Ich schalte einen Gang zurück und lassen den Wagen sachte in die let­zte der drei Haar­nadelkur­ven gleit­en. Ich bin auf dem Weg vom Hun­srück­dorf Longkamp runter zum Mosel­städtchen Bernkas­tel-Kues. Die schmale Land­straße über­windet die 300 Höhen­meter zwis­chen Berg und Tal in aben­teuer­lichen Wen­den. Ob ich heute Abend auf der Rück­fahrt auch so ele­gant und ziel­ger­ade durch die engen Kur­ven komme? Bei Dunkelheit?

Egal. Jet­zt ste­hen erst­mal span­nende Stun­den auf dem Pro­gramm. Die Rhein­land-Pfalz Touris­mus GmbH hat mich und 19 weit­ere Wan­der- und Reise­blog­ger aus ganz Deutsch­land zum Blog­ger­wan­dern auf dem Mosel­steig ein­ge­laden. Die Anreise lief rei­bungslos­er als ich dachte. Die rund 100 Kilo­me­ter lange Fahrt von Mainz an die Gren­ze zwis­chen Hun­srück und Eifel dauerte ger­ade mal anderthalb Stun­den. Übern Huns­buck­el und schon ist man in ein­er anderen Landschaft.

Ich bin zu früh am vere­in­barten Tre­ff­punkt. Zeit für einen Spazier­gang an der Mosel. Anfang Mai steppt hier der Bär, kein Ver­gle­ich zu meinem let­zten Besuch im Novem­ber. In den Win­ter­monat­en kön­nte man an manchen Tagen nack­ig durch die Straßen gehen, bestätigt später der Stadt­führer meinen Ein­druck von damals. Heute wäre es ein pein­lich­es Unter­fan­gen. Fröh­liche Radler, Wan­der­er und Gäste ziehen durchs Städtchen.

Ein buntes Trüp­pchen hat sich auch vor der Grund­schule in Kues ver­sam­melt. Blog­ger­wan­der­er aus Nah und Fern lauschen der Begrüßung der Gast­ge­ber: alle­samt Touris­tik­er. Sie wollen uns heute ihr Land, ihre Region, ihre Stadt ans Herz leg­en. Karin, Jörg und Anne ziehen alle Register.

Auf dem Bus­trans­fer zum Mosel­steig passieren wir die umstrit­tene Hochmosel­brücke. Wir hören Details über die imposante Baustelle, die neugierig machen. Eine weltweit ein­ma­lige Bauweise kommt hier zum Zug. Die Inge­nieure schieben die Fahrbahn wie aus ein­er Zah­n­pas­tatube Stück für Stück auf die bis zu 160 Meter hohen Pfeil­er. 90 Meter Bun­desstraße ragen oben am Hang ein­drucksvoll ins Nichts. Trotz­dem: Die Anwohn­er hät­ten gerne auf diese Art Attrak­tion verzichtet, schiebt Jörg ehrlich hin­ter­her. In ihren Augen ist die Brücke ein Fremd­kör­p­er in der Landschaft.

Vom malerischen Starken­burg aus wan­dern wir auf dem Mosel­steig zur Ruine Greven­burg und weit­er nach Tra­ben-Tra­bach. Die 5 Kilo­me­ter lange Schnup­pere­tappe geht über schmale Pfade und steile Steige hoch über der Mosel. Kalt ist uns bald nicht mehr. Das Rauf und Runter bringt die Kör­per­heizung auf Trab. Es wird fotografiert, gepostet und getwit­tert, was das Zeug hält. Ich wan­dere mit Out­door­blog­gern. Klar. Ich staune über die Aus­rüs­tung: Akkus, um Smart­phones fernab von Steck­dosen aufzu­laden, Self­i­e­sticks und kleine prak­tis­che Kam­eras. In dieser Gesellschaft brauche ich beim Zück­en des Smart­phones jeden­falls kein schlecht­es Gewis­sen zu haben. Hier wan­dert jed­er mit min­destens irgen­deinem Gerät in der Hand; ohne das Tem­po großar­tig zu drosseln. Profis halt. ;-)

Unsere Gast­ge­ber machen ihrem Namen alle Ehre. Wir wer­den umsorgt. Die Organ­i­sa­tion klappt rei­bungs­los. Wir wan­dern eben in eine der rhein­land-pfälzis­chen Gast­land­schaften!

