In der Not frisst der Teufel bekanntlich Fliegen! Sprich, wenn es Spitz auf Knopf steht, es wirklich darauf ankommt, machen wir Dinge, die wir uns unter normalen Bedingungen niemals getraut hätten. Wenn es an einer ausgesetzten Stelle am Berg keine Option gibt, sie irgendwie , und sei es durch Umkehren, zu meiden, dann gehen wir sie auch wenn uns noch so sehr die Knie schlottern. Was bleibt uns anderes übrig?!
Aber freiwillig etwas zu tun, das Dich in irgendeiner Form herausfordert, kann eine Hürde sein. Obwohl Du es gerne tun würdest. Ein Unternehmen zu starten, das Du nicht kennst, dass Du nicht gewohnt bist, wo Du keine Erfahrung hast, strengt an. Punkt.
Egal, ob Du vor hast, die erste Mehrtagestour in Deinem Wanderleben zu unternehmen, gewohnte Wanderautobahnen zu verlassen und querfeldein neues Terrain zu erkunden oder Bergwanderungen mit ausgesetzten Stellen zu gehen: Wenn dieser Traum für Dich mit Herausforderungen verbunden ist, dann kostet schon die Entscheidung, sich adäquat darauf vorzubereiten, echt Kraft. Und zwar geistige Kraft.
Da kann der Wandertraum noch so rosarot sein. Wenn unser Gehirn, das Vorhaben als zu schwierig, zu kompliziert, zu aufwändig, zu unbequem oder zu was weiß ich was einschätzt, dann geht es in Abwehrhaltung. Gemeinhin bekannt als Hürde im Kopf, Schweinehund, Blockade, Grübelschleife oder Hamsterrad. Wissenschaftlich betrachtet eine natürlich biologische Reaktion, die mit der Arbeitsweise unseres Oberstübchens zu hat, die auf Ressourcenschonung ausgelegt ist.
Wenn wir die Option haben, dieser [aus Sicht unseres Gehirns] unnötigen. sprich Ressourcen verschwendenden, Kraftanstrengung aus dem Weg zu gehen, dann ist die Versuchung groß, dies auch zu tun: „Och, das lasse ich mal lieber. Das bringt doch nichts. Wir bin ich denn bloß auf diese doofe Idee gekommen. Ist doch viel zu aufwändig. Das lohnt sich doch nicht. Unten im Tal, auf perfekt ausgeschilderten Wegen, Tagestouren wandern ist doch auch ganz schön.“
Träume werden begraben.
Ob es einem leicht oder schwer fällt freiwillig Gewohntes los zu lassen, zu verlassen und neue Wege zu gehen, ist eine Frage mentaler Stärke. Mentale Stärke fällt nicht vom Himmel. Wir haben die Veranlagung dazu. Aber damit Du darüber verfügen kannst, musst Du sie entwickeln und trainieren. Mentale Stärke basiert nicht nur auf einer, sondern auf mehreren und unterschiedlichen Fähigkeiten. Dazu zählt zum Beispiel, inwieweit man in der Lage ist, kurzfristigen Versuchungen zu widerstehen, Absichten durch zielgerichtetes Handeln zu verwirklichen, Ziele und Prioritäten zu setzen, Entscheidungen zu treffen und sich auf eine Sache zu konzentrieren.
Eine simple und gleichzeitig wohltuende Möglichkeit diese geistigen Fähigkeiten zu trainieren, ist Wandern im Winter. In unseren Breiten bietet Winterwandern mentale und physische Herausforderungen, ist jederzeit und überall machbar, erfordert Planen und vor allem: es macht Spaß und zufrieden!
Wandern im Winter ist wohltuend unbequem
Es führt kein Weg daran vorbei: Um Fortschritte zu machen, brauchst Du Bedingungen, die Dich herausfordern. Das ist bei körperlichem Krafttraining genauso wie bei geistigem. Oder hast Du schon mal gehört, dass man Bizeps mit Stemmen von Wattebällchen aufbaut?
Wandern im Winter bietet ideale Trainingsbedingungen: draußen unterwegs zu sein ist vollkommen komfortzonenunverdächtig. Es ist kalt, dunkel, nass, matschig, windig und glatt. Einerseits sind die Umstände also echt fordernd: Schon die Gedanken an Wind, Wetter und Temperaturen im unteren Bereich lässt Dich fröstelnd die Schultern hochziehen.
Anderseits ist das Risiko für Leib und Seele kalkulierbar: mit der richtigen Kleidung und Ausrüstung, adäquater Routenplanung und einer Thermoskanne mit heißem Getränke kriegt man Väterchen Frost wirksam in den Griff [siehe dazu auch Punkt „Planen“]. Und das allerbeste: Es winkt jede Menge Belohnung, durch Wohlgefühl und Zufriedenheit. Schon nach den ersten Metern, wenn die Körperheizung durch das Gehen auf Touren kommt, wird Dir mollig warm. Die frische Luft belebt Kopf und Körper. Du kommst mit Dir im wahrsten Sinn des Wortes in Einklang. Das coolste kommt zum Schluss, wenn Du die Haustür reinkommst, bei einer heißen Tasse Tee Deine Unternehmung Revue passieren lässt, fühlst Du Dich von oben bis unten zufrieden. Yeah!
