Steil ist der Weg von den Ufern der Nahe auf die Höhen des Nahelandes, die dem Hunsrück vorgelagert sind. Deshalb schon bald nach dem Start der erste Stopp auf der Wanderung von Norheim nach Wallhausen (16 km). Kurze Verschnaufpause in den Weinbergen. Wie sich zeigt, bringt dieser Hang an diesem Samstagmorgen nicht nur die 7 Wanderer ins Schwitzen.
Anhaltendes Hupen zieht die Aufmerksamkeit der Wandersleut auf ein Auto, das weiter oben quer auf dem Wirtschaftsweg steht; gerade als eine Route direkt durch den Wingert anvisiert ist. Es dauerte eine Weile, bis das Grüppchen realisiert, dass ihm da jemand ein Signal gibt. Zwei Arme winken wild über dem Autodach; abwechselnd mit dem Hupen. Die Wanderer erwidern die Handzeichen. Bei genauerem Hinschauen ist jetzt gerade so auf die Entfernung zu erkennen, dass sie einer der Arme heranwinkt.
Die Gruppe lässt von ihrem Weg ab und stapft hoch Richtung Auto. Mit gemischten Gefühlen. Mahnende Worte im Erste-Hilfe-Kurs kommen in den Kopf, in solchen Fällen solle man immer Vorsicht walten lassen, um nicht gar in eine Falle zu tappen. Aber es sind genug Männer in der Gruppe; und wer sollte hier im Weinberg Böses im Schilde führen. Irgendein Problem mit dem Auto?
In der Tat. Oben angekommen, zeigt sich, dass an den Armen ein junger Mann hängt. Dessen Kopf kommt jetzt über dem Autodach zum Vorschein. Aufgeregt berichtet er den Wanderern, was los ist. Er kann nicht aussteigen. Sein rechter Fuß steht auf der Bremse. Loslassen kann er auch nicht. Jetzt erst sehen die Wanderer den Hänger, der mit Erde beladen an seinem Wagen und mit der Hinterachse in der Luft hängt. Zu erkennen sind nun auch die Rutschspuren im Matsch vor den Hinterrädern des Autos. „Wenn ich den Fuß von der Bremse nehme, befürchte ich, dass das Gewicht der Erde auf dem Hänger, den Wagen vorne nach oben hebt und den Weinberg hinunterzieht.“ Die gezogene Handbremse alleine hält dem Gewicht nicht stand. Er wollte die Last nach hinten in seinen Wingert abkippen, als er plötzlich feststellte, dass die Autoräder nicht mehr griffen. Handy hat er nicht dabei und so sah er in dem Wandergrüppchen, die Retter in der Not und hupte und winkte sie herbei. Gut, dass die Zeichen verstanden wurden!
Man begutachtet die Lage. Umrundet das tonnenschwere Gespann, das nur von einem Fuß waagrecht auf dem Weg gehalten wird. Lösungen werden diskutiert und verworfen. Erst mal die Bremse des Anhängers ziehen. Die Ehefrau wird mit geliehenem Mobiltelefon herbeigerufen. Eine Schippe solle sie mitbringen, um die Erde runter zu schaufeln und damit den Zug nach unten zu vermindern. Steine werden herbeigeschleppt, unter die Hinterräder geklemmt. Der Winzer dirigiert die Helfer, halb aus dem Auto heraus, weil immer noch mit dem Fuß ans Bremspedal gefesselt. Abkippen nach hinten geht auf keinen Fall. Zu groß die Gefahr, dass der schwere Hänger das Auto den Hang runterzieht. Die Erde per Hand runter schaufeln ist immer noch der Plan.
Ehefrau samt Schaufel sind noch nicht vor Ort, da kommt ihm plötzlich die Erleuchtung: die Ladenfläche lässt sich ja auch zur Seite kippen! Jetzt geht es ganz schnell.
„Den Bolzen hinten rausziehen, hier an der Seite einstecken. Jetzt dort unten den mittleren Knopf drücken. Langsam.“, gibt der aufgeregte Mann den Helfern Kommandos. Die Ladefläche neigt sich. Die Erde kommt in Fahrt. Mehr Neigung. Mehr Erde fällt ab. „Der Zug auf die Autobremse lässt schon deutlich nach“, stellt er erleichtert fest. Noch ein Stück mehr Schräge und der letzte Rest Ladung rutscht in die Reben. „Vorsicht, die Steine aus dem Weg räumen!“, ruft einer. Er lässt den Motor an, löst Fuß- und Handbremse, die Räder greifen. Fahrer, Wagen und Anhänger haben wieder festen Boden unter sich. Situation gerettet. Jetzt endlich ist er erlöst und springt aus dem Auto.
Erleichtert, über sich selbst den Kopf schüttelnd, weil ohne Handy unterwegs, noch immer aufgeregt seiner verdutzten Ehefrau (die inzwischen eingetroffen ist) das Erlebnis schildernd, gleichzeitig sich bei den Wanderern bedankend.
„Eine gute Tat am Tag!“, ruft die Ehefrau den Wanderern hinterher, die schon wieder auf ihrem Weg sind und, die sich jetzt, nach dem glücklich Ausgang der prekären Situation, fragen, wieso der Mann nicht gleich auf die Idee gekommen ist, die Ladung zur Seite hin zu abzukippen, sondern noch eine Weile nachdem die helfenden Wanderer als verlängerte Arm zur Stelle waren, an seinem ersten Plan mit der Schaufelei festgehalten hat.
Ich habe im Nachgang über diese Frage nachgedacht. Vielleicht, war es so: Der eigentliche Plan war, die Erde (nach hinten) den Hang runterzukippen. Nachdem der Wagen ins Rutschen geraten ist, ist Kippen erst mal nicht mehr in Frage gekommen. Die Angst vor der potenziellen Gefahr hat eine Kipplösung grundsätzlich blockiert. Zunächst. Erst als er Helfer hatte, die sich für eine Lösung engagiert haben, denen er vertrauen konnte, hat er sich so weit entspannt, dass sich die Denkblockade lockerte und er in der Lösung wieder flexibler werden konnte. So könnte es gewesen sein.
Wie dem auch sei, die Geschichte zeigt wieder mal, dass die einfache Lösung nicht unbedingt die erste ist, die einem einfällt. Lösungen brauchen mitunter Zeit. Denn oft ergeben sich Lösungen erst aus veränderten Situationen. Und die heißt es abzuwarten bzw. herbeizuführen, wie dieses Beispiel zeigt. Wandern bildet! ;-)
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