Tief­baumeis­ter Natur. Auf 1,4 Kilo­me­ter Länge fräst sich der Bach seit 10.000 Jahren in den Kalk­stein. Senkrechter Fels rechts und links. Die Wände sind bis zu 150 Meter hoch. Der West­turm der Mainz­er Kathe­drale mit seinen 82 Metern würde hier lock­er rein­passen. Wenn er nicht so bre­it wäre! Die Klammwände sind an manchen Stellen nur 2 Meter voneinan­der entfernt.

Grand Canyon vor der Haustür. Am oberen Ende der Felss­palte sind vor eini­gen Jahren 50.000 Kubik­me­ter Stein und Geröll abge­brochen. In etwa das Vol­u­men eines größeren Zep­pelins! Der Schutt staute das Wass­er. Es brach schließlich durch und stürzte in ein­er 35 Meter hohen Flutwelle durch den Canyon. Gut gefüllt ist die Klamm auch nach einem schneere­ichen Win­ter. Wie durch ein Fall­rohr schießt das Wass­er gute 15 bis 20 Meter hoch den Berg runter, lese ich auf einem Schild. Der höch­ste Wasser­stand ist ca. 10 Meter über unseren Köpfen am Fels markiert. Wir ste­hen auf einem Steg, der auf armdick­en Eisen liegt, die 10 Meter über dem Bach­bett in der Fel­swand ver­ankert sind. Die Spuren dieser Naturge­walt sind deut­lich zu sehen: Baum­stämme mit dem Durchmess­er ein­er aus­gewach­se­nen Eiche hän­gen quer. Sicherungs­gelän­der aus Met­all liegen im Bach­bett um haushohe Fels­brock­en gebo­gen. Auch über uns hän­gen Quad­er. Eingek­lemmt zwis­chen den sprung­bre­it voneinan­der ent­fer­n­ten Wän­den. Wie der Aben­teuer­spielplatz eines Riesen.

Die Besuch­er sehen wie Spielzeug­fig­uren aus. Angesicht der ton­nen­schw­eren Stein­massen über mir, wird mir mul­mig. Was hält sie eigentlich? Und wie lange noch? Ich bleibe immer wieder abrupt ste­hen. Staunend. Ungläu­big. Skep­tisch. Merke, wie mir der Atem stockt; ziehe unwillkür­lich den Kopf ein. Beim Hochschauen find­et mein Blick lange keinen Him­mel. Mir wird etwas schwindelig. Das Wort Höhenangst bekommt hier unten eine neue Bedeu­tung, kommt mir in den Sinn. Let­z­tendlich ver­traue ich den Betreibern, die allerd­ings immer wieder unmissver­ständlich klar machen, dass jed­er Besuch­er auf eigene Ver­ant­wor­tung hier durchspaziert. Ich greife also in mein Anti-Stress-Köf­ferchen und steige mutig weit­er hoch durch diese faszinierende und doch auch beängsti­gende Felsritze.