Wer in die Berge geht, sucht Rückzug, Ruhe und will der Menschheit für einige Zeit den Rücken kehren. Viele nehmen dafür weite Wege in Kauf. Manchmal sogar bis in den Himalaya, auf das Dach der Welt. Aber das ist doch völlig übertrieben, finde ich. Was ein Stress für ein bisschen Ruhe!
Himalaya gibt’s auch vor der Haustür. Über 7000 Meter weiter unten! In den heimischen Bergen. Hier ist der Rückzug viel stressfreier. Man kann ihn praktisch jederzeit haben, wenn man ihn braucht. Das Dach der Welt liegt einem so zu sagen vor den Füßen. Sogar an einem ganz gewöhnlichen Mittwoch, wie neulich auf einer meiner Trainingstouren für den Wandermarathon.
Das Gonsbachtal schlief noch als ich losging bin. Selbst der 5.37 Uhr-Zug ins rheinhessische Wörrstadt war noch nicht unter der Brücke durch. Nur Ruhe und Vogelgezwitscher.
Oben auf dem Finther Berg kamen mir die Ersten entgegen. Sie wollten runter in die Stadt, ich heute in die andere Richtung. Über Rabenkopf, Roter Sand zum Mainzer Berg nach Ingelheim (15 km).
Übers Land wandere ich in der Regel von Dorf zu Dorf. Meistens gehe ich mit den Gassigehern und Joggern des einen Ortes raus und bin oft so früh unterwegs, dass mir später dann die vom Nachbarort entgegenkommen. Da sind dann auch schon Kinderwagenschieber und Rollatorfahrer dabei; weil es ja dann bereits weiter am Vormittag ist.
Zwischen den Ortschaften gibt es immer eine Passage, da bin ich ganz alleine. Sie beginnt, wo die Gassigehstrecke des einen Ortes endet und hört auf, wo die Gassigehstrecke des anderen Ortes beginnt.
Genau hier liegt die Grenze zur weiten Welt. Direkt vor der Haustür! Für ein paar Kilometer bin ich raus aus der Zivilisation. So ähnlich stelle ich mir die Abgeschiedenheit im Himalaya vor.
Himalaya? Wird völlig überbewertet. Um etwas Zeit mit mir selbst zu verbringen, tuns auch die heimischen Berge.
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