Was will der Bergwanderer in den Bergen? Na, ich denke im Wesentlichen liegen ihm dieses Aspekte am Herz: Ausblick, schmale Pfade, Wind um die Nase, fordernde Passagen, um sich den Stress aus den Knochen zu arbeiten, die konzentrierte Kraft und Klarheit des Steins, die Ruhe über allem zu sein, Weitblicke.
All‘ das findet sich nicht nur in den Alpen, sondern auch im Mittelgebirge. Weniger wild und steil als im Hochgebirge, klar. Jedoch mit genug Auf und Ab, für zum Reinkommen ins Bergwandern. Oder für die schnell erreichbare Auszeit am Wochenende.
Zum Beispiel im Hohen Westerwald, wo ich am vergangenen Wochenende mit 19 anderen Bloggerwanderern [zum Bloggerwandern werde ich einen eigenen Bericht schreiben] auf dem Westerwald-Steig unterwegs war.
Mit rund 660 Metern am höchsten Punkt [Fuchskaute] ist der Hohe Westerwald eher ein sanfter Vertreter der deutschen Mittelgebirge. Er ist Teil des Rheinischen Schiefergebirges, das an anderer Stelle ausgeprägtere Höhen aufweist. Der Taunuskamm im Süden mit rund 880 Metern erinnert von hier aus gesehen ein ganz klein wenig an die Gebirgskette der Alpen, die man z.B. vom Feldberg im Schwarzwald aus erkennt. Nur die weißen, schneebedeckten Gipfel fehlen natürlich. ;-)
Meinem Berggefühl tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil: Der Blick von der Marienberger Höhe, wo wir im Wildpark Hotel Quartier bezogen hatten, ist gigantisch. Die Steig-Alm um die Ecke urig und gemütlich.
Aber nicht allein die Ausblicke überraschen im Hohen Westerwald, sondern das viele Wasser. Damit meine ich nicht das Wetterbedingte von oben, sondern die angenehme Variante in Form ausgedehnter Seen.
Doch eins nach dem anderen!
Steig durch die grüne Oase
Der Westerwald-Steig ist ein 235 km langer Qualitätswanderweg mit 16 abwechslungsreichen Etappen. 48 Kilometer davon haben wir auf eigenen Beinen durchwandert (Etappen 4 bis 6]. Vom Hofgut Dapprich auf der Westerwälder Basaltfläche bis zum Stöffel im Oberwesterwälder Kuppenland. An einem Tag wohlgemerkt [auch über die sportliche Seite dieser Wanderung werde ich in einem eigenen Bericht erzählen].
Wie gesagt: Der Hohe Westerwald ist eine eher gemütliche Mittelgebirgslandschaft. Die sanften Höhen und Tiefen im „W“ der Wegmarke des Westerwald-Steigs beschreiben das Terrain schon treffend. In der Regel befindet man sich immer schon ganz oben. Um raufsteigen zu können, heißt es erst einmal runter steigen.
Unsere Bergtour startete deshalb an der Dappricher Hütte [mit viel Holz, vorgezogenem Dach, rotweißem Karo und Wiesenblumen auf den Tischen] mit einem Abstieg in die Holzbachschlucht.
An Wasser von oben mangelt es derzeit nicht. Der Holzbach ist gut gefüllt und rauscht was das Zeug hält. Über schmale, wurzelige Pfade geht es runter ans Wasser. Und dann das erste Mal so richtig bergauf. Insgesamt 960 Höhenmeter rauf und 870 Höhenmeter runter werden wir am Ende des Tages überwunden haben.
Im ersten Abschnitt überwiegt Wald. Typisch für diese Gegend ist der Hallenwald. In weiten Abständen ragen kräftige, glatte Stämme alter Buchen zum Himmel. Ihr feines Blattwerk prägt den Blick nach oben. Die Westerwälder nennen ihr Land vielleicht auch deshalb „Grüne Oase“.
Wir gehen auf der Höhe. Immer wieder tun sich Aussichtspunkte auf. In der zweiten Hälfte der Wanderung, so ab Brandscheid, sind wir weiterhin oben, wechseln jedoch überwiegend in offene Wiesenlandschaften. Dieses offene Land liegt mir persönlich sehr. Obwohl wir einer gut markierten Route folgen, stellt sich bei mir das typische Übers-Land-laufen-Wandergefühl ein.
Seenplatte mitten im Mittelgebirge
Bei Freilingen kommt dann das oben erwähnte angenehme Wasser ins Spiel. Wir passieren nacheinander den Postweiher, den Brinkenweiher und den Dreifelder Weiher. Wir durchwandern das Naturschutzgebiet der Westerwälder Seenplatte. Mit kleinen Buchten, Holzbrücken und Schilfhainen am Uferweg. Unmittelbar vor Dreifelden wähne ich mich einen ganz kurzen Augenblick an einer der Seen im weit entfernten Brandenburg.
