Die Reise zu Fuß und mit Hund begin­nt am geografis­chen Mit­telpunkt Deutsch­lands: in Nieder­dor­la. Ah ha, wo ist das denn? Kaum 10 Seit­en gele­sen und schon muss ich googeln. Und es wird nicht das einzige Mal bleiben, dass ich spon­tan das Buch kurz zur Seite lege, um etwas nachzuschauen. Damit bin ich schon beim Haupt­grund, warum ich Ihnen heute das Buch 100 Tage Heimat — Zu Fuß durch Deutsch­land“ von Jens Franke vorstelle: Sein Buch macht neugierig. Neugierig auf seine Ideen. Neugierig auf diese Wan­derung. Neugierig auf meine Heimat!

Worum geht es? Jens Franke, erfahren­er Tourenge­her in Skan­di­navien, sucht nach neuen Her­aus­forderun­gen. Er will eine län­gere Tour mit seinem Hund Aiko unternehmen. Es geht ihm nicht um Kilo­me­ter machen. Er möchte die Natur erleben und die Men­schen und Kul­tur des bereis­ten Lan­des ken­nen­ler­nen.“ Die Reise soll möglichst frei und spon­tan ver­laufen. Deutsch­land kommt ihm in den Sinn, das ihm so unbekan­nte Heimat­land“. Der grobe Plan: nicht von A nach B laufen, keine feste Route, son­dern der Nase und den eige­nen Ein­fällen und Vor­lieben nach. Mit einem visuellen Brain­storm­ing kommt er diesen auf die Spur. Seine Ideen sam­melt er in Form von Land­schafts­fo­tos auf ein­er Pin­nwand. Schon bald ergibt sich ein Muster: über­pro­por­tion­al vertreten sind die Natur- und Nation­al­parks Deutsch­lands. Der rote Faden der Reise ist gefunden.

100 Tage“, hört sich erst mal nicht viel an. Andere Berichte trumpfen mit mehrmonati­gen oder hal­b­jähri­gen Touren. Aber 100 Tage wollen gefüllt wer­den, wenn nicht die Strecke, die zurück­gelegt wer­den soll, die Zeit vorgibt. 

Jens Franke schreibt eine Art Tage­buch: Von Tag 1 (Mühlhausen – Kam­mer­forst) bis Tag 100 Waldeck – Affor­den) und von den 98 Tagen dazwis­chen. Kurzweilig berichtet er von seinen Erleb­nis­sen: Vom Aufwachen bis zum Schlafenge­hen. Dabei geht es neben dem Eigentlichen auch um Grundle­gen­des: Weg find­en, Unterkun­ft organ­isieren und Verpfle­gung für sich und Aiko beschaf­fen. Hört sich nach Rou­tine an, aber Jens Franke stellt die Weichen so, dass auch der Wan­der­all­t­ag zum Aben­teuer wird.

Er geht ohne Karte, fragt die Ein­heimis­chen vor Ort nach dem schön­sten Weg“. Zelt und Schlaf­sack schickt er schon nach weni­gen Tagen nach Hause zurück. Zwei Stellschrauben, die die Wan­derung inter­es­sant gestal­ten: Denn: Find­en Sie mal mit­ten im tief­sten Deutsch­land am Weges­rand eine bezahlbare und annehm­bare Bleibe für die Nacht! Ein schmack­haftes Mit­tagessen auf dem Land sollte kein Prob­lem sein? Jens Franke kann Ihnen span­nende Geschicht­en davon erzählen und schreibt ganz neben­bei einen kuli­nar­ischen Reise­führer, der Fre­un­den regionaler Küche den Mund wäss­rig machen dürfte.

Die Haup­trol­le spielt natür­lich das Eigentliche: die Natur in den Natur- und Nation­al­parks erleben und genießen, Men­schen ken­nen­ler­nen, Unter­wegs sein, Erfahrun­gen machen. Jens Franke zieht auch hier den Leser ganz auf seine eigene Weise in den Bann.

