In dem Buch Spiel­raum für Wesentliches“von Chris­t­ian May­er bin ich auf den Satz gestoßen:  Jed­er jongliert, wie er lebt.” In Abwand­lung kön­nte man auch sagen: Jed­er wan­dert, wie er lebt. Oder genauer: Ich wan­dere, wie ich lebe. Dieser Erken­nt­nis voraus­ge­gan­gen, war dieser kleine Dia­log auf Twitter:

Weil ich ger­ade nach einem Aufhänger für einen Blog­post gesucht habe, mit dem ich üben kann, flüs­sig und nachvol­lziehbar zu schreiben (Stich­wort Gedanken­sprünge füllen”), brachte mich dieser Dia­log in Verbindung mit May­ers Zitat oben auf eine Idee: Wenn jed­er wan­dert, wie er lebt, dann hängt die Art zu wan­dern mit indi­vidu­ellen Eigen­schaften der Wan­derin zusam­men. Dann stellt sich die Frage: Welche Zusam­men­hänge gibt es zwis­chen mein­er Art zu wan­dern und meinen per­sön­lichen Eigen­schaften? Um diese Frage zu beant­worten, habe ich Schritt für Schritt reka­pit­uliert, wie ich Routen plane, umset­ze und mit Prob­le­men umge­he, die sich dabei ergeben. Kurz: Wie wan­dere ich eigentlich? Vor Augen hat­te ich dabei konkret eine mein­er näch­sten Wan­derun­gen im Naheland.

Bei mein­er gedanklichen Erkun­dungs­tour habe ich grundle­gende per­sön­liche Eigen­schaften ent­deckt, die mich zur kreuz und quer wan­dern­den Heimat­wan­derin machen. Und ich bin auf einen inter­es­san­ten Zusam­men­hang zwis­chen Faul­heit und Aben­teuer gestoßen! :-)

1. Neugierde, Phan­tasie, Ehrgeiz und Inter­esse an leicht überse­hbaren Kleinigkeiten

Wenn ich mir neue Routen über­lege, dann knüpfe ich oft an etwas unmit­tel­bar Wahrgenommenes an, was ich bei ein­er früheren Wan­derung gese­hen, ent­deckt habe, was mich inter­essiert. Im Fall der geplanten Tour im Nahe­land ist es ein exponiert­er Aus­sicht­sturm, den ich neulich aus der Ferne gese­hen habe, der sich für mein Höhenangst-Train­ing anbi­etet und den ich deshalb aus­pro­bieren will. Ein anderes Mal ist es eine Frage, die mich lockt: Führt der idyl­lis­che Wiesen­weg zwis­chen Fluss und Bah­n­gleisen tat­säch­lich zu einem Tun­nel, oder ist es eine Sack­gasse? Ich studiere dazu im ersten Schritt die Wan­derkarte. Wenn ich im Maßstab von 1:25.000 nicht sich­er erken­nen kann, ob da tat­säch­lich eine Option ist, die mir ermöglicht, die Gleise zu über­winden, dann ziehe ich eine Karte im Inter­net zu Rate, in der ich mich auf kleinem Maßstab an die fragliche Stelle her­an zoomen kann.

Wenn Fra­gen dieser Art beant­wortet sind, wie bei der geplanten Naherunde, beginne ich im näch­sten Schritt auf der Karte eine Route auszuguck­en, in der ich die Objek­te mein­er Wiss­be­gierde (Turm) bzw. meines Inter­ess­es (Wiesen­weg am Wass­er) ein­bauen kann. Und zwar so, dass eine von der Dis­tanz mach­bare, abwech­slungsre­iche Wan­derung dabei her­auskommt. Entwed­er eine Strecke oder eine Runde.

Ich habe also Motive, die mich in Bewe­gung set­zen, befeuern, motivieren: z.B. Neugierde, Phan­tasie, Ehrgeiz und ein beson­deres Inter­esse an leicht überse­hbaren Kleinigkeit­en. Let­zteres ist auss­chlaggebend dafür, dass ich das Aben­teuer nicht (oder nicht nur) in fer­nen Län­dern, son­dern auch vor der Haustür suche und finde. Diese Motive sind offen­sichtlich stark genug, um mich auch dann voranzutreiben, wenn Prob­leme auf­tauchen. Bei mein­er Art mit Prob­le­men umzuge­hen spie­len sich­er auch die fol­gen­den Fak­toren eine Rolle.

2. Erfahrung und Wissen

Meine Art Wan­derun­gen zu pla­nen, hat sich über die Zeit verän­dert. Als ich mit dem Kreuz- und Quer-Wan­dern ange­fan­gen habe, plante ich den Weg im Detail: wo beginne ich, wie gehe ich weit­er, wann biege ich ab, laufe ich über den Berg oder drum herum, wo quere ich das Tal usw. Ein­stieg, Ver­lauf und Ziel waren im Vor­feld genau fest­gelegt. Ich bin nach Plan gelaufen, wenn auch nach meinem eigenen.

Mit zunehmender Erfahrung (und Know How) stelle ich fest, wie ich allmäh­lich gelassen­er gewor­den bin und den Weg nur noch grob definiere. Ich lasse die Route auf mich zu kom­men; entschei­de mich manch­mal vor Ort um, je nach Sit­u­a­tion und was mir vor die Nase kommt und ins Blick­feld gerät.

