Ich gehe ihnen regelmäßig auf den Leim. Biege entschlossen ein. Freue mich über den Weg in die gewünschte Himmelsrichtung. Wähne mich im Glück. Dann aber nach zwei, drei Biegungen ist Ende Gelände. Ich stehe vor einem Zaun, einem verschlossenen Tor oder einer dichten Brombeerhecken.
Die Rede ist von Sackgassen. Wege, die mitten im Wald, auf dem Feld, am Berg abrupt enden.
Die häufigsten Ziele von Sackgassen im deutschen Mittelgebirge sind: Hochstände der Förster, Weinbergszufahrten, Feldzufahrten, Wasserwerke, Holzlagerplätze, Wendeplätze für Forstfahrzeuge, Jagdhütten und Privatgrundstücke.
Sackgassen gehören zum Wandern dazu und lassen sich leider kaum vermeiden.
Sie sind in der Regel in Wanderkarten eingezeichnet. Aber diese kleinen Stichwege übersehen auch geübte Kartenleser ganz schnell mal in einem unaufmerksamen Moment.
Auch vor Ort erkennt man Sackgassen nicht ohne Weiteres. Sie sehen meistens aus, wie ganz normale Wanderwege. Oder sie kommen als schmale, verschlungene Pfade verlockend daher.
Anders als in den Alpen, sind Sackgassen in den Mittelgebirgen nicht ausgeschildert.
Wer eigenverantwortlich und selbstbestimmt wandert, auf unmarkierten Wegen nach Kompass geht und dabei dem Weg nicht akribisch mit dem Finger auf der Karte folgt oder wer sich mal verlaufen hat, macht mit Sackgassen früher oder später Bekanntschaft.
Achtung Frustfalle!
Sackgassen sind zwar kein wirkliches Problem.
Jedenfalls im Mittelgebirge.
Aber sie können durchaus Ärger machen.
Ja, sie haben sogar das Potenzial für echte Frustfallen. Egal, ob man alleine oder mit anderen zusammen draußen unterwegs ist. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Drei Stolperfallen in der Sackgasse
Vor allem, wenn man müde und k.o. ist und nur noch endlich am Wanderziel ankommen möchte, können einen Sackgassen auf die Palme bringen.
In solchen Moment ist jeder Zentimeter, den man in die falsche Richtung geht, so unnötig wie ein Kropf.
Ärger ist angesagt. Genau dann herrscht höchste Frustfallengefahr.
Drei Paradefehler und ihre Folgen, mit denen es gefrustete Wanderer immer wieder zu tun haben, stelle ich hier vor.
1.) Wertvolle Ressourcen verplempern
Beim Wandern ist Ärger kontraproduktiv. Nicht nur, weil er die ganze Wanderfreude zunichtemacht und ein echter Spaßverderber ist. Für einen selbst und für andere.
Ärger bedeutet für den Körper Stress pur und kostet Energie. Kraft und Motivation, die man dringend braucht, um den Weg zu meistern, der noch vor einem liegt.
Das kann besonders fatal werden, wenn man gar nicht so genau weiß, wie viel Kilometer man noch vor sich hat bis zum Ziel. Weil grade die Orientierung schlapp macht, weil man vom geplanten Weg abgekommen ist oder sich verlaufen hat. Dann zählt jede Einheit in den Energiespeichern, deren die Muskelzellen habhaft werden können.
Wanderer haben es selbst in der Hand, ihre Kräfte sinnvoll und klug einzusetzen. Wertvolle Ressourcen für Ärger verplempern, ist unverantwortlich gegenüber sich selbst.
2.) Entscheidungen kopflos treffen
Unerwartet in einer Sackgasse zu landen, wo man doch glaubte auf dem richtigen Weg zu sein, kann einem aber auch ärgern. Das fängt damit an, dass die Mundwinkel nach unten klappen, die Augenbrauen hochgezogen werden und sich leichte Verstimmung breit macht.
Besonders unerfahrene Wanderer, die noch nicht so sicher darin sind, eigene Wege zu gehen, laufen leicht Gefahr, die Krise zu kriegen und unüberlegte Entscheidungen zu treffen.
Zum Beispiel sich vom Ende des Weges nicht aufhalten zu lassen. Man geht weiter durch den Wald, durch die Wiese über eine Brache. Wenn man Glück hat, landet man irgendwann wieder auf einem richtigen Weg. Wenn man Pech hat, in undurchdringlichem Gestrüpp.
