Mein eindrücklichstes Wandererlebnis dieses Jahr war die Etappenwanderung durch das Nord-Pfälzer Bergland.
Über das ganze Jahr verteilt bin ich in 10 Streckenabschnitten kreuz und quer durch die Nordpfalz gelaufen. Von November 2013 bis Oktober 2014.
Ausgangspunkt dieses Projekts war der lange gehegte Wunsch, meine 2. Heimat jenseits des Horizonts des Tals, in dem ich aufgewachsen bin, zu erkunden. Jetzt mit 50 Jahren war die Zeit reif.
Inspiriert durch das Buch „Slow Travel – Die Kunst des Reisens“ kam ich auf die Idee, die 2. Heimat zu Fuß zu erkunden. In diesem Buch berichtet der Autor Dan Kieran so spannend und ansteckend von seinen eigenen Experimenten damit in England, wo er zu Hause ist, dass ich ohne groß zu zögern den Entschluss gefasst habe, diese Art unterwegs zu sein selbst auszuprobieren. Und zwar mittwochs an meinem freien Tag.
Andere suchen ihre Herausforderung in der Wüste, in der norwegischen Wildnis oder am Nordpol. Ich fröne meiner Abenteuer- und Entdeckerlust direkt vor der Haustür und mitten in der Woche. ;-)
Was waren die Herausforderungen dieses Abenteuers?
Der Plan war also die Nordpfalz zu erkunden. Und das zu Fuß. Um ihr möglichst nah auf die Pelle zu rücken. Um diese Landschaft unmittelbar zu erfahren und in einem Tempo, das mir erlaubt, spontanen Ideen und Eindrücken sofort nach zu gehen.
Ich wählte dazu Streckenwanderungen und einen Kreuz- und Quer-Kurs. Dieses Vorgehen versprach abwechslungsreiche Touren mit immer wieder neue Blickrichtungen und schien mir die beste Möglichkeit zu sein, um mir ein umfassendes Bild dieser Landschaft zu verschaffen.
Von den Anforderungen her spannende Touren entstehen mit einem Kreuz- und Quer-Kurs im topografischen Auf und Ab eines Mittelgebirges fast von selbst. Die eigentlichen Herausforderungen und Probleme, die es zu lösen galt, ergaben sich dadurch, dass ich nicht im Wandergebiet direkt wohne, dass ich Tagestouren und pro Etappe nicht mehr als 15 Kilometer laufen wollte. Pi mal Daumen.
Die drei zentralen Fragen, die sich mir im Zusammenhang der Heimaterkundung zu Fuß und mit Tagestouren stellten:
- Wo fange ich an?
— Wie komme ich hin und wieder weg?
— Wie gestalte ich Etappen bewältigbar?
Und so bin ich vorgegangen:
Von Bekanntem zum Unbekannten
Die konkreten Etappen standen nicht alle von Anfang an fest; ich habe sie von Tour zu Tour über das Jahr entwickelt. Manchmal hatte ich sehr konkrete Vorstellungen, manchmal war die Idee nur vage und wieder andere haben sich erst im Laufe der Zeit ergeben.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten sich einer Landschaft zu nähern. Entweder an einem beliebigen Punkt anfangen, oder einen Weg gehen, der in einem Wanderführer oder von Freunden empfohlen wird, oder sich von einer Wanderkarte inspirieren lassen. Ich bin von Bekanntem zum Unbekannten gewandert.
Zunächst auf einer Vortour in 3 Etappen von Bingen am Rhein über Wallhausen nach Norheim an der Nahe. Die nördliche Grenze der Nordpfalz. Bei dieser Tour habe ich die räumlichen Zusammenhänge in meinem Kopf klar gezogen. Die Nordpfalz liegt südlich des Binger Waldes und nicht westlich, wie ich vorher dachte.
Für die 1. Etappe habe ich eine Strecke gewählt, die durch vertrautes Terrain verläuft bzw. anknüpft und gleichzeitig über meinem Horizont hinaus geht.
Dann habe ich die Karte studiert und erstaunt festgestellt, dass die Nordpfalz im Osten in die Rheinhessische Schweiz übergeht. Dort war ich früher schon öfter unterwegs gewesen. Die 2. Etappe führte mich deshalb von Neu-Bamberg aus in die Nordpfalz hinein, nach Alsenz.
Die 3. Etappe startete ich in Staudernheim am Glan. Die kleine Stadt liegt bei Bad Sobernheim an der Nahe, das ich von früheren Aufenthalten kannte.
Jede weitere Etappe knüpfte an Gesehenem an. Entweder war mir ein Landstrich, ein Höhenzug, ein Tal, eine Hochebene bei einer Wanderung direkt aufgefallen oder mein Interesse wurde durch andere Kanäle geweckt. Wie der Ausgangspunkt der 8.Etappe. Von Wolfsstein im Süden der Nordpfalz hatte ich in einem Fernsehbeitrag erfahren. Der Film weckte mein Interesse für diese Region und die Lage des Ortes passte perfekt zum meinem Kreuz- und Quer-Konzept.
Von Fluss zu Fluss, am Fluss entlang und zum Fluss
Für Streckenwanderungen bietet es sich an, unabhängig vom irgendwo geparkten Auto unterwegs zu sein; also mit dem Zug an- und abzureisen. Das ist dann so zu sagen „Slow Travel“ ab Haustür. Am Anfang jeder Streckenplanung stand also die Aufgabe, Ausgangspunkte und Wanderziele mit Bahnhof zu finden.
