In dem Buch “Spielraum für Wesentliches“von Christian Mayer bin ich auf den Satz gestoßen: “Jeder jongliert, wie er lebt.” In Abwandlung könnte man auch sagen: Jeder wandert, wie er lebt. Oder genauer: Ich wandere, wie ich lebe. Dieser Erkenntnis vorausgegangen, war dieser kleine Dialog auf Twitter:
Kreuz- und Quer-Wandern ist vor allem eins NICHT: langweilig. #grundvoraussetzung
— Heike Jutta Tharun (@heimatwanderin) January 23, 2015
@heimatwanderin Wie genau darf ich mir das vorstellen?
— FRuW (@ElkeBitzer) January 23, 2015
@ElkeBitzer Wandern der Nase nach, dem Herz nach, dem Blick nach, der Neugierde nach… #wegweiserlinksliegenlassen
— Heike Jutta Tharun (@heimatwanderin) January 23, 2015
Weil ich gerade nach einem Aufhänger für einen Blogpost gesucht habe, mit dem ich üben kann, flüssig und nachvollziehbar zu schreiben (Stichwort “Gedankensprünge füllen”), brachte mich dieser Dialog in Verbindung mit Mayers Zitat oben auf eine Idee: Wenn jeder wandert, wie er lebt, dann hängt die Art zu wandern mit individuellen Eigenschaften der Wanderin zusammen. Dann stellt sich die Frage: Welche Zusammenhänge gibt es zwischen meiner Art zu wandern und meinen persönlichen Eigenschaften? Um diese Frage zu beantworten, habe ich Schritt für Schritt rekapituliert, wie ich Routen plane, umsetze und mit Problemen umgehe, die sich dabei ergeben. Kurz: Wie wandere ich eigentlich? Vor Augen hatte ich dabei konkret eine meiner nächsten Wanderungen im Naheland.
Bei meiner gedanklichen Erkundungstour habe ich grundlegende persönliche Eigenschaften entdeckt, die mich zur kreuz und quer wandernden Heimatwanderin machen. Und ich bin auf einen interessanten Zusammenhang zwischen Faulheit und Abenteuer gestoßen! :-)
1. Neugierde, Phantasie, Ehrgeiz und Interesse an leicht übersehbaren Kleinigkeiten
Wenn ich mir neue Routen überlege, dann knüpfe ich oft an etwas unmittelbar Wahrgenommenes an, was ich bei einer früheren Wanderung gesehen, entdeckt habe, was mich interessiert. Im Fall der geplanten Tour im Naheland ist es ein exponierter Aussichtsturm, den ich neulich aus der Ferne gesehen habe, der sich für mein Höhenangst-Training anbietet und den ich deshalb ausprobieren will. Ein anderes Mal ist es eine Frage, die mich lockt: Führt der idyllische Wiesenweg zwischen Fluss und Bahngleisen tatsächlich zu einem Tunnel, oder ist es eine Sackgasse? Ich studiere dazu im ersten Schritt die Wanderkarte. Wenn ich im Maßstab von 1:25.000 nicht sicher erkennen kann, ob da tatsächlich eine Option ist, die mir ermöglicht, die Gleise zu überwinden, dann ziehe ich eine Karte im Internet zu Rate, in der ich mich auf kleinem Maßstab an die fragliche Stelle heran zoomen kann.
Wenn Fragen dieser Art beantwortet sind, wie bei der geplanten Naherunde, beginne ich im nächsten Schritt auf der Karte eine Route auszugucken, in der ich die Objekte meiner Wissbegierde (Turm) bzw. meines Interesses (Wiesenweg am Wasser) einbauen kann. Und zwar so, dass eine von der Distanz machbare, abwechslungsreiche Wanderung dabei herauskommt. Entweder eine Strecke oder eine Runde.
Ich habe also Motive, die mich in Bewegung setzen, befeuern, motivieren: z.B. Neugierde, Phantasie, Ehrgeiz und ein besonderes Interesse an leicht übersehbaren Kleinigkeiten. Letzteres ist ausschlaggebend dafür, dass ich das Abenteuer nicht (oder nicht nur) in fernen Ländern, sondern auch vor der Haustür suche und finde. Diese Motive sind offensichtlich stark genug, um mich auch dann voranzutreiben, wenn Probleme auftauchen. Bei meiner Art mit Problemen umzugehen spielen sicher auch die folgenden Faktoren eine Rolle.
2. Erfahrung und Wissen
Meine Art Wanderungen zu planen, hat sich über die Zeit verändert. Als ich mit dem Kreuz- und Quer-Wandern angefangen habe, plante ich den Weg im Detail: wo beginne ich, wie gehe ich weiter, wann biege ich ab, laufe ich über den Berg oder drum herum, wo quere ich das Tal usw. Einstieg, Verlauf und Ziel waren im Vorfeld genau festgelegt. Ich bin nach Plan gelaufen, wenn auch nach meinem eigenen.