Dann geht es auf einem schmalen, kurvigen Erdweg unter Laubbäumen an der idyllischen Wied entlang, wir queren sie über große Bachsteine und wandern weiter über den Welterstein rauf zur Alpenroder Hütte auf dem 513 m hohen Gräbersberg.
Vom Basalt des Kuppenlandes ist natürlich nichts zu sehen. Alles vom Grün überzogen. Erst am Ziel unserer Tour wird sich die Erde auftun und Einblick ins Gestein gewähren.
Basaltkuppe mit urzeitlichem Gleitflieger
Die Tour endet wie sie begonnen hat: Mit einem Abstieg. Über 4 Kilometer gehen wir stetig durch Wald und Wiese runter nach Enspel.
Das Örtchen liegt am Fuße des Stöffels –einem ehemaligen Basaltkegel, der in grauer Vorzeit bis zu einer Höhe von 492 Meter aufstieg. Davon ist nicht mehr viel übrig. Erosion und industrieller Basaltabbau haben ihn über die Zeit auf rund 80 Meter geschrumpft. Im Loch des Bruchs liegt der Industrie-Erlebnispark Stöffel. Ein Eldorado für Kultur- und und outdooraktive Menschen. Von Klettern an der Brecherwand über MTB-Rennen durch die alte Schmiede bis zu Kunstausstellungen bietet das Freilichtmuseum in der Kulisse einer verlassenen Goldgräberstadt alles was das Herz begehrt.
Der Stöffel ist Namensgeber der Stöffelmaus, die hier bei Ausgrabungen zu Tage kam. Der erste Skelettfund eines Kleinsäugers einer ausgestorbenen Nagerfamilie. Das Tierchen aus dem Tertiär war Gleitflieger. Kein Wunder also, dass mich die lebensnahe Rekonstruktion an die Ausrüstung waghalsiger Wingsuit-Akrobaten erinnert.
Apothekergarten auf 470 M. ü. NN.
Der Westerwald-Steig touchiert mit der 7. und 8. Etappe Bad Marienberg. Der Ort am Fuße der Marienberger Höhe liegt auf 470 M. ü. NN. und hat im Winter sogar einen Skilift. Die Kurstadt ist Spezialist für Wildkräuter. Der Apothekergarten mit einer riesen Auswahl an Heilkräutern wird liebevoll von Iris Franzen gehegt und gepflegt. Sie hat den Spitzwegerich parat zum Mildern des Juckreizes bei Insektenstichen, erklärt uns, wie man Brennnesseln anfasst ohne sich zu verbrennen [von unten nach oben] und erzählt, dass Mädesüß den Wirkstoff Aspirin enthält. Tatsächlich erinnert der Duft dieser Pflanze an Heftpflaster.
Angesichts des Wandermarathons hat die Kräuterfrau natürlich besonders das Wohl unserer Wanderfüße im Blick. Im alten Pfarrhaus [heute Sitz der Touristeninformation] verarbeiten wir deshalb Salbei aus dem Apothekergarten mit Salz und Natron zu einem Fußbadesalz. Später massieren wir unser wichtigstes Werkzeug für unser Vorhaben auf dem Barfußpfad und waten anschließend wie die Störche durch eiskaltes Wasser im Kneippbecken.
Und wo ist jetzt der Basalt im Basaltland? Überwiegend ist der schwarze, harte Stein natürlich von der Erde verdeckt. Zu Tage tritt er in zahlreichen alten Basaltbrüchen. Bad Marienberg hat einen in ein Geotop umgewandelt. Im Basaltpark stehen die typischen fünf-oder sechseckigen Säulen in allen Größen rum. Bestimmte Witterungen haben jedoch auch riesen Basaltkugeln geformt.
Wir sind bequem mit dem Bus von Bad Marienberg zum Einstieg unserer Wanderung transferiert worden. Maya, von der Westerwald-Touristik, versicherte mir, dass viele Gastgeber im Westerwald gerne ihre Gäste an den Steig bringen und am Etappenziel auch wieder abholen. Außerdem gibt es Arrangements speziell für den Westerwald-Steig, die den Transfer automatisch beinhalten.
Dieser kleine Terrainbericht gibt meine persönlichen Eindrücke vom Westerwald-Steig im Hohen Westerwald wieder. Verkürzt, fokussiert, in Ausschnitten, wie es dem Charakter eines Eindrucks entspricht. Was mir eben im Hirn hängengeblieben ist.
Mein Anspruch an diesen Blogpost wäre erfüllt, wenn er die Neugierde meiner Leser weckt und sie motiviert sich auf zu machen und die Landschaft im nördlichen Rheinland-Pfalz selbst zu entdecken. Viel Spaß dabei!
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