Zu Beginn des Projekts war mir der Zusammenhang von Topgraphie und Mobilität nicht bewusst. Das Licht ist mir erst hinterher aufgegangen als ich die Etappen in der Landkarte einzeichnete.
Trotzdem habe ich „aus dem Bauch heraus“ richtig gehandelt. Die Planung hat etwas länger gedauert als es eigentlich nötig gewesen wäre. Aber das nennt man „hirngerechtes Lernen“ – Learning by Doing, glaube ich. ;-)
Der springende Punkt bei der Bahnhofssuche im Gebirge sind Flüsse. Egal ob es sich um die Alpen oder um Mittelgebirge handelt. Flüssen sind die Lebensandern eines Gebirges (Link). Sie bilden die Schneisen für Bahnlinie. Bahnhöfe im Gebirge liegen in der Regel an einem Fluss. Das Leben kann so einfach sein. ;-)
Die Nordpfalz wird von mehreren Flüssen strukturiert. Die Nahe im Norden. Die Nebenflüsse Glan und Alsenz durchziehen das Mittelgebirge versetzt jeweils von Norden nach Süden. Der Glan verläuft im Westen und die Alsenz im Osten der Nordpfalz.
Beste Voraussetzungen also für einen Kreuz- und Quer-Kurs mit Bahnanschluss. Zudem liegen Wandergebiet und Wohnort in einem Bundesland. Die Bahnhöfe der Nordpfalz habe alle gute Verbindung in die Landeshauptstadt Mainz, wo ich wohne.
Mein „Slow-Travel“-Konzept hat also dazu geführt, dass ich von Fluss zu Fluss, am Fluss entlang und manchmal auch hin zum Fluss gewandert bin. Und der Kreuz- und Quer-Kurs hat sich auf Grund der Topographie der Nordpfalz fast von alleine ergeben.
Feintuning
Die größte Herausforderung war es, Strecken zu auszuarbeiten, die meine Anforderungen erfüllten (kreuz und quer & Bahnhof) und die von der Distanz her für mich zu bewältigen waren.
Einerseits sollten Ausgangspunkt und Wanderziel per Bahn zugänglich bzw. abgänglich sein. Gleichzeitig sollten die Strecken dazwischen von der Distanz her im Rahmen meiner konditionellen Möglichkeiten bleiben. Das heißt, die 15 Kilometer-Marke nicht wesentlich überschreiten. Eine Strecke, die ich schon oft gelaufen bin und bei der ich mir sicher bin, dass ich sie gut schaffe. In weiten Teilen bin ich damit auch hingekommen. Zumal die Nordpfalz nicht aus der Welt und auch mit Buslinien gut erschlossen ist. Oft konnte ich mit der Kombi Zug und Bus einen passenden Ausgangsort erreichen.
Zweimal habe ich in den sauren Apfel gebissen und mich auf Distanzen über 20 Kilometer eingelassen. Anders wäre mein Kreuz- und Quer-Plan nicht durchführbar gewesen. Beide Male bin ich an körperliche Grenzen gegangen. Es war weniger die Kraft, die fehlte. Als meine persönliche Schwachstelle hat sich die Sohle meines linken Fußes herausgestellt. Sie hat mir echte Probleme bereitet, so dass mir schon ab und zu der Gedanken durch den Kopf ging, ein Taxi zu rufen, dass mich zum Wanderziel bringt. Letztendlich habe ich mich aber durchgekämpft; besonders auf der 8. Etappe.
Gelernt habe ich daraus, dass ich in Zukunft meine Grenzen beachte. Das bedeutet konkret für Streckenwanderungen noch genauer die Möglichkeiten der Anfahrt oder Abfahrt mit dem Bus ausloten. Wobei ich die Kombi Bahn/Bus eher für die Anfahrt vorziehe. Die Zugverbindung lässt sich so planen, dass möglichst geringe Wartezeiten beim Umsteigen entstehen. Auch wenn der Anschluss mal nicht reibungslos klappt: morgens ist man noch frisch und ausgeruht und steckt so was noch leichter weg. Auf dem Land fahren die Busse auch schon mal im 2‑Stunden-Takt. Oder gar in noch größeren zeitlichen Abständen. Und eine Wanderung zu Fuß lässt sich ohne Druck nur schwer auf einen Fahrplan ausrichten. Das Risiko müde und k.o. irgendwo im Nirgendwo lange darauf warten zu müssen, wegzukommen, ist daher groß. Deshalb präferiere ich Wanderziele mit direkter Zugverbindung nach Hause.
Ins Gespräch kommen, austauschen
Vielleicht planen Sie ein ähnliches Wanderprojekt, eine ähnliche „Reise zu Fuß“. Ich wünsche mir, dass Sie in diesem Beitrag, die ein oder andere Anregung für sich entdeckt haben, die Ihnen hilft, eine Landschaft über längere Zeit, in Etappen, zu Fuß „reisend“ zu erkunden. Möglicherweise haben Sie jetzt neue Fragen, die mein Erfahrungsbericht nicht beantwortet. Dann würde ich mich freuen, wenn wir hier über die Kommentarfunktion ins Gespräch kommen.
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