Von Dornen verschrammte Beinen und zerrissenen Hosen lassen sich verschmerzen. Steile Hänge im Wald können allerdings schon gefährlich werden. Äste, umgefallen Baumstämme, vom Laub verdeckte Mulden sind Stolperfallen. Man kann sich richtig verletzen.
Zugegeben: Manchmal ist ein Weg, wo ein Wille ist. Vorausgesetzt sind Sicht, machbares Gelände, gute Orientierungsfähigkeit [noch besser: sichere Ortskenntnis] und körperliche Fitness.
Übrigens: Aufgrund von Tier- und Naturschutz kann es im Wald verboten sein, die Wege zu verlassen.
3.) Öl ins Feuer gießen
Unvermittelt vor einem unüberwindbaren Hindernis zu stehen, verunsichert die meisten Menschen im ersten Moment. Das ist ganz normal. Man fühlt sich wie vor den Kopf gestoßen und steht wie der Ochs vorm Berg.
Insbesondere Wanderer mit hohem Sicherheitsbedürfnis müssen jetzt unbedingt auf ihren Selbstumgang achten.
Sich mit Selbstvorwürfen und Selbstzweifeln zusätzlich zum Ärger runtermachen, triggert unser Stress- und Angstsystem an. Diese Reaktionsweisen sind wie Öl ins Feuer gießen. Aus einem kleinen Funken entsteht ein Flächenbrand, der nur noch schwer unter Kontrolle zu bekommen ist.
Auch wenn man von Natur aus kein ängstlicher Typ ist, kann Ärger in einem Moment der Ungewissheit die Alarmglocken im Gehirn antriggern. Aus leichter Verunsicherung wird dann ganz schnell richtiger Stress – mit den oben bereits genannten Folgen.
Vorsicht ist auch geboten beim Wandern zu zweit oder in Gruppen: Aus Ärger über sich oder über andere mit Vorwürfen zu reagieren, Besserwisserei an den Tag zu legen oder rumzumotzen, facht ebenfalls das Stresssystem an – bei uns selbst und den Mitwanderern — und ist deshalb den genannten Gründen unbedingt zu vermeiden.
So verhindern Sie, dass Sackgassen zur Frustfalle werden
Klar ist: Wer frei und unabhängig wandern will, muss Sackgassen mit auf die Rechnung setzen.
Mit Sackgassen ist man meistens unerwartet und unvorbereitet konfrontiert. Nicht nur dem unerfahrenen Wanderer steigt hier der Puls. Auch der coolste Zeitgenosse sieht schnell rot, wenn er erkennt, vergeblich Zeit und Energie verschwendet zu haben. Zumal, wenn man eh mit den Kräften schon am Limit ist.
Sich ärgern und sich selbst oder Mitwanderer unter Druck setzten, führt in solchen Fällen zu rein gar nichts. Im Gegenteil!
Machen Sie sich klar: Sackgassen sind kein Labyrinth, sind keine Falle, die zuschnappt und einen nicht mehr freigibt. Sie sind auch kein „way of no return“!
Der Ausweg liegt bloß eine 180 Grad Drehung um die eigene Achse herum entfernt.
Deshalb gilt bei Sackgassen: Gelassen bleiben. Entschlossen auf dem Absatz kehrtmachen und ruhig zum Hauptweg zurück gehen.
Die gute Nachricht: Sackgassen sind im Mittelgebirge kurz. Man geht nicht kilometerweit ins Nirwana, bis man ihnen Stunden später auf die Spur kommt.
Realistisch betrachtet sind es eigentlich oft nur wenige Minuten, die man im schlimmsten Fall auf die falsche Fährte gesetzt hat. Der Ausgangspunkt ist ruck zuck wieder erreicht.
Auch im schlimmsten Fall sind Sackgassen kein Grund, wie das HB-Männchen an die Decke zu gehen.
Sackgassen sind kein Hinderungsgrund für selbstbestimmtes Wandern und auch kein Beinbruch, wenn man mal die Orientierung verloren hat.
Vorausgesetzt man reagiert besonnen auf sie!
[Übrigens: Wenn Sie Unterstützung brauchen, um ihren Ärger in den Griff zu bekommen, dann ist mein Allein-Wandern-Training möglicherweise ein Tipp für Sie. Dabei üben wir zusammen gezielt, ungute Emotionen, wie Ärger und Ängste zu regulieren.]
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