Vor gut fünfeinhalb Wochen habe ich mein diesjähriges Fastenprojekt „7 Wochen bei Wasser und Kräutertee“ gestartet. Unter dem Motto „Wenn Du was änderst, dann ändert sich was.“ wollte ich ausprobieren, ob und was anders wird, wenn ich meine Trinkgewohnheit verändere.
Seit Anfang März trinke ich nur Wasser und Kräutertee. Kein Kaffee, kein Cola, kein alkoholfreies [süßes] Radler, kein Wein und so weiter und so weiter. Das war der Plan.
Ehrlich währt am längsten: Ich habe round about drei Ausnahmen gemacht: 1 Sekt mit O‑Saft [Geburtstag], 1 heiße Schokolade mit Sahne [mit den Nerven am Ende] und 1 Chai latte mit viel Zucker [müde + K.o.]. Die anderen Ausnahmen habe ich vergessen.
Abgesehen von den Ausnahmen habe ich nur Wasser und Kräutertee getrunken!
Konsequent durchgehalten habe ich den Verzicht auf Kaffee und Limonaden jeglicher Art.
Dass mir dieses neue Verhalten nicht leicht fallen würde, war schon vorher klar. Aber wie sich dieses Nicht-leicht-fallen konkret bemerkbar machen würde nicht.
Ich habe die Probe aufs Exempel gemacht.
Ergebnis: Es ist anders anders als gedacht.
Fata Morgana statt Straflager
Gedacht hatte ich, es würde mir total schwerfallen. Also so mit stundenlangem sich herumschlagen mit dem Verlangen nach den „verbotenen“ Getränken und so. Tortur, Folter. Wie im Straflager, habe ich mir die Wochen bis Ostern ausgemalt. Nein, nervenaufreibende Dauerquälerei war es nicht.
In Wirklichkeit war die Reaktion von Kopf und Körper auf diesen Verzicht sehr viel subtiler. So eine Art Fata Morgana: Wenn Du meinst, Du hättest alles im Griff und ist doch alles halb so schlimm, taucht sie auf. Wie aus dem Nichts.
Der „Habe ich-mir-verdient-Kaffee“
Zum Beispiel freitagnachmittags mit dem Rad auf dem Weg nach Hause, exakt an der Stelle, an der ich den kleinen Berg hochgestrampelt bin und oben ankomme. Ohne dass ich wusste, wie mir geschah, hing plötzlich das Bild einer großen Tasse mit heißem Kaffee vor meinem inneren Auge. Oder, nach einer längeren Wanderung auf der Heimfahrt im Zug. Oder nach einem arbeitsreichen Vormittag. Beispiel könnte ich genug aufzählen.
Immer dann, wenn mein Gehirn der Meinung war, jetzt wäre es Zeit für eine Belohnung, zog es das Bild mit der Kaffeetasse aus dem Ärmel.
Ich nenne dieses Bild den „Habe ich-mir-verdient-Kaffee“.
Gelernt ist gelernt!
Bei genauerer Betrachtung ist es aber dann tatsächlich so: Die meiste Zeit des Tages spielt Kaffee für mich keine Rolle.
Morgens zum Beispiel brauche ich nicht unbedingt einen. Ich kann auch mit einer heißen Tasse Kräutertee problemlos die Zeitung am Computer lesen, ohne dass mir imaginäre Kaffeetassen das Hirn verdrehen. Wie die Schlange Kaa dem kleinen Mogli in Walt Disneys Dschungelbuch.
Interessant wird es, wenn ich eine Belohnung brauche und mir was Gutes tun will. Zack baumelt die Kaffeetasse im Hirn.
Es geht mir also eigentlich gar nicht um den Kaffee an sich. Sondern um die Belohnung! Ahaaa!
Im Laufe des Lebens habe ich mir angewöhnt, mir mit einem Pott heißen Kaffee mit Milch etwas Gutes zu tun. Weil es die Eltern so gemacht haben. Weil es die Werbung suggeriert. Weil es viele Menschen um mich herum genauso machen. Nach dem Motto: „Erst einmal einen Kaffee!“
War mir vor meinem Experiment nicht so bewusst und klar.
Wenn Du was änderst, dann ändert sich was. In meinem Fall heißt das zunächst einmal, ich habe was gelernt. Über mich.
Die Gewohnheit mich mit einem Kaffee zu belohnen, ist damit noch lange nicht vom Tisch.
Das Bild vom „Habe ich-mir-verdient-Kaffee“ taucht weiterhin regelmäßig auf. Auch nach 5 Wochen noch. Es ist schwächer geworden. Und der „Habe-ich-mir-verdient-Kräutertee“ wird selbstverständlicher.
Kein Wunder: Der Wunsch sich was Gutes zu tun, sich nach getaner Arbeit zu belohnen, ist berechtigt. Ein Bedürfnis lässt sich nicht abschalten. In der Hand habe ich allerdings, wie ich es befriedige: mit Kaffee, mit mildem, schmackhaftem Kräutertee, einem Strauß Blumen oder einem Nickerchen. Reine Geschmackssache.
Das Bedürfnis ist das eine. Wie ich ihm nachkomme ist das andere. Noch was gelernt.
Etwas zu wollen, ist nicht gleich etwas zu brauchen!
Völlig crazy: Wenn ich mir ganz konkret den ersten Kaffee nach 7 Wochen vorstelle, dann bin ich plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob ich ihn wirklich noch brauche.
Was sich also auch verändert, wenn ich was ändere ist die Ansicht darüber, was ich brauche [oder nicht brauche].
Das bedeutet doch dann, es gibt Dinge, bei denen ich bloß meine, dass ich sie brauche und sie deshalb will [Kaffee trinken]. Und es gibt Dinge, die ich tatsächlich brauche: Wie Trinken, Essen und Schlafen. Die brauche ich wirklich, sonst hat irgendwann mein letztes Stündlein geschlagen.
Der springende Punkt ist der Sinn der Sache!
Achtung, jetzt kommt ’s: Wenn die Fastenzeit rum ist nächste Woche, werde ich wieder Kaffee [und Limonade und alles andere] trinken.
Mensch, Heike. Tja… ;-)
Es gibt keinen echten Grund es nicht zu tun. Denn anders als vermutet, habe ich weder abgenommen [weniger Zucker], noch schlafe ich besser [kein Koffein] noch muss ich weniger aufs Klo als vorher [muss noch verifiziert werden]. Ich habe mein Verhalten geändert, aber einen echten, direkten physischen Bonus dadurch nicht erzielt. Der Verzicht macht für mich keinen erkennbaren Sinn.
Was ich mir vorstellen kann, ist öfter Wasser statt Limonade zu trinken. Und hin und wieder ein leckerer Kräutertee [statt Kaffee, aber bitte nicht Melisse oder so was Fades] zur Belohnung ist auch drin. Bissl auf die Gesundheit achten, schadet ja nicht. ;-)
Übrigens: Die Kaffeetasse oben im Bild hat Gitte Härter entworfen. Hier geht ’s zu ihrem Tassenshop .
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