Aus­geschilderte Wan­der­wege sind lang­weilig. Jeden­falls wenn ich vom Wan­dern mehr will als Genuss, Entspan­nung und — ja —  gute Unter­hal­tung. Aus­geschilderte Wan­der­wege machen dur­chaus Sinn. Ver­ste­hen Sie mich nicht falsch! Auch ich folge hin und wieder gerne einem Wan­der­führer. Wenn ich ein­fach nur den Stress aus den Knochen gehen will, die Seele baumeln lassen möchte oder keine Lust auf Wo-gehts-lang-Diskus­sio­nen mit meinem Mann habe. ;-)

Der Hak­en: Aus­geschilderte Wege sind Wege, die andere ent­deckt haben. An diesem Hak­en lässt sich wun­der­bar die Geschichte aufhän­gen, wie ich mit Wan­dern her­aus­ge­fun­den habe, was ich wirk­lich will.

‪Ein wichtiges Motiv fürs Wan­dern ist für mich das Entdecken.

Kinderkram? Ich sage: Ur-Instinkt! Neugierde!

Wenn es nix zu ent­deck­en gibt, wenn meine Neugierde nix zu tun hat, dann wird mir schnell lang­weilig. Ich ver­liere den Antrieb.

Der Zusam­men­hang zwis­chen Neugierde und Moti­va­tion ist mir vor eini­gen Jahren in ein­er Moti­va­tion­skrise klar gewor­den. Mit 50 Jahren wusste ich plöt­zlich nicht mehr, was ich im Leben will. Und das war neu für mich. Bis dato wusste ich immer, was ich will. Stillstand.

Still­stand fühlt sich an, wie mit Kopf­schmerzen, dick­em Hals und Glieder­schmerzen im Bett liegen. Wer will das schon?! Es musste etwas passieren!

Erst dachte ich: Du brauchst Ziele. Also Ziele, wie mein Abitur, mein Hochschu­la­b­schluss, meine Fes­tanstel­lung usw. Damit hat es doch bish­er immer gut funk­tion­iert. Um Deine Moti­va­tion anzukurbeln, musst Du ein­fach nur neue Ziele set­zen, dann wird das mit dem Antrieb schon wieder klappen.

Ich grü­belte und grü­belte. Las schlaue Büch­er. Fragte andere Leute um Rat. Aber, wie sollen die wis­sen, was ich will, wenn ich es selb­st nicht weiß?

Ich drehte mich im Kreis.

Schließlich war ich rat­los und zer­mürbt genug, um mich auf eine ein­fache Lösung einzu­lassen: Pro­bieren geht über studieren. Mich selb­st beobacht­en und schauen, was meine Aufmerk­samkeit auf sich zieht. Was meine Neugierde weckt. Alles auf Anfang

In der dama­li­gen Sit­u­a­tion inter­essiert mich kaum etwas. Das war ja das Prob­lem. Wenig kon­nte mich hin­ter dem Ofen her­vor­lock­en. Mir wurde klar, dass ich erst etwas in meinen Kopf hinein­tun muss, um etwas her­aus­holen zu kön­nen. Sprich: Meinem Hirn neues Fut­ter geben. Die träge gewor­de­nen Sinne mit neuen Reizen zum Leben erweck­en. Aus­pro­bieren, welche Reize die Synapsen zum Funken brin­gen. Neue Erfahrun­gen sam­meln! Per­spek­tiven­wech­sel war angesagt.

Also: Raus aus dem Pott!

Um her­auszufind­en, was mich bewegt, musste ich meine gewohnte Umge­bung ver­lassen. Mich in Bewe­gung setzen!

Wan­dern war schon damals eines der weni­gen Dinge, die mir Spaß macht­en. Deshalb beschloss ich, ab sofort regelmäßig zu wan­dern. Ich hätte auch mit dem Rad fahren oder Reisen kön­nen. Haupt­sache Bewe­gung. Haupt­sache neue Räume, Land­schaften, Wege. Luftveränderung.

Weit­ere Erken­nt­nis: Um in Bewe­gung zu kom­men, brauchte ich gar nicht wis­sen, wo ich hin will. Kein Ziel. Tat­säch­lich reichte der Entschluss: Los­ge­hen und im Gehen bleiben. Stadt­wan­dern ist da prak­tisch. Ich trat aus der Haustür und ging los. Ich bin auch hin und wieder mit dem Auto Rich­tung Natur ges­tartet ohne genau zu wis­sen, wo ich wan­dern wollte. Spätestens auf der Auto­bahn entsch­ied ich mich intu­itiv für eine Wan­der­route. Inzwis­chen hat­te ich bere­its jede Menge neuer Karten in meinem Kopf gespe­ichert auf die ich intu­itiv zugreifen konnte.

