Was Rundwege bet­rifft, sind Manuel Andrack und ich unter­schiedlich­er Mei­n­ung. Trotz­dem habe ich in sein neuestes Buch rein­ge­le­sen: Schritt für Schritt — Wan­derun­gen durch die Welt­geschichte.” Das Buch ist das Ergeb­nis von zusam­men wan­dern.  Andrack hat sich dafür Mit-Geher gesucht.

 Eines der schön­sten Dinge beim Zu-Fuß-unter­wegs-Sein sind die per­len­den Gespräche mit den Men­schen, mit denen man geht.”

Aus diesen Wan­derge­sprächen auf mehr oder weniger his­torischen Wegen sind 16 Geschicht­en entstanden.

Drei habe ich gefun­den, die mich ansprechen. Diese skizziere ich stel­lvertre­tend für die weit­eren auf meine Art:

Wenn der Nean­der­taler Hunger hat
Darin habe ich gel­ernt, dass Nean­der­taler jeden Tag zwis­chen 25 und 30 Kilo­me­ter gegan­gen sind. So wie ich ger­ade jeden Mittwoch für mein Train­ing für den Wan­der­marathon im Juni. Außer­dem habe ich erfahren, dass Fit­nesstrainier und Mit­tel­streck­en­läufer nicht unbe­d­ingt geübte Wan­der­er sind. Inter­es­sant: Was heute als Paläo-Essen gilt, hat­ten die Nean­der­tal in vie­len Fällen gar nicht auf dem Speise­plan. Außer­dem, dass ein Tal nicht unbe­d­ingt nach dem Bach benan­nt sein muss, der es geschaf­fen hat.

Ein Wan­der­a­n­ar­chist und die Schwedenlöcher
Das ist in diesem Buch meine Lieblings­geschichte. Darin habe ich davon erfahren, dass die Nation­al­parkver­wal­tung der Säch­sis­chen Schweiz über 80 Prozent der tra­di­tionellen Wan­der­wege ges­per­rt hat. Wenn man dort wan­dert und vom Ranger erwis­cht wird, kriegt man einen Knollen. Manuel Andrack ist mit einem Wan­der­er unter­wegs, der die ver­bote­nen Wege ken­nt und geht. Das imponiert mir! Außer­dem wird über den 30-jähri­gen Krieg berichtet. Der ist mir wegen Brechts Mut­ter Courage nahe. Keine Ahnung warum, aber die Frau und ihre Geschichte sind bei mir hän­genge­blieben aus dem Deutschunter­richt. Wegen ihres Mutes?

Der Flüchtlingstreck am Gren­züber­gang Hanging
Klar, dass diese Geschichte bei mir offene Ohren find­et. Andrack ist an die Gren­ze gefahren, hat sich die Sache vor Ort mit eige­nen Augen angeschaut, hat mit den Flüchtlin­gen gesprochen und ist mit ihnen die let­zten Meter ins gelobte Land“ gewan­dert. Ich habe gel­ernt, welche Streck­en die Flüchtlinge tat­säch­lich zu Fuß gegan­gen sind und warum. Eine inter­es­sante, weil authen­tis­ch­er Augen­zeu­gen­bericht, eine Momen­tauf­nahme wie es im Som­mer 2015 an der deutschen Gren­ze in Bay­ern tat­säch­lich zuge­gan­gen ist.

Ins­ge­samt enthält das Buch also 16 Geschicht­en auf 312 Seit­en inkl. Fotos und Lit­er­aturver­weise [Fun­dus für Inter­essierte]. Die Grun­didee dieses Buch­es ist es, in jed­er der klas­sis­chen Schul­buchep­ochen (…) nach einem mehr oder weniger typ­is­chen Weg Auss­chau zu hal­ten. Die Geschicht­en deck­en die Zeit von 40 000 v. Chr. (Nean­der­taler) bis 2015 (Flüchtlingstreck) ab.

Manuel Andrack schreibt unter­halt­sam; manch­mal ein kleines biss­chen zu spaßig. Er kriegt aber immer wieder die Kurve, so dass ich drange­blieben bin. Da der Autor ein bre­ites Spek­trum an Geschichte und Herange­hensweisen abdeckt (Fußball und Römer kom­men auch vor), gehe ich davon aus, dass ins­beson­dere geschichtlich inter­essierte Wan­der­er hier auf ihre Kosten kom­men. Da es bei mir immer auch ums Ler­nen geht: Ja, ler­nen kann der Leser hier auch einiges. Habe ich ja an den sub­jek­tiv aus­gewählten Beispie­len oben demon­stri­ert. Nur ganz wichtig: Andrack wan­dert zwar, aber darum geht es in DIESEM Buch vorder­gründig nicht. Das ist ok. Das ist legitim.

Allerd­ings bin ich an einem Punkt dann doch wieder mit Andrack uneins: Die Nean­der­taler seien gewan­dert, um zu über­leben. Geschenkt! Für uns mod­erne Men­schen sei Wan­dern jedoch eine nette Freizeitbeschäf­ti­gung, zieht er am Ende der Nean­der­taler­sto­ry Resümee. Das sehe ich anders. Ich bin der Mei­n­ung, auch heute ist Gehen über weit­ere Streck­en (inkl. Rundwege) ein Über­lebens­fak­tor. Nur das Motiv hat sich geän­dert. Es geht nicht mehr um Nahrung und Schutz. Vielmehr geht es um eine sin­nvolle Möglichkeit, das natür­liche Bedürf­nis nach Neuem [geistige Nahrung] und Bewe­gung zu stillen. Geistige Nahrung? Moment. Ah! Durch die Hin­tertür ver­passt Manuel Andrack mit diese Buch dem Wan­dern doch einen Zweck: Geschichte wan­dernd nachempfind­en. Auch in Ord­nung. So weit sind wir dann doch nicht von einan­der entfernt. ;-)

Andrack, Manuel: Schritt für Schritt — Wan­derun­gen durch die Welt­geschichte”, Malik-Ver­lag, 2016

Sie erhal­ten dieses Buch in ihrer Buch­hand­lung vor Ort und auf der Web­site des Verlags.