Zugegeben: Der Titel hat mich auf die falsche Spur gelenkt. „Durchs wilde Deutschland“ hat mich Wanderin glauben gemacht, dass Andreas Kieling von einer Wanderung berichtet. Dass Kieling Tierfilmer ist, was ich eigentlich aus dem Fernsehen weiß, habe ich komplett verdrängt. Logisch, dass auch seine Bücher was mit Tieren zu tun haben! ;-)
Ich mag zwar Tiere, bin aber kein Fan von Tierfilmen, Tierfotos oder Tierbüchern. Irgendwie finde ich die meistens langweilig. Eigentlich. Fotos von Kühen liebe ich zum Beispiel ;-). Und auch die Antarktis-Doku neulich, wo gezeigt wurde, wie Pinguinen-Ehepaare sich gemeinsam rührend um ihren Nachwuchs kümmern, hat mein Herz berührt. Ich lehne Tierdokus also nicht kategorisch ab. Ausnahmen können mich durchaus begeistern, wie man erkennen kann. ;-)
Vielleicht bin ich vorbelastet von den Werken alter Haudegen wie Sielmann oder Grzimek, die sind echt nur für eingefleischte Tierfreunde. Deshalb war ich im ersten Moment enttäuscht, als ich beim Lesen der Einleitung feststellte, um was es tatsächlich geht in diesem Buch:
„Andreas Kieling und seine Hündin Cleo erkunden zusammen die Heimat: Vom Berchtesgardener Land bis zur Nord- und zur Ostsee entdecken sie, wie viele Tierarten und Naturwunder Deutschland zu bieten hat.“
Doch, oh Wunder: Schon nach den ersten Seiten hat es der Autor geschafft, mich neugierig zu machen und motiviert weiterzulesen!
Hier gute 3 Gründe warum ich dieses Tierbuch gelesen haben, obwohl ich eigentlich keine Tierbücher mag:
1.) Sympathischer Mensch
Andreas Kieling habe ich in diesem Buch als sympathischen Naturliebhaber kennengelernt. Einer der gerne abseits offizieller Wege auf selbsterkundeten Pfaden und Routen unterwegs ist. Ein authentischer, ehrlicher Abenteurer, der sich nicht zu schade ist zuzugeben, dass er in ein Alter gekommen ist, wo die Voltarensalbe zur Standardausstattung seines Rucksacks gehört. Oder der lapidar feststellt, dass er manche Sachen nicht mehr so wegsteckt wie in jungen Jahren. Zum Beispiel bei einer Wanderung im Hochsommer in den Bergen nicht genügend Wasser dabei zu haben. Da finde ich mich wieder. Und das gefällt mir, weil ich feststelle, dass es nicht nur mir so geht, sondern auch den Profis. Wohltuend empfinde ich als Wanderin vor der Haustür auch, dass er mit dem ein oder anderen Vorurteil aufräumt, was das Abenteuerpotenzial heimischer Landschaften betrifft:
„Das ist ein Phänomen in Deutschland: Wenn man erzählt, dass man am Mount Everest, am K2 oder am Mount McKinley war, machen alle große Augen und werden ganz ehrfürchtig. Sagt man aber, ich war auf dem Schneibstein, dann werden die meisten Leute, sofern sie den Berg überhaupt kennen, sagen: ‚Wie piefig, Zirbelstube, Dirndl und Lederhose‘, halt das typische Alpenklischee. Genau das Gegenteil ist der Fall.“
2.) Spannender Erzählstil
Der Autor kann auch toll erzählen. Er schreibt locker und verständlich in Umgangssprache. Und lässt sich offensichtlich nicht allzu sehr vom Lektorat rein fummeln in seinen Stil, der nicht immer den Regeln der Kunst folgt. Auch beim Schreiben hat er offenbar einen eigenen Kopf. Aber das tut den Texten keinen Abbruch. Im Gegenteil: Er schreibt, wie er spricht und das kommt gut an.
