“Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine Kräfte auszubilden, noch die Frucht derselben zu genießen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.” (Wilhelm von Humboldt)
Die meisten bleiben still oder reagieren verhalten, wenn ich dieses Zitat zum Beispiel auf Facebook poste. Das tue ich immer mal wieder, weil ich finde, das darin so viel von dem drin steckt, was mir bei meiner Arbeit wichtig ist.
Liegt es daran, dass das Wort “Sicherheit” zu schwammig ist? Liegt es daran, dass Sicherheit und Freiheit auf den ersten Blick widersprüchlich klingt? Zugegebenermaßen kann man sich ja Einiges darunter vorstellen: Halt, Geborgenheit, Schutz, Rutschfestigkeit, Selbstsicherheit aber auch Routine, Langweile, Spießigkeit, uncool, festhaltend, bremsend, unflexibel.
Humboldt meinte vermutlich Sicherheit für Leib und Seele.
Ich verstehe Sicherheit hier und in meinen Praxiscoachings im Sinne von Halt für Kopf und Körper: konkretes Wissen, Verlässlichkeit, spürbar festen Boden unter den Füßen.
So in der Art: Ich weiß, was ich tun muss, wie ich mich in der und der Situation verhalte, damit mir nix passiert. Ich weiß, dass ich mich auf meinen Wanderpartner, meinen Coach, verlassen kann. Oder beim bergab Gehen: Mein einer Fuß steht vor dem nächsten Schritt fest auf dem Boden, bevor ich den anderen nachziehe.
Ich mach mal drei konkrete Beispiele mit Bezug zum Wandern, damit noch greifbarer wird, wie ich Humboldts Worte verstehe.
Wenn ich beim bergab Gehen total wackelig auf den Beinen bin, weil mir zum Beispiel die Knie weh tun: Fühle ich mich dann frei? Kann ich dann genießen, mich zu bewegen? Wohl eher nicht. Wenn ich aber weiß, wie ich mit der richtigen Körperhaltung und Gehtechnik Sicherheit in diese knifflige Situation rein bringe, sieht das schon anders aus, oder?
Wenn ich total schwindelig am Berg bin, weil ich unter Höhenangst leide: Fühle ich mich dann frei? Kann ich das Bergwandern genießen? Wohl kaum. Wenn ich aber gelernt habe, wie ich meine Emotionen regulieren kann und damit Sicherheit in diese knifflige Situation rein bringe, sieht das schon anders aus, oder?
Wenn ich angespannt durch den Wald haste, weil ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, wenn Wildschweine auftauchen: Fühle ich mich dann frei? Kann ich dann die Natur genießen? Wohl eher weniger. Wenn ich aber weiß, wie Wildschweine auf Menschen reagieren und wie ich mich entsprechend verhalte und damit Ruhe in das Gedankengewitter in meinem Kopf bringe und mich sicherer, weil gewappnet, fühle, sieht das schon anders aus, oder?
Wenn ich mich unsicher fühle, weil die Situation angenommen oder wirklich unsicher ist, dann sind Kopf und Körper völlig damit beschäftigt, dieses ungute Gefühl abzustellen. Unsicherheit bindet Aufmerksamkeit. Zurecht! Von Freiheit oder Genuss kann da keine Rede sein. Umgekehrt erlebe ich bei meinen Praxiscoachings immer wieder, dass relevantes Wissen und adäquates Verhalten meine Kunden sicherer macht. Hintergründe und Strategien bauen Stress ab und setzen Ressourcen frei, eine Sache, ein Unternehmen zu genießen oder sogar etwas Neues auszuprobieren.
So gesehen, ist das gar nicht so blöd, was der Wilhelm von Humboldt gesagt hat.
Text wurde am 15.11.2015 veröffentlicht und dann überarbeitet.
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