Wer nach Trainingsplan für eine Langstreckenwanderung trainiert, ist mindestens ein bis zweimal die Woche unterwegs. Nach vier, fünf Wochen kann einem da schon mal die Lust vergehen. Denn speziell ein Wandertraining ist recht aufwändig, vor allem, weil es unheimlich viel Zeit frisst. Dann auch noch jedes Mal die gleiche Strecke gehen, kann auf die Dauer ein echter Motivationskiller werden.
Wie Sie beim Zeitfaktor Land gewinnen, darüber habe ich neulich gebloggt. Die Wege zu variieren, ist eine andere Möglichkeit sich bei Laune zu halten.
Da ist guter Rat teuer. Denn bei einem Wandertraining ist man jede Woche unterwegs. Jede Woche muss ein neuer Weg her. Wohl dem Wanderer, der ein ausreichend großes und breites Portfolio an unterschiedlichen Wegearten in petto hat, aus dem er ohne großes Überlegen wählen kann.
Richtig. Deshalb stelle ich Ihnen hier 5 unterschiedliche Wanderwegearten vor, die ich selbst ausprobiert habe und aus der eigenen Erfahrung heraus für ein Langstreckentraining geeignet halte. Ich gebe Ihnen damit ein vielfältige Portfolio an die Hand, aus dem Sie die für Ihre Verhältnisse und Ihr Können passenden Varianten auswählen und damit experimentieren können. Sie bekommen damit Ideen, wie Sie das Training abwechslungsreich gestalten und gleichzeitig die Auswahl auf ihr persönliches Motivationsspektrum ausrichten. Denn welcher Weg motiviert, ist eine individuelle Sache: die einen brauchen zuverlässige Beschilderung, die anderem am liebsten so wenig wie möglich davon.
Am Ende des Textes berichte ich über meinen eigenen aktuellen Trainingsstand, wie gewohnt.
Fernwanderwege
Der große Vorteil von Fernwanderwege bei einem Langstreckentraining steckt schon im Namen: sie sind von ihrem Charakter und ihrer Infrastruktur her schon auf Distanz ausgelegt. Man braucht sich nicht mühsam die fürs Training erforderlichen Kilometer zusammenzustoppeln, sondern kann einfach einen passenden Abschnitt wählen. Auf der Strecke gibt es immer wieder Möglichkeiten der Einkehr und des Ein- und Ausstiegs, d.h. man findet immer Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr.
Außerdem stehen Fernwanderwege bundesweit [sogar europaweit = Training im Urlaub] in großer Auswahl zur Verfügung. Man kann quasi die passende Trainingsroute einfach aus einer Art Katalog auswählen. Gleichzeitig sind sie landschaftlich reizvoll und gut ausgeschildert; stellen also keine besondere Anforderung an die Orientierungsfähigkeit, so dass man sich gut auf das Gehen konzentrieren kann.
Tipps: Besonders interessant für ein auf eine bestimmte Distanz begrenztes Training sind Fernwanderwege, die parallel zu Bahnlinien verlaufen. Hier kommt man am einfachsten und schnellsten wieder zum Ausgangspunkt zurück, wo evtl. ein Auto für die individuelle Heimreise geparkt ist. In der Rhein-Main-Region sind das zum Beispiel der Rheinsteig und der Rheinburgenweg.
Fixpunkte für Ein- und Ausstieg sind natürlich die Bahnstationen. Da es für Fernwanderwege in der Regel eigenes Kartenmaterial gibt, kann man das wunderbar vorher zu Hause planen.
Geeignet für: Wanderer mit Fernwanderwegeerfahrung, die auch beim Training Natur und Landschaft genießen wollen und deshalb die Sicherheit einer zuverlässigen Wegmarkierung zu schätzen wissen.
Jakobswege
Als Jakobsweg (spanisch Camino de Santiago, galicisch: Camiño de Santiago) wird eine Anzahl von Pilgerwegen durch ganz Europa bezeichnet, die alle das angebliche Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Galicien (Spanien) zum Ziel haben. Von diesen Routen steht eine ausgedehntes Wegenetz auch in allen deutschen Regionen zur Verfügung. Jakobswege sind eine kulturell interessante Variante der Fernwanderwege. Sie führen an hübschen Kirchen, Wallfahrtsorten und historischen Wegkreuzen vorbei.
In der Regel sind sie gut ausgeschildert. Wegmarke ist eine charakteristische Muschel. Allerdings muss man schon gut die Augen offen halten. Bei meiner Jakobswegtour von Bingen nach Wörrstadt habe ich die Muschel irgendwann aus dem Blick verloren. Eine zusätzlich Orientierung mit dem Kompass und vorbereiteter Peilung sowie eine Wanderkarte im Maßstab 1:25.000 halte ich hier für absolut sinnvoll.