3.) Interessante Blickwinkel
Zu guter Letzt ist seine Erzählperspektive interessant. Im Grunde nimmt der ehemalige Berufsförster seine Leser mit auf die Filmpirsch. In weiten Passagen ist das Buch eine Art „Making of“ seiner Filme. Man erfährt Hintergründe zu den Aufnahmen: Warum geht er in die Eifel, um Luchse zu filmen? Und warum bricht er dann doch diese Expedition ab? Wie kommen spannende Aufnahmen von Steinböcken in den Berchtesgardener Bergen zustande? Und warum ist Österreich kein optimaler Drehort dafür? Warum lässt er seine wertvolle Ausrüstung eine Nacht lang unbeaufsichtigt mitten im Hang zurück? Warum fährt er am liebsten im Herbst nach Mecklenburg-Vorpommern um Kraniche zu filmen, wenn es das selbe Motiv auch im Frühling zu bewundern gibt? Und warum sagt er oft nichts darüber, wo genau er gefilmt hat?
Darüber hinaus erfährt man viele Dinge, über die man sich so gar nicht bewusst ist: zum Beispiel verstehe ich jetzt die kontroversen Diskussionen über den „Nationalpark“ sehr viel besser als vorher. Außerdem habe ich einiges über alte Hausmittel (z.B. Ersatzstoff für das heutige Kortison) gelernt und weiß jetzt mehr darüber, wie früher Rohstoffe aus der Natur gewonnen wurden.
Einige Erlebnisse sind so heikel, dass Kieling nur im Buch darüber erzählt und, was Details angeht, Verschwiegenheit bewahrt. Wie zum Beispiel die Begegnung mit einem echten (!) Wilderer in der Eifel. Für Kieling selbst war dieses Erlebnis dermaßen bizarr und aufregend, dass er dem Gespräch mit dem Schwarzgeher, wie Wilderer auch genannt werden, fast ein ganzes Kapitel widmet.
So, jetzt habe ich aber schon ganz schön viel über ein Buch geschrieben, dass ich eigentlich gar nicht lesen wollte.
Schon diese Tatsache will was heißen! ;-)
Damit Sie einen direkten Eindruck erhalten, habe ich die Inhaltsangabe abgetippt:
- Jedes Wagnis beginnt in uns
- Akrobaten der Berge – Steinböcke und Murmeltiere
- Der Feldhamster – vom Schädling auf die Rote Liste
- Luchse und der Schwarzgeher aus der Eifel
- Au weja – Hodenabriss beim Dülmener Wildpferdefang
- Welse – Fische im XXL-Format
- Von Spatzen und Bibern: Wildtiere in der Stadt
- Bruder Wolf – ein vergessenes Versprechen
- Im Wald der betrunkenen Hirschkäfer
- Im Reich des Seeadlers
- Die unglaubliche Geschichte des Hans Wurst
- Wollhandkrabben – haarige Achtbeiner auf Wanderschaft
- Der Zug der Kraniche – Deutschlands größtes Naturwunder
- Das Wattenmeer und die Kegelrobben
Noch mal zugegeben: Ich habe das Buch quer gelesen. Aber ich bin mir sicher, dass ich die Abschnitte, die noch ausstehen, demnächst Kapitel für Kapitel immer mal wieder zwischendurch „besuchen“ werde!
Weil es nicht vordergründig ums Wandern geht, empfehle ich das Buch „Durchs wilde Deutschland“ vor allem Wanderern, die Tierbücher mögen, Wanderern mit Hund, Menschen, die sich für die Natur deutscher Regionen interessieren und Fotografen und Filmern, die selbst auf Fotosafari gehen und das ein oder andere vom Profi lernen wollen.
Herzlich Dank dem Malik Verlag für das Rezensionsexemplar.
Kieling, Andreas: „Durchs wilde Deutschland“, Malik Verlag, 2012, 22,99 Euro
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