Wandern im Winter ist wohltuend unbequem!
Wandern im Winter geht immer und überall
Um bei Deinem Training mentaler Fähigkeiten weiterzukommen, musst Du üben. Und zwar so oft wie möglich! Ein häufig genannter Grund, um sich vor dem Üben zu drücken, ist mangelnde Gelegenheit: keine Zeit, kein Auto, kein Geld [für Bus oder Bahn], keine Wanderwege, keine Natur, kein Berg usw.
Wandern im Winter geht überall und jederzeit! Du musst Dir keinen Urlaub nehmen, musst nicht um die halbe Welt reisen oder aufs Wochenende warten. Du kannst direkt vor der Haustür starten. In den nächsten Stadtteil gehen, den Stadtpark durchqueren oder umrunden. Oder Du kannst mit dem Bus oder Bahn ein Stück raus aufs Land fahren und zu Fuß wieder nach Hause wandern. Du kannst es am Wochenende tun, abends nach der Arbeit an Deinem freien Tag oder in der Mittagspause. Steig auf Aussichtstürme, wenn kein Berg im Stadtwald steht. Wandere im Grüngürtel, am Fluss entlang, durch das Naturschutzgebiet, um die ganze Stadt herum. Aber geh los. Bei Wind und Wetter. Egal, ob es stürmt oder schneit. Beziehungsweise, genau dann, wenn es stürmt oder schneit [Ausnahmen siehe unten]; weil, bei Sonnenschein, kann ja jeder Winterwandern! ;-)
Wandern im Winter braucht einen guten Plan
Weißt Du warum wir uns oft so schwer tun mit neuen Dingen? Eben genau deshalb, weil sie neu für uns sind. Wir wissen nix oder zu wenig, was uns erwartet; können die Sache nicht geistig greifen, haben keine oder zu wenige Anhaltspunkte, an denen wir uns orientieren können. Das macht Vorhaben nicht einfacher, wenn unser Gehirn schon im Vorfeld zu dem Ergebnis kommt, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen.
Planen dagegen bedeutet, sich mit einer Sache näher zu beschäftigen. Sich mit etwas genauer auseinanderzusetzen, sich Zeit zu nehme, die Bedingungen und Voraussetzungen einer Unternehmung im Einzelnen unter die Lupe zu nehmen, heißt sich im wahrsten Sinne des Wortes eine Übersicht zu verschaffen: Wie wird das Wetter? Welche Kleidung schützt mich wirksam vor Kälte bzw. Regen. Wie rüste ich meine Schuhe rutschfest aus? Wie ist der Untergrund auf dem avisierten Weg: erdig, asphaltig, geröllig? Kann ich unterwegs notfalls abkürzen? Gibt es Gastwirtschaften zum Aufwärmen. Welche Distanzen schaffe ich in 2 bis 3 Stunden? Sind Auf- und Abstiege zu bewältigen, die bei Frost zu Rutschbahnen werden können oder verläuft die Route überwiegend eben?
Gute Planung ist das A und O beim Wandern ohnehin; im Winter gilt dies in besonderem Maße. Es ist absolute Voraussetzung, um das Vorhaben gelingend zu gestalten, seinen Spaß daran zu haben und gesund, munter und zufrieden nach Hause zurückzukehren. Winterwandern ist eine 1A Gelegenheit das Planen von Vorhaben draußen in der Natur zu üben und damit die wohltuende Erfahrung zu machen: Wissen über eine neue, ungewohnte Sache, ist die halbe Miete bei neuen Unternehmungen. Jede Information, die Du kriegen kannst, versetzt Dich mehr in die Lage, das Vorhaben so zu gestalten, dass es für Dich persönlich realisierbar ist.
So gelingt Dir das Wandern im Winter: Hänge die Latte hoch, aber nur so hoch, dass Du gefühlsmäßig bereit bist, Dich darauf einzulassen: halte Deine Winterwanderung einfach, kurz und für Deine Verhältnisse realisierbar. Bleib dran. Bleib den ganzen Winter über dran. Mit der Übung, mit dem Erstarken der mentalen Fähigkeiten und der daraus erwachsenden Selbstsicherheit verändern sich Radius, Untergründe und Höhenmeter von ganz alleine. Bereite Dich gut vor: Kleidung, Ausrüstung, Route. Mache Dich nicht vom Wetter und den Bedingungen draußen abhängig. Gehe bei Wind und Wetter raus. Ausnahme: Wenn es tatsächlich gefährlich werden kann: bei durchgängigem Glatteis, Sturmwarnung, Gewitter und Starkregen. Übe mit anderen zusammen. Gemeinsam seid ihr stark. Notiere Dir im Nachgang, was gut war, was Du beim nächsten Mal beibehalten und was Du anders machen willst. Das Gute, Wohltuende schriftlich zum späteren Nachlesen festzuhalten ist ganz wichtig, um Dich weiter zu motivieren, um dran zu bleiben. Menschen neigen dazu, gerade bei Herausforderungen, das Missliche präsent zu halten und das Wohltuende schnell unter den Teppich zu kehren.
Es geht um die Erfahrung, dass Dir etwas in Gedanken widrig scheinen kann, das Dir jedoch in Wirklichkeit gut tut.
Wirst Du es ausprobieren?
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