Wenn ein Alpin-Fotograf Mittelgebirge fotografiert, dann darf man sich nicht wundern. Zum Beispiel darüber, dass der Taunus, der Hunsrück, die Eifel und ja, die Rheinhessische Schweiz und die Nordpfalz in seinem Bildband fehlen. Oder darüber, dass es doch auffällig oft um Felsen und Kletterer geht. ;-)
„Zunächst war ich sprachlos. Mein Verlag hatte mich gerade ohne jede Vorwarnung gefragt, ob ich schon einmal darüber nachgedacht hätte, die deutschen Mittelgebirge zu fotografieren. Ich bin doch Alpin-Fotograf und im Hochgebirge zu Hause! Aber binnen weniger Minuten verwandelt sich meine Schockstarre in Neugier, ja, sogar in Begeisterung für diese Idee.“, bringt Bernd Ritschel die Sache auf den Punkt.
Zum Glück ist er neugierig. Denn die Expedition des Hochgebirglers in die Niederungen der Mittelgebirge hat sich gelohnt. Auch wenn er pi mal Daumen und plus/minus bei der 1000 Meter-Marke „hängengeblieben“ ist. Hier geht es um diese Kaliber: Röhn und Spessart, Pfälzerwald, Schwarzwald, Harz. Elbsandsteingebirge, Erzgebirge, Bayrischer Wald und Fichtelgebirge konnten seinem Selbstverständnis gerecht werden! ;-)
Sehr, sehr schöne Fotos sind entstanden. Landschaftsaufnahmen und Naturdetails. Fotografierende Mittelgebirgswanderer erhalten reichlich Inspiration für eigene Werke!
Klar geworden ist mir mit diesem Bildband, der zweite entscheidende Unterschied zwischen Hoch- und Mittelgebirge. Der erste ist natürlich die Höhe. Das andere Unterscheidungsmerkmal ist der Abstand zur modernen Umwelt. Während in den Alpen der Raum um einen herum pure Natur ist, jedenfalls jenseits der Liftmastengrenze (!), ist es im Mittelgebirge oft nur mit fokusiertem Blick möglich, spannende Perspektiven zu finden, die frei von Häusern, Straßen, Industrie und Anlagen sind. Zu dieser Erkenntnis kann auch nur ein Fotograf von „oberhalb“ kommen! ;-) Wobei, lassen wir die Kirche im Dorf, so unberührt, wie der Bayer tut, sind die Alpen auch nicht mehr.
Bernd Ritschel nähert sich den Landschaften in seinen Fotografien bewusst nicht kritisch, sondern hat den Versuch gewagt der „Sehnsucht nach dem Schönen“ nachzugeben.
In diesem Sinn „romantisch“ – also auf der „Suche nach Unberührtem, Unbekannten, Unerforschten — hat sich auch Tom Dauer mit seinen Texten dieser Natur genähert: „Wenn ich die Arbeit in und an ‚Deutschlands romantischen Mittelgebirgen‘ resümieren wollte würde ich sagen: Das Staunen über die Dinge ist schon mal ein guter Anfang.“ Die Texte zu den Fotos stellen einen eigenen Wert da. Sie betrachten die Landschaften mit eigenen Augen und eigenen Inhalten. Sie stehen für sich, aber auch im Zusammenhang mit den Fotografien. Spannend und gehaltvoll zu lesen!
Die beiden zeigen uns Mittelgebirgswanderern die gewohnte Landschaft mit neuen Augen; ohne den ein oder anderen Satz des Erstaunens über Dinge, wie von schweren Zugmaschinen zerfurchten Waldboden, oder ein „Betreten verboten“-Schild am Rand eines Naturschutzgebietes, hinten runter fallen zu lassen.
Dieser großformatige Bildband ist ein sehr schönes und wertvolles Geschenk für Fotografen, Wanderer und Heimatverbundene. Er richtet den Blick auf die schönen Seiten der deutschen Mittelgebirge und macht (nur in den Texten) doch auch bewusst für weniger romantische Eigenheiten dieser Regionen, die “Einheimischen” so selbstverständlich sind, dass sie gar nicht mehr drüber stolpern.
Ritschel, Bernd und Dauer, Tom: : „Deutschlands romantische Mittelgebirge – verwunschene Wälder und schroffe Gipfel“, National Geographic, 2014, 219 Seiten, 39.99 Euro
Diesen Bildband erhalten Sie in Ihrer Buchhandlung vor Ort oder auf der Website des Verlags.
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