Marc Redepenning ist Kulturgeograph und erforscht die Sehnsucht nach der ländlichen Idylle. Auf der Website der Uni Bamberg betrachtet er den Unterschied zwischen den Lebenräumen Stadt und Land und beantwortet die Frage: Leere als Luxus?
Als Heimatwanderin weckt dieses Thema natürlich mein Interesse. Ich bin kein Landei. Aber mich zieht ’s auf ’s Land. Wandere gerne über die Dörfer. Aus eigener Erfahrung weiß ich wohl, das Landleben nicht so idyllisch ist, wie es in den einschlägigen Zeitschriften dargestellt wird. Wer als 14jährige sechs Wochen Sommerferien auf dem Land (ohne Mobilität) durchlebt hat, weiß wovon er spricht! Landleben ist anders wie Stadtleben. Aber nicht verträumt, harmonisch oder friedlich. Trotzdem finde ich drei gute Gründe, warum es mich immer wieder dorthin zieht:
1.) Freiraum. Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Jedenfalls am Wochenende und in den Ferien. Mit meinen Cousin, Cousinen und Freunden waren wir den ganzen Tag draußen auf den Feldern und im Wald; außer Sichtweite von Erwachsenen. Land verbinde ich deshalb mit frei sein, der Nase nach durch die Landschaft streifen, unabhängig und selbstbestimmt den Tag verbringen. Auf dem Land lässt es sich leichter kreuz und quer, querfeldein laufen als in der Stadt. Land bietet mir als Heimatwanderin mehr Freiräume als die Stadt.
2.) Halt. Ich bin ein Nasenmensch. Landgerüche sind ein starker Marker für Halt und Geborgenheit. Der würzige Geruch feuchter Erde, Stroh und Kräutern. Der nach Holz. Ja, selbst Kuhdung auf den Feldern oder auf den Höfen weckt in mir positive Emotionen. Ganz frisch ist er sehr streng. Stimmt. Neben einem Misthaufen halte ich es auch nicht lange aus. Aber von Weitem oder ein zwei Tage in der Erde, verdünnt mit frischer Luft aktiviert dieser Geruch Bilder von Stall, Dach über dem Kopf und Wärme. Auch in der Stadt rieche ich manchmal diese Landgerüche. Dort wo sie naturnah ist: am Fluss, in Parks, auf den Feldern am Stadtrand. Landgerüche sind intensiver.
3.) Ruhe. Ich fotografiere. Mich interessieren natürliche Farben und gewachsene Strukturen. Ungerade Linien mit natürlicher Ordnung. Schattierungen. Muster. Von der Natur gemacht. Von der Natur beeinflusst, vorgegeben. Ursprünglich. Farben, ständig wechselnd je nach Licht, Luft und Wetter: pastell, knallig, schillernd, luftig, flirrend, sonnengeflutet, satt. Auf dem Land ist die Landschaft selbst oft ein Muster. Aufgeräumt, strukturiert — aber nicht ordentlich. Pflugspuren in der Ackererde, Weinbergstöcke, Strohreihen nach dem Dreschen, Schnee auf den dunklen Erdhubbel der Winteräcker, Grüntöne im Mai, das Himmelblau mit der Sonne im Rücken. Land ist (oft nicht mehr) ruhig, aber ruhiger und beruhigender als Stadt.
Ob ich auf dem Land wirklich leben möchte, darüber bin ich mir nicht klar. Ich tendiere zu “eher nicht” (siehe oben). Aber wandern, wandern tue ich lieber auf dem Land als in der Stadt. Obwohl, ich wandere auch in der Stadt. Dort suche ich aber instinktiv naturnahe, verwinkelte Wege, Schleichwege hinten herum; Gassen in der Altstadt oder Wege am Flussufer, abseits von Pflaster und Hauptstraßen. Nach Land bin ich gerne wieder in der Stadt. Ich brauche den Wechsel, den Kontrast. Nur Land, nur Stadt wäre mir zu langweilig. Land ist Luftholen, Durchatmen, festen Boden unter den Füßen gewinnen, zu sich kommen, Herausforderung. Stadt ist Komfort. Luxus. Stadt ist weite Welt.
Was treibt Sie auf ’s Land? Kommentieren erlaubt! ;-)
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