Aus dem Augen­winkel habe ich sie ent­deckt. Die bei­den Täler nördlich von Stephan­shausen. Als ich die Karte wegen des  Wegs von der Rhein­gaualpe nach Johan­nis­berg studierte. Östlich und west­lich des Hörkopfs (474 m) und des Hund­skopfs (449 m) ver­laufen sie. Markant sig­nal­isieren dicht geset­zte Höhen­lin­ien par­al­lel zu den Ufern ihrer Bäche beachtlich­es Gefälle. Bei­de Wasser­läufe mün­den nördlich des Bergrück­ens, der die bei­den tiefen Täler tren­nt, in den Ern­st­bach. Wie gemacht für einen Rundweg: Vom Ort­srand von Stephan­shausen am Wick­er­sheller Bach runter zum Ern­st­bach, seinen Ufer­weg als Querverbindung nutzend bis zur Ein­mün­dung des Schmal­bachs und wieder hoch auf die Stephan­shausen­er Hochfläche (12,6 km, höch­ster Punkt 470 m, niedrig­ster Punkt 200 m).

Diese Runde habe ich mir für heute vorgenom­men; auf einen son­ni­gen Win­ter-Wan­der-Mittwoch hof­fend. Die Real­ität: immer noch plus 3 Grad, bedeckt. Kalter Wind. Ich ent­decke Schneer­este vom Woch­enende. Und für kurze Zeit kom­men sog­ar ein paar zarte Flock­en von oben. Der Hauch von Win­ter ist allerd­ings schnell vor­bei. Je tiefer ich ins geschützte Tal komme, desto wärmer wird es. Oben bei Stephan­shausen waren die Wege leicht gefroren, auf den Pfützen lag Eis. Mit jedem Schritt nach unten wird der Weg durch den Wald matschiger. Der Wick­er­sheller Bach rauscht bre­it und kraftvoll an mein­er Seite.

Dann ver­liert das Smart­phone das Sig­nal. Ich bin jet­zt ganz tief drin im Mit­tel­ge­birgstal. Rechts und links tun sich steile, kahle Hänge auf, die ich auf der Karte schon voraus­ge­se­hen habe. Durch­set­zt mit Felsen, alten Baum­stümpfen und vie­len kleinen Scho­nun­gen, die mit Gat­tern umzäunt sind. Auf­forstung. Junge Bäume sollen wohl so vor dem Wild geschützt wer­den. Sieht so aus als hätte hier ein Sturm irgend­wann mal ordentlich aufgeräumt.

Ich bin alleine. Keine Men­schenseele hier unten. Der Wind rauscht in den Tan­nen. Etwas mul­mig ist mir schon. Jeden­falls so lange, wie ich in die von der Zivil­i­sa­tion ent­ge­genge­set­zte Rich­tung laufe. Aber ganz so ein­sam ist es hier sich­er nicht immer. Der bre­ite Forstweg ist frisch mit Schot­ter­steinen befes­tigt. Wahrschein­lich damit die wuchti­gen Holzstämme, die mit bun­ten Far­bze­ichen gekennze­ich­net am Wegrand liegen, mit schw­eren Gefährt sich­er abtrans­portiert wer­den kön­nen. Zum Laufen nicht ger­ade ide­al: Mein Füße knick­en auf den kanti­gen Steinen dauernd ab. Knöchel­ho­he Wan­der­schuhe bewahren mich vor dem Umknick­en. Zum Glück ist es nur ein kurzes Stück bis der Weg wieder ein­fach­er wird.

Unge­fähr einen hal­ben Kilo­me­ter vor der Wick­er­sheller Brücke öffnet sich das Tal. Wiesen und Auen säu­men den Wasser­lauf. Schließlich laufe ich die Kehre durch das bre­ite Tal des Ern­st­bachs. Auch hier grüne Wiesen. Vor dieser roman­tis­chen Kulisse fällt es mir leicht, vom Früh­ling zu träu­men. Das Wass­er plätschert; in Gedanken höre ich Vögel zwitsch­ern, sehe das zarte Grün der Sträuch­er und Bäume vor dem inneren Auge.

Dann ste­he ich unver­mit­telt vor einem kleine Aben­teuer. Der Ern­st­bach hat den Abzweig zu meinem Weg aus dem Tal in Beschlag genom­men. Das Wass­er strömt schnell und gut waden­hoch. Trock­e­nen Fuss­es komme ich hier nicht durch. Der pro­vi­sorische Steg — vier Baum­stämme mit ein paar morschen Bret­tern not­dürftig zusam­menge­hal­ten — liegt schief, ist kom­plett mit rutschigem Moos über­zo­gen und sieht nicht sehr Ver­trauen erweck­end aus. Aber es bleibt mir nichts anderes übrig. Ich set­ze einen Fuß drauf, kann mich noch an den Ästen eines Baumes sich­ern. Der zweite Schritt. Wenn ich weit­er will, muss ich den Ast jet­zt loslassen. Tief Luft holen. Dann springe ich mit drei großen Schrit­ten rüber; unter mir der wilde Ern­st­bach. Bevor mir richtig schwindelig wird, bin ich drüben. Das war knapp. Eine klitschige Stelle hätte aus­gere­icht und ich wäre im kalten Wass­er gelandet. Prost Mahlzeit! ;-)

