Der Fels direkt vor meinen Füßen fällt gefühlt unendlich in die Tiefe. Einen Boden erkenne ich schwer. Mein Blick nach unten bleibt an dichtem Blätterdach der Bäume hängen; nur an einigen Stellen ahne ich das Ende der Wand. Die ist in Wirklichkeit „nur“ 15 Meter hoch lese ich später im Internet.
Tatsächlich unendlich wird die Aussicht als ich die Augen von der Kante löse, den Kopf hebe und vor mich schaue. Nun zeigt sich: Der Fels auf dem ich stehe ist nur ein Mini-Zacken eines viel höheren Zackens, der auch so heißt und gute 640 Meter aus dem Wald ragt. Der große Zacken macht seinem Namen alle Ehre. Der Schieferfels bricht stufig durch den Waldboden. Wie ein Drachenrücken. Zwischen den Felsspitzen hat die Natur kleine Aussichtsplattformen gebaut. Von oben nach unten steige ich über ein Wurzelnetz von einer zur anderen und kriege den Mund vom Staunen nicht mehr zu. Die Ausblicke sind, und da übertreiben die Berichte im Web nicht: spektakulär.
Vor mir liegen Wälder, Wiesen, Ackerflächen und hie und da ein Ort. Aber wo schaue ich eigentlich hin. Wie heißt das Land, das vor mir liegt? In welche Himmelsrichtung guckt dieser Ausguck? Dem Sonnenstand nach: Richtung Westen. Zu Hause studiere ich die Karte und finde Namen. Der Zacken öffnet sich zum Emstal im Hochtaunus. Südlich liegt Schloßborn. Ausgangspunkt eine meiner ersten Alleingänge vor einigen Jahren. Auf der verlängerten Blickachse liegt [natürlich außer Sicht] Idstein, dann hinter dem Horizont ein Punkt zwischen St. Goar und Boppard am Rhein. Aus dem Weltall auf die Erde schauend, würde man sofort erkennen: Der Zacken ist Teil des Rheinischen Schiefergebirges. Im Westen mit den Bergen meiner näheren Heimat – dem Hunsrück – verwandt und nach Osten dem 701 Meter hohen Weilsberg und dann dem Feldberg (881 Meter ü. NN) vorgelagert.
Der Zackenfels ist mit 13 Kletterrouten verschiedener Schwierigkeitsgrade ein beliebtes Trainingsgelände für Bergsteiger. Das Terrain hat aber auch für Bergwanderer seinen Reiz. Neben den grandiosen Ausblicken locken die steilen Ab- und Anstiege auf dem Zacken-Beilstein-Steig. Ein rund 5 Kilometer langer und mit 250 Höhenmetern gespickter Rundkurs auf überwiegend wurzeligen und steilen Pfaden. Das Auto stellt man am Parkplatz Weilsberg ab; linker Hand an der Hochstraße gelegen, vom Abzweig zum Feldberg kommend [Kreuzung zum Taunuspass „Rotes Kreuz“] Richtung Ober. Bzw. Niederreifenberg. Dort steht eine Informationstafel mit Karte, Wanderwegenetz und Wegmarken. Vor allem wenn Du den relativ kurzen Steig in eine ausgedehntere Wanderung einbauen willst, empfehle ich Dir eine Wanderkarte in den Rucksack zu packen [z.B. Topographische Freizeitkarte DTK 25, Taunus Nr. 3 des Hessischen Landesamtes für Bodenmanagement und Geoinformation, Maßstab 1:25.000]
Der Zacken-Beilstein-Steig ist mit einem roten Greifvogel (einem Milan) als Symbol markiert und liegt komplett im Wald. Deshalb ist er auch an heißen Tagen ein erquickliches Ziel für eine Bergtour. Die ist am Zacken lange nicht zu Ende. Im weiteren Verlauf der Runde tauchen weitere Felsen auf, wie beispielsweise der Beilstein. Die lassen sich zum Teil auch ohne Kletterausrüstung erkraxeln, einfach weil sie aus dem Berg ragend von hinten sehr gut zugänglich sind; ohne Ausguck ins Land, aber prima geeignet für eindrucksvolle Selfies ohne Kopf und Kragen zu riskieren.
Ein Teilnehmer meines Kurses „Stressfrei bergauf und bergab (Trittsicherheit) hat mich auf den Zacken-Beilstein-Steig aufmerksam gemacht. Er übt dort für seine Wanderreise zum höchsten Berg Japans: dem Fuij.
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