Tipps: Wie gesagt: zusätzlich die Orientierung mit Karte und Kompass sichern. Außerdem ist es ratsam, die Tour vorher genau auf der Karte zu planen. Entscheidend ist natürlich auch hier die Infrastruktur des öffentlichen Nahverkehrs. Sprich Bahnstationen oder Bushaltestelle. Wobei bei Bushaltestellen zu bedenken ist, dass diese auf dem Land manchmal nur zweimal am Tag angefahren werden: nämlich vom Schulbus! Sich von einem Partner auf Abruf mit dem Auto abholen zu lassen, ist ebenfalls immer eine Option [Handy mit vollem Akku ist Voraussetzung].
Geeignet für: Wanderer mit kulturellem Interesse, die sich mit Karte und Kompass [meinetwegen auch GPS] auskennen und denen deshalb eine mehr oder weniger zuverlässige Wegmarkierung als Sicherheit ausreicht.
Rundwanderwege
Auch in Sachen Rundwanderwege steht dem trainierenden Wandersportler ein komfortables Portfolio an brauchbaren Wegen zur Verfügung. Insbesondere die zertifizierten Premiumwege werden in der Regel mund- bzw. fuß- und augengerecht serviert. Auf der Website des Deutschen Wanderinstituts sind sie nach Bundesland und Kilometerangabe gelistet. Die Auswahl gestaltet sich leicht. Man muss einfach nur zugreifen.
Premiumwege tragen klangvolle Namen, die schon allein damit neugierig machen: zum Beispiel Traumschleife, Hiwwelroute oder Entdeckertour. Sie sind unverlaufbar ausgeschildert. Man braucht nur den Markierungen folgen, die alle paar 100 Meter zuverlässig auftauchen. Tun sie das nicht, ist das ein sicheres Zeichen, dass man einen Abzweig verpasst hat.
Wenn man über ein Auto verfügt, sind Rundwegen in Bezug auf die An- und Abreise unschlagbar: das eigene Gefährt steht jederzeit abfahrbereit am Ziel.
Geeignet für: Wanderer, die Abwechslung wollen, aber keine große Lust haben zu planen und die Sicherheit einer zuverlässigen Wegmarkierung zu schätzen wissen.
Stadtwege
Stadtwandern ist eine ganz eigene Art zu Fuß unterwegs zu sein. Ich persönlich nutze sie beim Wandertraining, um den Zeitfaktor in den Griff zu bekommen: freitags gehen ich vom Büro aus zu Fuß nach Hause.
Ein Wandertraining in der Stadt bietet unbegrenzte Möglichkeiten und Flexibilität. Je größer die Stadt um so mehr. Einfach, weil man eigentlich von jedem Punkt relativ einfach mit Bus, Straßen- oder S‑Bahn wieder nach Hause kommt.
Sofern man in der Heimatstadt wandert, ist auch keine besondere Orientierungsfähigkeit gefragt. Klar kann man sich auch in der eigenen Stadt verlaufen, wenn man in unbekannten Vierteln unterwegs ist. Aber das kann man getrost riskieren; im Notfall steht das nächste Taxi gleich um die Ecke und Handempfang ist garantiert. Ein Stadtplan hilft in der Not.
Das Wandertraining in der Stadt muss nicht groß geplant werden. Man geht von der eigenen Haustür einfach los, folgt der eigenen Nase und stoppt, wenn das Trainingspensum erreicht ist.
Tipp: Der einzige Nachteil beim Stadtwandern ist der Asphalt unter den Wanderschuhen. Das kann insbesondere bei langen Strecken auf die Gelenke und die Fußsohlen gehen. Mein Tipp: durch Parks und Stadtwald gehen und so harte Passagen mit weicheren Untergründen kombinieren.
Geeignet für: Wanderer, die Ihre Stadt besser kennenlernen möchten, die vor Ihrer Haustür starten wollen, und die Tour jederzeit (auch vorzeitig) beenden können wollen und sich keinen großen Kopf machen wollen, wie sie wieder nach Hause kommen. Kurz: für neugierige Planungsmuffel.
Querfeldein-Strecken
Jetzt komme ich zu meinem persönlichen Favoriten bei den Trainingsstrecken. Die Querfeldein-Routen. In Sachen Flexibilität, Abwechslung und Motivationspotential [für die Zielgruppe!] kommt keine der oben genannten Varianten an diese Form zu wandern ran. Mit querfeldein meine ich: Ich wähle Ausgangspunkt und Ziel völlig nach eigenem Belieben. Ich kann Region, Landschaft und Terrain frei nach meinen Bedürfnissen wählen.