Das Span­nende: Ein­mal in Gang, wurde ich qua­si zur Selb­stläuferin. Es war wie früher, wenn ich mein Auto einen Berg run­ter­rollen ließ, wenn der Motor nicht ansprin­gen wollte. In der Regel war ich kaum um die näch­ste Ecke, bis ich, oder bess­er gesagt, mein Gehirn Lunte gerochen hat­te. Der Motor war meine Neugierde.

Was in der Natur neugierig machen kann: Die Ruhe eines Buchen­walds, die inspiri­eren­den Far­ben ein­er Blu­men­wiese, ein form­schönes Bauw­erk, das Geheimnisvolle eines ver­schlun­genen Pfades, das entspan­nende Plätsch­ern eines Bachs, der san­fte, fed­ernde Boden eines Erd­weges, das aufre­gende Tosen eines Tobels, die Aus­sicht auf Weit­blick, die Her­aus­forderung eines Berggipfels, oder, oder, oder.…?

Mit diesem Exper­i­ment fand ich über die Zeit nicht nur her­aus, was mich inter­essierte, was mich bewegt. Son­dern immer wieder neue Wan­derziele. Am Anfang holte ich mir Inspi­ra­tion in Wan­der­führern. Schon da merk­te ich: Beschrei­bun­gen mit Wörtern wie: Berge, Pfade, Weite zogen mich magisch an.

Schon bald begann ich, die aus­geschilderten Wege nach eige­nen Wün­schen und Inter­essen zu vari­ieren. Durch ein Neubauge­bi­et laufen? Nö. Da gibt es doch einen Pfad. Mal schauen, wo der hin­führt. Irgend­wann brauchte ich keine Wan­der­führer mehr. Das Wan­derziel für die näch­ste Wan­derung fand ich oft schon auf der vorheri­gen Tour. Beschrieben habe ich das zum Beispiel hier. Das Tun brachte mich auf Gedanken. Weck­te Erin­nerun­gen und Sehn­süchte. Die Quelle für neue Tourenideen begann zu sprudeln.

Aber nicht nur die Wan­derideen began­nen zu sprudeln. Mit der Zeit bekam ich auch wieder eine Vorstel­lung, was ich mit meinem Leben anfan­gen möchte. Was ich will!!! Leben­sziele entwick­el­ten sich.

Die Entschei­dung für die Aus­bil­dung zur Sport-Men­tal­coach, der Wun­sch Moun­tain­biken zu ler­nen und die Idee Mehrtages-Wan­derun­gen zu wagen, sind Ziele, die sich aus meinen ver­gan­genen Wan­der­jahren entwick­elt haben. Auch meine ver­schüt­tete Lei­den­schaft für Fotografie habe ich auf diese Art und Weise wiederentdeckt.

Zurück zu den aus­geschilderten Wan­der­we­gen. Auf-Aus­geschilderten-Wegen-Wan­dern ist wie andere Leute fra­gen. Die Neugierde kommt nicht zum Zug! Die Kreativ­ität bleibt im Werkzeugkas­ten. Vorgegebene Wan­der­wege kön­nen allen­falls der Berg (die Inspi­ra­tion) sein, um Dich ins Rollen zu brin­gen. Aber spätestens wenn Du einem Weg denkst: Der nimmt ja kein Ende!”, ist es Zeit auf inneren Kom­pass umzuschal­ten: von der vorgegebene Rich­tung abzuwe­ichen, diesen Weg zu ver­lassen und der eige­nen Nase zu folgen.

Neugierde, die innere Kom­pass­nadel, funk­tion­iert über­all. In der Stadt, im Muse­um, auf dem Fried­hof oder in der Natur. Ich empfehle, im Slow Trav­el-Tem­po unter­wegs zu sein (zu Fuß oder mit dem Fahrrad) und damit frei zu sein, in jedem Augen­blick der eige­nen Neugierde zu folgen.

Wan­dernd Leben wagen.

Nur mal gucken!
Ich musste ein­fach durch dieses Gat­ter gehen! Her­aus­forderung ist ein­er mein­er Motivatoren. :-)