Der Name Nationalpark weckt Bilder im Kopf. Weite, ursprüngliche Wälder, Ruhe vor dem Lärm der Zivilisation, Begegnung mit frei lebenden Tieren, erdige Wege und Pfade. Naturnahes, einsames Wandern; Wandern im Urwald eben.
Seit Neuestem hat Rheinland-Pfalz einen Nationalpark – den Hunsrück Hochwald. Eröffnet im Mai 2015. Als ich neulich nach einer Route für ein kleines Micro-Abenteuer mitten in der Woche suchte, kam mir der Hunsrück in den Sinn. Wenn es überhaupt Schnee in unserer Region gibt, dann ist das dort. Und bei dieser Gelegenheit könnte ich doch gleich den neuen Nationalpark erkunden, dachte ich mir, heimischen Urwald vor dem geistigen Auge.
Eine spezielle Wanderkarte zum Nationalpark habe ich auf Anhieb nicht gefunden. Eine eigene Strecke auszutüfteln fehlte mir Zeit. Es sollte auch keine allzu große Runde werden, da Schneewanderungen eh immer etwas länger dauern, die Anfahrt aus Mainz relativ lang ist und ich am Abend noch etwas vor hatte. Also habe ich das Internet befragt mit den Suchbegriff „Wandern Nationalpark Hunsrück Hochwald“. Damit habe ich ein paar Wege gefunden – wenige allerdings, bei denen auf Anhieb – also ohne große Recherche – klar ersichtlich war, dass sie tatsächlich unmittelbar im Nationalpark verortet sind. Von denjenigen mit eindeutigem Hinweis, wählte ich die Börfinker Ochsentour aus. Mit 10 Kilometern genau die Distanz, die ich mir vorgestellt hatte. „Natur pur, inmitten des Nationalparks gelegen, viele Pfade“ – die Beschreibung weckte meine Neugier.
Um es kurz zu machen: Die Wanderung hält, was die Beschreibung verspricht. Diese Runde ist wunderbar für eine naturnahe Winterwanderung im Schnee geeignet; darüber habe ich bereits geschrieben. Ich bin überzeugt, dass die Börfinker Ochsentour zu jeder Jahreszeit für Heimatwanderer ein Ass aus dem Ärmel zaubert. Die Wege waren intakt, d.h. nicht von Lastwagen oder Traktoren zerfurcht. Aber Urwald? Diesbezüglich erhielten meine — zugegeben naiven — Erwartungen einen Dämpfer.
Klar ist: Aus einem Wald wird in einem Jahr kein Urwald. Und von meinen Mittwochswanderungen her weiß ich, dass mitten in der Woche im Wald einiges los sein kann. Regelmäßig treffe ich Waldarbeiter und Förster bei ihrer Arbeit. Das war an diesem Mittwoch auf der Börfinker Ochsentour nicht anders. Ich habe damit auch null Probleme, wenn ich nicht gezwungen werde, wegen Sperrungen einen Umweg zu gehen. ;-)
Schon vom Wanderparkplatz aus, habe ich zwei Waldarbeiter ausgemacht, die gerade dabei waren, einen Baum zu zerlegen, der quer über dem Wanderweg lag. „Bisschen wie ein Parcours“, meinte der Mann mit der Motorsäge verlegen zu mir als ich näher kam. Über die Äste und Stämme zu steigen, ist für mich kein Thema. Die beiden waren sehr höflich und zuvorkommend. Sie unterbrachen ihre Arbeit, die Säge wurde ausgestellt bis ich diese Stelle sicher passiert hatte.
Ehrlicherweise habe ich mich bisher nur am Rande mit der Nationalparksidee beschäftigt. In meinem Kopf waren nur Stichworte hängengeblieben, wie Natur Natur sein lassen, Urwald, unberührter Wald. Und das passte doch irgendwie nicht zu dem, was ich da sah. „Na ja, bissl aufräumen und für die Sicherheit der Wanderer sorgen, müssen sie ja schon“, dachte ich zunächst und machte mir weiter keinen Kopf. Wie gesagt, ich bin solche Begegnungen gewohnt.
Später kam ich dann aber doch ins Grübeln: Um das Dorf Börfink waren deutliche Waldarbeiten mit schwerem Gerät in Gang. Die Motoren von PS-starken Greifern war weit über das Tal zu hören, noch bevor ich sie sehen konnte. Langsam dämmerte mir im Hirn etwas von Abstufungen, Zonen und dem Zorn der hiesigen Waldwirtschaft als der Plan aufkam, genau in ihrem Revier einen Nationalpark zu installieren. Die Aktivitäten, die ich beobachtete, könnten ein Zeichen für einen Kompromiss sein.
Zu Hause habe ich dann im Web recherchiert und fand meine Vermutung bestätigt: Der Nationalpark ist in drei Zonen eingeteilt. Ahnungslos wie ich bin, bin ich in einer der vier Enklaven des Nationalparks gelandet: Dazu zählen neben Börfink die Orte Muhl, Thranenweier und Hujetsägemühle. Rund um Börfink sind Pflegezonen. Hier sind Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen erlaubt. Sie dienen auch der Versorgung der Menschen mit Brennholz. Die Börfinker Ochsentour führt teilweise aber auch durch Naturzonen mit Wildnisbereichen.
Wieder was gelernt! Ich werde mich jetzt erst mal auf die Suche nach einer Nationalparks-Wanderkarte machen, mir die Zonierungskarte ausdrucken und anhand dieser beiden Materialien der Region urwaldmäßig auf den Zahn fühlen.
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