Mit zunehmender Erfahrung (und Know How) stelle ich fest, wie ich allmählich gelassener geworden bin und den Weg nur noch grob definiere. Ich lasse die Route auf mich zu kommen; entscheide mich manchmal vor Ort um, je nach Situation und was mir vor die Nase kommt und ins Blickfeld gerät.
Es kommt sogar vor, dass wenn ich zu Hause losfahre noch nicht genau weiß, wo ich wandern werde. Dass mir die zündende Idee erst auf der Autofahrt kommt. Aber das sind Ausnahmen. In der Regel habe ich einen genauen Weg oder zumindest die Koordinaten der Wanderung grob im Kopf. Auch wenn manchmal am Anfang noch nicht völlig klar ist, ob die Wunschtour machbar ist. Aber dazu gleich mehr.
Erfahrung und Wissen sind es also, die mir bei meinen Kreuz- und Quer-Wanderungen zu gute kommen. Mit Tun, Machen und zunehmender Erfahrung ist mein Selbstvertrauen gewachsen. Mit dem Selbstvertrauen hat sich ein Sicherheitsgefühl eingestellt, das mir Loslassen erlaubt und die nötigen Spielräume und Freiheiten für spannende Wege öffnet. Erfahrung und Wissen spielen sicher auch eine Rolle, wie ich mit Problemen umgehe, die sich nicht einfach mit einem Blick auf die Karte in Luft auflösen.
3. starker Wille und Trampelpfadmentalität
Wie gehe ich mit Problemen bei der Routenplanung um, die sich mit einem Kartenstudium zu Hause am Tisch nicht klären lassen?
Im konkreten Fall ist es so, dass sich Turm und Wiesenweg eigentlich mit einem Schlenker über einen tollen Aussichtsberg und zurück runter durch eines meiner Lieblingsdörfer verbinden ließen. Aber durch meine Idealrunde fließt ein auf den ersten Blick unüberwindliches Hindernis. Die Nahe. Um meine Traumwanderung umzusetzen, müsste ich an einer Stelle rüber, an der es keine Brücke und auch sonst keine Möglichkeit gibt, trockenen Fußes über das Wasser zu kommen. Auch im näheren Umfeld bzw. im Rahmen meiner Wohlfühldistanz: weit und breit keine Brücke.
Doch so leicht gebe ich nicht auf. An einer Stelle könnte sich laut Karte doch eine Möglichkeit auftun. Auf der Höhe einer Flussinsel. Auf der Insel ist eine Werksanlage. Deshalb führt eine Brücke auf die Insel. Auf der anderen Seite der Insel, zum anderen Flussufer hin, ist der Wasserlauf sehr, sehr schmal. Jedenfalls sieht es auf der Karte so aus. Es stellen sich zwei Fragen: Komme ich auf ’s Werksgelände? Und ist die Stelle zum anderen Flussufer tatsächlich schmal und flach genug und evtl. sogar mit Steinen bestückt, die ich als Tritte benutzen könnte, um sicher rüber zu kommen? Wie ich von meinen früheren Wanderungen weiß, gibt es in der Nahe durchaus seichte Stellen, die das Überqueren gestatten. Der Gedanke, dass es an besagter Stelle eine Möglichkeit der Querung gibt, ist also nicht ganz abwegig.
Aber es bleibt Ungewissheit. Wanderkarte und Internetkarte geben keine zufriedenstellende Antwort. Endgültig lässt sich die Sache nur durch Hingehen und Nachgucken klären.
Ich bin mir nicht zu 100% sicher, ob ich die Traumrunde wirklich gehen kann. Ok, es ist eine Traumrunde. Aber es ist eben eine, die ich mir in den Kopf gesetzt habe. Ein echtes Hirngespinst à la Heike. Deshalb werde ich das zugegebener Maßen nicht lebensbedrohliche Risiko eingehen, dass ich ggf. den gleichen Weg, den ich gekommen bin, wieder zurücklaufen muss. Für Leute wie mich, die gerne Trampelpfade gehen (Ideallinie), ist das durchaus eine Überlegung wert! ;-)
Weil die Strecke, die auf dem Spiel steht, im Rahmen dessen ist, was ich mir von meiner Kondition her leisten kann und will — sprich mit meiner Trampelpfadmentalität vereinbar ist, werde ich dieses Abenteuer wagen. Es ist also ein kalkulierbares Risiko, das mich auf keinen Fall in irgendwelche Schwierigkeiten bringen wird. Deshalb werde ich bis zur Flussinsel laufen und mir die Sache vor Ort anschauen und dann entscheiden, ob und ggf. was sich machen lässt.
Ich habe Träume, den Willen diese Wirklichkeit werden zu lassen und ja, auch eine gewisse Risikobereitschaft. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich eher ein ängstlicher Mensch bin. Wenn auch ein ängstlicher Mensch mit einem starken Willen und einer Prise Faulheit! ;-)
Über den Ausgang dieses Abenteuers werde ich berichten!
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