Als Kind sehnte sie sich, über das Gar­ten­tor hin­auszuge­hen, der Straße vor dem Haus zu fol­gen, und ins Unbekan­nte aufzubrechen.“ Die schon in früher Kind­heit gespürte Sehn­sucht, dem Hor­i­zont auf den Grund zu gehen, ist nur eine Facette im Strauß der per­sön­lichen Moti­va­tio­nen“ der vierun­dachtzig Frauen, deren Lebens­geschichte die Autorin­nen Mil­bry Polk und Mary Tiegreen in ihrem Ent­deck­erin­nen­buch Frauen erkun­den die Welt“ erzählen.

Das Taschen­buch mit 336 Seit­en habe ich zufäl­lig bei ein­er Recherche über Aben­teurerin­nen im Inter­net gefun­den. Die englis­che Orig­i­nalaus­gabe ist bere­its vor über 13 Jahren erschienen. Die deutsche Taschen­buchaus­gabe ist seit 2013 im Han­del. Ich habe es in einem Rutsch gelesen.

Die Geschicht­en männlich­er Ent­deck­er der Welt sind hin­re­ichend bekan­nt. Dieses Buch zeigt die andere Seite des Aben­teuers: Es macht uns mit den großen weib­lichen Ent­deck­ern bekan­nt, deren Ein­stel­lung zur Welt um nichts weniger erfrischend ist als die ihrer männlichen Kollegen.“

Vorgestellt wer­den frühe Reisende, die als Pil­gerin­nen, als Kolonistin, Führer, Gefan­gene und als Män­ner verklei­det reis­ten. Wir ler­nen Frauen ken­nen, die von den weißen Fleck­en auf der Land­karte fasziniert waren. Wir sind unter­wegs mit Wis­senschaft­lerin­nen, Kün­st­lerin­nen, Malerin­nen, Fotografinnen, Schrift­stel­lerin­nen. Mit Geologin­nen, Math­e­matik­erin­nen, Auto­di­dak­tin­nen, Ehe­frauen, Astronomin­nen, Astro­nautin­nen, Berg­steigerin­nen, Fliegerin­nen und Taucherin­nen. Und last but not least Ent­deck­erin­nen, die an die Gren­ze der Leis­tungs­fähigkeit gin­gen. Die Zeitspanne reicht über die Jahrhun­derte hin­weg: Ange­fan­gen bei der chi­ne­sis­chen Dich­terin WEN-Chi (um 178 nach Chris­tus) über die lei­den­schaftliche Wan­derin Alice East­wood (1859–1953), die Unter­wasser­forscherin Sue Hen­drick­son (1949), die Meereskar­tographin Marie Tharp (1920) bis hin zu äußerst kon­tro­ver­sen Aben­teurerin­nen wie Leni Riefen­stahl (1902–2003).

Drei Gründe, warum ich das Buch – für Frauen und Män­ner mit Ent­deck­er-Gen  – lesenswert halte:

  1. Man lernt etwas über das Ent­deck­en“ an sich, was es aus macht und was daran so faszinierend ist. Man lernt dabei — so oder so — etwas über sich selbst.
  2. Man erfährt etwas über die Motive der his­torischen und zeit­genös­sis­chen Ent­deck­erin­nen. Die Vielfältigkeit hil­ft den Grün­den der eige­nen Ent­deck­er­lust auf die Spur zu kommen.
  3. Die Geschicht­en machen Mut. Wenn man liest unter welchen Bedin­gun­gen, zu welch­er Zeit und wohin ger­ade die frühen Reisenden sich aufgemacht haben (Afri­ka, Ori­ent, Alas­ka), dann ver­lieren sämtliche Äng­ste und Vor­be­halte, die einen heutzu­tage vom Losziehen abhal­ten kön­nten, ihren Schreck­en. Ihre Expe­di­tio­nen waren alles andere als rosig, roman­tisch oder verk­lärt. Son­dern im Gegen­teil: Ger­ade die Aus­nahme­si­t­u­a­tion und die Aus­sicht bei der Kon­fronta­tion mit den Extremen einzi­gar­tige Erfahrun­gen“ zu machen, reizte vielfach die Frauen: „…der Pol selb­st war enttäuschend…Nur der Weg zählt“ (amerikanis­ches Transantarktisteam).

Ja, die Porträtierten waren oft in priv­i­legierten Sit­u­a­tio­nen – finanziell und sozial. Aber es sind auch Frauen dabei, die sich ihre Aben­teuer schw­er erar­beit­et haben und lange warten mussten, bevor es los­ge­hen kon­nte. Inter­es­sant fand ich, dass nicht wenige erst in ihren mit­tleren und späten Leben­s­jahren ihre Ent­deck­erkar­riere ges­tartet haben; oft erst dann als die Kinder aus dem Haus waren.

Ja, nur vier der in diesem Buch vorgestell­ten Pio­nierin­nen sind Deutsche. Die über­wiegende Zahl der Pow­er-Frauen sind Amerikan­ner­in­nen und Englän­derin­nen. Statt zu lamen­tieren, sollte uns dieser Umstand eher nach­den­klich machen. ;-) Wenn man einen Anstupser braucht, um zu seinen per­sön­lichen Aben­teuern aufzubrechen – egal welche, wie und wo – dann find­et man hier eine reiche Auswahl an inter­es­san­ten Vor­bildern. Näm­lich unab­hängig von der Nation­al­ität der Damen regen, die atem­ber­auben­den Geschicht­en Frauen — und Män­ner — zum Über­winden von Gren­zen und zum Auf­bruch ins Ungewisse“ an.

Span­nend und unter­halt­sam geschrieben, mit vie­len Zeich­nun­gen und Fotos illus­tri­ert und mit exzel­len­ten Lit­er­aturhin­weisen zu den einzel­nen Pio­nierin­nen und Ent­deck­erin­nen ergänzt. Cool! ;-)

Polk, Mil­bry und Tiegreen, Mary: Frauen erkun­den die Welt – Ent­deck­en, forschen, bericht­en“, Piper-Taschen­buch, 2013, 9,99 Euro.

Sie erhal­ten das Buch vor Ort in ihrem Buch­han­del und online beim Piper Ver­lag.

Her­zlich Dank dem Piper Ver­lag für das Rezensionsexemplar!