Das i‑Tüpfelchen ist der Doc­tor“ alias Jür­gen. Gek­lei­det in his­torischem Gewand führt er uns am Abend durch die engen Gäss­chen der Bernkastel­er Alt­stadt. In jed­er Ritze, in jedem Winkel sitzen Anek­doten und Geschicht­en. Jür­gen ken­nt sie alle und holt eine nach der anderen her­vor. An solchen Orten mit Ver­gan­gen­heit, die bis heute lebendig sind, bin ich gerne. Ich stelle mir vor, wie die Men­schen damals über die Kopf­steinpflaster eil­ten, ihr Tages­geschäft erledigten. Diese Alt­stadt hat Seele, wie über­haupt alle Alt­städte, die ich bish­er ken­nen­gel­ernt habe. Am Karls­bad­er Platz markieren Zeichen an der Hauswand die Wasser­stände der berüchtigten Mosel­hochwass­er über die Jahrhun­derte. 1784 hät­ten wir an dieser Stelle kopfüber im Wass­er gestanden.
Jür­gen ist höflich. Er lässt sich nicht von bloggen­den Zuhör­ern irri­tieren. Geflissentlich ignori­ert er jede Unaufmerk­samkeit und ver­ste­ht es den­noch Stadt­führungsmuf­fel wie mich immer wieder in seinen Bann zu ziehen.
Der Brauhauswirt ver­wöh­nt uns später beim Aben­dessen mit freiem WLan! ;-)

Faz­it des Tages: Die Mosel macht neugierig. Touris­mus und Wan­der­aben­teuer liegen dicht bei einan­der, ist mein Ein­druck. Wie das Beispiel der schö­nen Alt­stadt von Bernkas­tel zeigt, lohnt es sich auf jeden Fall genauer hinzuse­hen und um die näch­ste Ecke zu guck­en. Ich bin mir ziem­lich sich­er, dass es hier viele weit­ere leicht überse­hbare Kleinigkeit­en zu ent­deck­en gibt. Bish­er kenne ich ja nur 5 der ins­ge­samt über 365 Kilo­me­ter des Moselsteigs.
Per­sön­lich zieht es mich auf unerk­lär­liche Weise von der leb­haften Mosel­welt weit­er ins abgeschiedene Mit­tel­ge­birge der Eifel. Ich habe da so Bilder im Kopf. Eifeldör­fer, Wiesen, Wei­den und schmale Land­straßen. Abseits vom Schuss. Ob da was dran ist? Das werde ich erkun­den und dabei sich­er auch den ein oder anderen Seit­en­sprung an die Mosel wagen!

Der Rhein­land-Pfalz Touris­mus GmbH danke ich sehr für die Ein­ladung, den tollen Tag an der Mosel und die Erfahrun­gen und Gespräche, die dadurch möglich wur­den. Beispiel­sweise kon­nte ich mich mit einem waschecht­en Wel­treisenden unter­hal­ten, der sich bere­itwillig von mir aus­fra­gen ließ. Außer­dem habe ich endlich meine Wan­derkol­le­gin Elke und andere per­sön­lich getrof­fen, die ich bish­er nur aus den sozialen Net­zw­erken im Inter­net kannte.

Die Haar­nadelkur­ven habe ich übri­gens kurz vor Mit­ter­nacht gut gemeis­tert. Nur ein Ein­heimis­ch­er hat mich hals­brecherisch über­holt. Wie sagte Karin, als ich ihr von meinen Sor­gen wegen der Rück­fahrt im Dun­klen erzählte: Zum Glück hat das Auto Licht!“ ;-)