Es kommt sog­ar vor, dass wenn ich zu Hause los­fahre noch nicht genau weiß, wo ich wan­dern werde. Dass mir die zün­dende Idee erst auf der Aut­o­fahrt kommt. Aber das sind Aus­nah­men. In der Regel habe ich einen genauen Weg oder zumin­d­est die Koor­di­nat­en der Wan­derung grob im Kopf. Auch wenn manch­mal am Anfang noch nicht völ­lig klar ist, ob die Wun­sch­tour mach­bar ist. Aber dazu gle­ich mehr.

Erfahrung und Wis­sen sind es also, die mir bei meinen Kreuz- und Quer-Wan­derun­gen zu gute kom­men. Mit Tun, Machen und zunehmender Erfahrung ist mein Selb­stver­trauen gewach­sen. Mit dem Selb­stver­trauen hat sich ein Sicher­heits­ge­fühl eingestellt, das mir Loslassen erlaubt und die nöti­gen Spiel­räume und Frei­heit­en für span­nende Wege öffnet. Erfahrung und Wis­sen spie­len sich­er auch eine Rolle, wie ich mit Prob­le­men umge­he, die sich nicht ein­fach mit einem Blick auf die Karte in Luft auflösen.

3. stark­er Wille und Trampelpfadmentalität

Wie gehe ich mit Prob­le­men bei der Routen­pla­nung um, die sich mit einem Karten­studi­um zu Hause am Tisch nicht klären lassen?

Im konkreten Fall ist es so, dass sich Turm und Wiesen­weg eigentlich mit einem Schlenker über einen tollen Aus­sichts­berg und zurück runter durch eines mein­er Lieblings­dör­fer verbinden ließen. Aber durch meine Ide­al­runde fließt ein auf den ersten Blick unüber­windlich­es Hin­der­nis. Die Nahe. Um meine Traumwan­derung umzuset­zen, müsste ich an ein­er Stelle rüber, an der es keine Brücke und auch son­st keine Möglichkeit gibt, trock­e­nen Fußes über das Wass­er zu kom­men. Auch im näheren Umfeld bzw. im Rah­men mein­er Wohlfühld­is­tanz: weit und bre­it keine Brücke.

Doch so leicht gebe ich nicht auf. An ein­er Stelle kön­nte sich laut Karte doch eine Möglichkeit auf­tun. Auf der Höhe ein­er Flussin­sel. Auf der Insel ist eine Werk­san­lage. Deshalb führt eine Brücke auf die Insel. Auf der anderen Seite der Insel, zum anderen Flus­sufer hin, ist der Wasser­lauf sehr, sehr schmal. Jeden­falls sieht es auf der Karte so aus. Es stellen sich zwei Fra­gen: Komme ich auf s Werks­gelände? Und ist die Stelle zum anderen Flus­sufer tat­säch­lich schmal und flach genug und evtl. sog­ar mit Steinen bestückt, die ich als Tritte benutzen kön­nte, um sich­er rüber zu kom­men? Wie ich von meinen früheren Wan­derun­gen weiß, gibt es in der Nahe dur­chaus seichte Stellen, die das Über­queren ges­tat­ten. Der Gedanke, dass es an besagter Stelle eine Möglichkeit der Querung gibt, ist also nicht ganz abwegig.

Aber es bleibt Ungewis­sheit. Wan­derkarte und Inter­netkarte geben keine zufrieden­stel­lende Antwort. Endgültig lässt sich die Sache nur durch Hinge­hen und Nachguck­en klären.

Ich bin mir nicht zu 100% sich­er, ob ich die Traum­runde wirk­lich gehen kann. Ok, es ist eine Traum­runde. Aber es ist eben eine, die ich mir in den Kopf geset­zt habe. Ein echt­es Hirnge­spinst à la Heike. Deshalb werde ich das zugegeben­er Maßen nicht lebens­bedrohliche Risiko einge­hen, dass ich ggf. den gle­ichen Weg, den ich gekom­men bin, wieder zurück­laufen muss. Für Leute wie mich, die gerne Tram­pelp­fade gehen (Ide­allinie), ist das dur­chaus eine Über­legung wert! ;-)

Weil die Strecke, die auf dem Spiel ste­ht, im Rah­men dessen ist, was ich mir von mein­er Kon­di­tion her leis­ten kann und will — sprich mit mein­er Tram­pelp­fad­men­tal­ität vere­in­bar ist, werde ich dieses Aben­teuer wagen. Es ist also ein kalkulier­bares Risiko, das mich auf keinen Fall in irgendwelche Schwierigkeit­en brin­gen wird. Deshalb werde ich bis zur Flussin­sel laufen und mir die Sache vor Ort anschauen und dann entschei­den, ob und ggf. was sich machen lässt.

Ich habe Träume, den Willen diese Wirk­lichkeit wer­den zu lassen und ja, auch eine gewisse Risikobere­itschaft. Auch wenn ich zugeben muss, dass ich eher ein ängstlich­er Men­sch bin. Wenn auch ein ängstlich­er Men­sch mit einem starken Willen und ein­er Prise Faulheit! ;-)

Über den Aus­gang dieses Aben­teuers werde ich berichten!