Nass bin ich nach dem Auf­stieg, der dann fol­gt, trotz­dem. Vom Schwitzen. Ich schalte in meinen Bergauf-Modus. Unten kann ich noch mit geöffneter Jacke gehen. Hand­schuh und Mütze wer­den in die Jack­en­tasche gestopft. Fast oben, will ich eine Abkürzung nehmen und lande wieder mal im Nir­wana. Als ich eine Motorsäge und gle­ich darauf das Krachen eines stürzen­den Baumes ganz in mein­er Nähe höre, drehe ich um. Den Wal­dar­beit­ern komme ich bess­er nicht ins Gehege! Ein paar Meter weit­er ver­suche ich es erneut. Dies­mal klappt der Plan. Wie erhofft, trete ich genau an der Stelle aus dem Wald auf die Stephan­shausen­er Hochfläche, an der ich schon vor zwei Wochen vor­beigekom­men bin: der Rhein­hessen­blick. Heute sehe ich in der Ferne tat­säch­lich das Land der tausend Hügel. Sog­ar einige Win­dräder. Auf die sind Stephan­shausen­er allerd­ings gar nicht gut zu sprechen, wie ich später an den Protest­trans­par­enten erken­nen kann, die im Dorf ges­pan­nt sind.

Auf den let­zten Meter geht es über Felder runter ins Dorf zurück. Mit weit­em Blick rüber in die Heimat. Hier oben zieht ein eisiger Wind. Jacke bis zum Kinn geschlossen, Mütze auf, Hand­schuhe an. Auf den Äck­ern rechts und links stand im Som­mer Getrei­de. Das ver­rät Stroh am Wegrand. Dann Pfer­dekop­peln. Alle Tiere tra­gen Decke, die sie hier oben vor der Win­terkälte schützen sollen.

Wilde Land­schaften im Hin­ter­land des Rheins! Diese Region werde ich auf der Karte weit­er unter die Lupe nehmen. Mal sehen welche Wan­der­schätze ich noch ent­deck­en werde! ;-)

Haareis, manchmal auch Eiswolle genannt, besteht aus feinen Eisnadeln, die sich bei geeigneten Bedingungen auf morschem und feuchtem Totholz bilden können.
Haareis, manch­mal auch Eis­wolle genan­nt, beste­ht aus feinen Eis­nadeln, die sich bei geeigneten Bedin­gun­gen auf morschem und feuchtem Totholz bilden können.

 

Lichter Buchenwald.
Lichter Buchen­wald.

 

Die Gatter um die Baumschonungen sehen auf dem Foto aus, wie Lawinenzäune.
Die Gat­ter um die Baum­scho­nun­gen sehen auf dem Foto aus wie Lawinenzäune.

 

Bäume mit Kuhflecken. Sahen wie Birken aus. Waren keine.
Bäume mit Kuh­fleck­en. Keine Birken. Kön­nte der weiße Rinden­pilz sein.

 

Der Wickersheller Bach sucht sich seine Weg. Wenn es sein muss, um den Baum herum.
Der Wick­er­sheller Bach sucht sich seinen Weg. Wenn es sein muss, auch um den Baum herum.
Mit Karacho nimmt der Wickersheller Bach auch diese Kurve.
Mit Kara­cho nimmt der Wick­er­sheller Bach auch diese Kurve.
Auen am Wickersheller Bach. Zaghaft lässt die Sonne die Birken im Hintergrund leuchten.
Für einen kurzen Moment lässt die Sonne die Birken im Hin­ter­grund leuchten.

 

Wiesen am Ernstbach lassen vom Frühling träumen.
Grüne Wiesen am Ern­st­bach lassen vom Früh­ling träumen.

 

Der Ernstbach schlängelt sich durch grüne Wiesen.
Idylle am Ernstbach.

 

Steg über den Ernstbach.
Da musste ich wohl oder übel drüber,
um den wilden Ern­st­bach mit trock­e­nen Füßen zu queren.

 

Heute hat der Rheinhessenblick seinem Namen alle Ehre gemacht. Auf den Foto zwar kaum zu sehen, aber ganz deutlich erkannte ich die Windräder drüben in der Heimat.
Heute hat der Rhein­hessen­blick seinem Namen alle Ehre gemacht. Auf den Foto zwar kaum zu sehen, aber ganz deut­lich erkan­nte ich die Win­dräder drüben in der Heimat.