Diese Art Wandern zu trainieren, erfordert entweder hohe Risikobereitschaft [bezgl. Irrwege und Verlaufen] oder sehr gute Orientierungsfähigkeit. Karte lesen, nach Kompass gehen sollten bereits in Fleisch und Blut übergegangen sein. Kennt man sich im Großen und Ganzen in der Topografie der Gegend aus, d.h. man weiß in jedem Moment wenigstens ungefähr wo man genau steht, ist das ein zusätzlicher Pluspunkt.
Beim Querfeldeinwandern sollte man bereit sein, spontan vor Ort unkonventionelle Wege zu gehen. Beispielsweise über die Wiese abzukürzen, wenn es Lage und Kondition erfordern.
Da man in der Wahl der Strecke nicht auf eine bestimmte Route festgelegt ist, kann man Einstiege und Ausstiege genau auf die in der Trainingsregion vorhandene Verkehrsinfrastruktur abstimmen. Übrigens kann man natürlich auch eigene Rundwege planen!
Geeignet für: Wanderer die es lieben zu planen, zu organisieren und sich zu orientieren. Die sich in ihrer Heimatregion Pi mal Daumen auskennen und keine Scheu davor haben, auch mal schmutzig zu werden und Hindernisse zu überwinden.
Noch ein Wort zum Thema Verpflegung: Ich bin eher der Typ Rucksackverpflegung. Zu Hause schmieren ich mir ein Brot, packe kleine Energiebars ein oder kaufe mir unterwegs beim Bäcker leckere Rosinenbrötchen. Deshalb habe ich dem Thema Verpflegung in diesem Text keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Ausreichend Essen und vor allem Trinken [ganz besonders im Sommer] setze ich als selbstverständlich voraus.
Zum Abschluss meines Tipptextes zum Thema Wandertraining berichte ich wie gewohnt kurz über den Stand der Dinge meines eigenen Trainings für den Wandermarathon im Juni 2016 im Westerwald.
Seit dem letzten Bericht sind gute sechs Wochen ins Land gegangen. Bis zum Wandermarathon sind es noch fünf Trainingswochen.
Seit Anfang April habe ich in vier Wochen meinen Trainingsplan haargenau umgesetzt. Zwei Wochen musste ich aussetzen: Erkältung mit Halsweh und ein Vortrag zum Thema Dranbleiben bei Veränderung [haha] forderten ihren Tribut. Mein Wochenpensum habe ich langsam aber stetig auf rund 36 Kilometer hochgeschraubt.
Die passenden Strecken sind für mich gar kein Problem. Ich wandere meistens querfeldein und habe ständig neue Ideen. Das Portfolio für die letzten Trainingswochen ist gut gefüllt.
Das Trail Running dagegen habe ich vorläufig auf ein Minimum runtergefahren. Nach dem Wandermarathon werde ich mich wieder darauf konzentrieren, um für den FunTrail in der Pfalz im Herbst fit zu sein.
Beim Heimwegwandern vergangenen Freitag habe ich mir das erste Mal eine Blase gelaufen. Das lag am vielen Asphalt [Stadtwanderung], vor allem aber an den falschen Schuhen. Es waren zwar Sportschuhe, ich hatte fest geschnürt, trotzdem bin ich offenbar unmerklich drin herum gerutscht. Die Reibung hat die Haut arg gereizt.
Die nächsten Schritte
Diese Erfahrung mit den Schuhen lenkt meine Aufmerksamkeit bei den Vorbereitungen auf das Thema Ausrüstung. Was die Schuhe betrifft, experimentiere ich mit Trail Running-Schuhen und meinen Barfuß-Wanderschuhen. Letztere sind durch die viele Querfeldeinwanderei und das feuchte Wetter ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden. Zweimal sind sie völlig durchnässt worden und mussten in diesem Zustand weite Strecken aushalten. Das geht an keinem Schuh spurlos vorbei. An meinen Füßen und meinem Kopf auch nicht. Nasse Füße sind auf die Dauer total nervend; auch im Sommer, wenn es relativ warm ist. Trocken funktionieren die Schuhe zwar noch, aber an einigen Stellen lösen sich die Nähte sich auf. Ich überlege, noch vor dem Wandermarathon ein neues Paar anzuschaffen. Vorher will ich noch einmal die Trail Runner beim Wandern testen. Mit dem Neukauf will ich aber nicht mehr allzu lange warten, die Dinger müssen ja auch noch eingelaufen werden bis zum WesterwaldSteig-Wandermarathon im Juni!
Ich wünsche mir, dass Sie von meinen Erfahrungen bei Ihren eigenen Wanderprojekten profitieren.
Wie immer gilt: Machen Sie es sich passend!
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