nicht mit Köpfchen gegensteuert. Denn die ist gar kein guter Berater im Umgang mit Erkrankten. Leider finde ich gerade die Stelle nicht, an der Sabine genau dazu schreibt; fand sie jedoch eindrücklich, erhellend und aufklärend. Und ja: Ich bin heilfroh, dass ich persönlich physisch von Krebs bisher verschont geblieben bin.
Neben dem Mitgefühl für die Menschen, an denen dieser bittere Krug nicht vorbeigegangen ist, stärkt Sabine mit ihrer ehrlichen Herangehensweise die Wertschätzung von Gesundheit. Der Humor macht es möglich, dem Grauen ins Auge zu blicken.
Neben Begegnungen mit der eigenen Angst ziehe ich aus Sabines Erfahrungsbericht erstaunlich beruhigende Erkenntnisse: Im Großen und Ganzen betrachtet, ist das Leben mit Krebserkrankung auch nicht anders als ohne: Es geht rauf und runter, es zeigt sich weniger als gedacht beständig dunkelgrau, sondern kommt offenbar mit Schattierungen und Nuancen daher, Licht und Perspektiven wechseln und verändern kontinuierlich, wenn auch nicht auf die Minute genau, die Färbung der Lebensbrillengläser. Das macht mir Hoffnung und zeigt, dass es weitergeht, auch wenn man sich im ersten Moment [und sicher später auch immer wieder] schon „auf dem Friedhof wähnt“. Auch wenn es mich kalt erwischt, die Tür bleibt auf. Manchmal nur einen Spalt. Dann heißt es frech: Fuß dazwischen stellen. Und dann denke ich so bei mir: Was bei Krebs hilft, kann ja bei weniger lebensbedrohlichen Tiefschlägen nicht schaden. Insofern ist Sabines Comic-Tagebuch eine Lebensschule für Menschen mit und ohne Krebs.
Wenn Dir das Lachen im Hals stecken bleibt
Zugegeben: Sabines Fassung eines „lustigen Lebens mit Krebs“ ist speziell. Wenn Dir das Lachen im Hals stecken bleibt angesichts der eigenen Erkrankung oder der von Angehörigen oder Freunden: Mit ihrer selbstironischen Art erlaubt die Autorin ihren Leserinnen und Lesern über ihre Geschichte mit zu lachen oder sagen wir mal: zu schmunzeln. Lachen ist ja bekanntlich gesund. Das ist inzwischen neurophysiologisch belegt. Damit hätte Sabines Comic-Tagebuch ein Ziel erreicht: die Haltung der Leserinnen und Leser zum Krebs zum Positiven verändern.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Wir erfahren konkrete Details, wie es Sabine in den ersten anderthalb Jahren ergangen ist plus „Nachwort – was inzwischen aus mir geworden ist“. Ich lese auf Sabines Facebookseite mit. Daher weiß ich, dass es damit leider nicht getan sein sollte. Die gute Nachricht: Sabine wirft weiter tapfer ihren Ball immer wieder ganz weit ins Spielfeld des Lebens und hat, soweit ich das von hier aus beurteilen kann, bislang nicht vor, damit aufzuhören:
„Aufgeben is‘ jedenfalls nicht! Auf dass ich meiner Erkrankung noch viele lustige Jahre abtrotze!“
Für diese mutige, zuversichtliche Haltung hat Sabine meine volle Hochachtung.
Dinkel, Sabine: „Meine Arschbombe in die Untiefen des Lebens – Comic-Tagebuch einer Krebserkrankung”, Taschenbuch, 187 Seiten, 1. Auflage 2018, HAWEWE media Verlag
Danke an den HAWEWE media Verlag, der mir eine kostenloses Rezensionsexemplar für diesen Buchtipp zur Verfügung gestellt hat.
Du kannst dieses Buch in Deiner Buchhandlung vor Ort oder direkt auf der Website des Verlages auch als E‑Book (PDF) kaufen.
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