Der Sky Walk am Dachstein ist eine der “spektakulärsten Aussichtsplattformen in den Alpen”. Auf einem Glasboden stehend schwebt man über einem 250 Meter tiefen Nichts. Damals zitterten mir die Knie.
Ähnliche Aus- und Tiefblicke haben wir jetzt direkt vor der Haustür. Den Sky Walk über der Nahe bei Hochstetten/Dhaun. Er ist im Felsen eines alten Steinbruchs verankert, ragt 70 Meter über dem Abgrund und verleiht Wanderern Flügel.
Am frühen Vormittag steige ich in St. Johannisberg aus dem Auto. Die Sonne scheint, die Luft duftet nach Wildkräutern, Vogelgezwitscher in der Stille. Kein Mensch zu sehen. Ich laufe durch das Örtchen. Die Dorfstraße endet an der Klippe. Ab hier lässt sich die Schwerkraft nur auf dem Sky Walk überwinden. Ich atme tief ein und aus. Richte meinen Blick geradeaus Richtung Nordpfalz und taste mich Schritt für Schritt nach vorne. Im bizarren Fels leuchten orangerote Blumen. Unten glitzert die Nahe im Morgenlicht. Das Naheland als Spielzeugwelt.
Nach diesem Spaziergang über dem Abgrund erkunde ich den südlichen Rand des Soonwalds auf Höhe des Kirner Landes. Der Wildgrafenweg startet in St. Johannisberg auf schmalem Pfad, vorbei an Streuobstwiesen und mündet im Wald. Im Frühling ein Buschwindröschenwald! Die Südhänge des Hochstätter Waldes sind übersät mit dieser Anemonenart. Das Buschwindröschen hat hohe Lichtansprüche und blüht nur im Frühjahr, wenn die Bäume noch genug Sonne bis zum Waldboden durchlassen. Wer dieses einmalige Bild selbst erleben möchte, der sollte diese Wanderung daher im April unternehmen.
Am Waldhof, ein kleiner Einsiedlerhof, entscheide ich mich für eine eigene Route. Ich verlasse den Wildgrafenweg und gehe ein Stück Landstraße hoch auf die Geierslei (384 m ü. NN). Vorbei an einer sattgelben Schlüsselblumenwiese. Mit jedem Schritt ein Stück dem Himmel entgegen. Auf dem Kamm der Hochebene öffnen sich sagenhafte Ausblicke. Im Norden die Höhen des Soonwaldes. Im Süden bis rüber in die Bergwelt der Nordpfalz. Im Vordergrund weben Wald und Wiesen einen Flickenteppich mit Variationen von Grün.
Vor Dhaun sehe ich schon Weitem die weiße Kuppel der Volkssternwarte. Wo könnte sie anders stehen als hier oben. Den Blick in den weiten Nachthimmel stelle ich mir gigantisch vor. Ab Sternwarte folge ich wieder dem Wildgrafenweg. Auf einer Liegebank an einer windgeschützten, sonnenwarmen Stelle lasse ich den Blick übers Land schweifen.
Bergab über einen schmalen Pfad gehts Richtung Schloss Dhaun, um den Schifferberg herum, zurück nach St. Johannisberg durch das Simmertal, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Meine Runde schätze ich auf 7 Kilometer. Die Vitaltour Wildgrafenweg ist mit 13 Kilometern ausgewiesen. Ein Wandertipp für Kreuz- und Quergeher, weil sich die Tour nach Belieben erweitern und verkürzen lässt sowie mit dem Sky Walk einen besonderen Reiz für den Einstieg bietet.
Übrigens: Mit dem Kniezittern, wie auf dem Sky Walk am Dachstein vor einigen Jahren, ist es vorbei. Ich habe gelernt mit der Höhenangst umzugehen. Mit meiner Ausbildung zur Sport-Mentalcoach will ich jetzt andere Menschen dabei unterstützen und begleiten Sturzangst und Höhenschwindel in den Griff zu bekommen.
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