Er lässt sich leit­en von dem was seine Augen sehen, z.B. ein Schild Aus­sicht­spunkt”, was ihm Ein­heimis­che empfehlen, dem Wet­ter, einem Fluss, der Aus­sicht auf Fern­blicke, dem knur­ren­den Magen, der Sehn­sucht nach Fre­undin und Fam­i­lie und den Bedürfnis­sen — den seines Huskys und den eige­nen, zum Beispiel als Fotograf:

Dem schnüf­fel­nden Vier­bein­er gefällt die Langsamkeit unseres Spazier­gangs und mir das Entschle­u­ni­gen und das genaue Hin­se­hen, bei­des etwas, das für mich die Fotografie ausmacht.“

Diese Weg­weis­er führen Jens Franke auf abwech­slungsre­iche, aufre­gende und an unmit­tel­bar­er Erfahrung reiche Wege. Und er ver­ste­ht es anschaulich darüber zu schreiben:

Bevor ich Aiko vor dem Schloss seinen Ruck­sack über­streife, fahre ich mit ein­er Bürste über seinen Rück­en. Er streckt seinen Kopf, senkt seinen Rück­en leicht ab und genießt die ersten Züge. … Über das Tor zum Hainich‘ gelan­gen wir immer tiefer in ein Meer von Buchen. Kleine Bäume mit einem Durchmess­er von ger­ade ein­mal fünf Zen­time­tern bis hin zu großen mit prob­lem­los fün­fzig Zen­time­tern Durchmessern säu­men den Weg. … Im Hin­ter­grund führen Vögel ihr mor­gendlich­es Konz­ert auf, in dessen Wirrwarr mein Gehirn nicht im Ansatz einzelne Kün­stler her­aushören kann. An weni­gen Orten füh­le ich mich so wohl wie in Wäldern. Sie sind ruhig und wild zugle­ich. Und so geheimnisvoll, dass ich täglich Neues in ihnen ent­deck­en kann.“

Auch Jens Franke nimmt seine Leser mit, lässt sie teil­haben an dieser Expe­di­tion durch die wilde Schön­heit Deutsch­lands“. Dieses Mit­nehmen, Teil­haben-lassen“ ist eine Eigen­schaft, die mir gefällt und die mich immer wieder inspiri­ert, genau solche Autoren und ihre Büch­er hier im Blog vorzustellen. 100 Tage Heimat“ ist mehr als ein Reise­bericht. Das Buch ist tat­säch­lich eine Liebe­serk­lärung an die Heimat, wie der Ver­lag auf dem Buch­cov­er ver­spricht. Nicht roman­tisch verk­lärend, son­dern so, wie der Autor als Wan­der­er mit Hund das Land und seine Men­schen ken­nen­lernt und wahrn­immt. Authen­tisch, ehrlich mit Stärken und Schwächen.

100 Tage Heimat — zu Fuß durch Deutsch­land“ sug­geriert auf den ersten Blick, Jens Franke sei das ganz Land abge­laufen. Betra­chtet man sich die im Buch abge­druck­te Karte genauer, erken­nt man: das stimmt nicht ganz. Er ist vor allem in der Mitte und im Süden unter­wegs gewe­sen. Und auch hier ergibt sich eine Struk­tur. Denn rück­wirk­end betra­chtet ist er qua­si nur“, was heißt nur (!), an den äußeren Gren­zen diese Raumes ent­lang gelaufen. Mit Abstech­ern und Sprün­gen zu inter­es­san­ten Orten und auch mal abseits der Spur. Das provoziert natür­lich für mich als von Haus aus Neugierige die Frage: Geht es weit­er? Geht er weit­er? Wie geht er weit­er? Was ist mit der Mitte der Mitte? Was ist mit dem Nor­den der Repub­lik? Ein Pro­jekt mit Entwick­lungspo­ten­tial! Ich bin gespannt! ;-)

Dieses Buch empfehle ich wie so oft Couch-Wan­der­ern. Auch in der war­men Stube lassen sich mit diesem Buch inter­es­sante Wan­derun­gen unternehmen ohne sich auch nur einen Mil­lime­ter vom Fleck zu bewe­gen — hier bestätigt sich wieder: Lesen ist Wan­dern im Kopf; aber Vor­sicht: Ich lege meine Hand nicht ins Feuer, dass Sie sitzen bleiben wer­den! Wahrschein­lich­er ist es, dass Sie anfan­gen im Inter­net die beschriebene Ziele zu suchen, zumin­d­est Bilder, wenn nicht nach Wan­der­we­gen und Gele­gen­heit­en, wie Sie möglichst schnell selb­st dor­thin kom­men kön­nen, wo Jens Franke unter­wegs war. Inter­es­sant ist das Buch natür­lich für Wan­der­er mit Hund. Auch wenn ich selb­st keine Hund habe, kann ich mir gut vorstellen, dass Aiko und sein Her­rchen ger­ade Sie verza­ubern wer­den! Lieb­haber regionaler Leck­ereien kom­men auf ihre Kosten, das erwäh­nte ich bere­its. Und last but not least: das Buch ist eine Fund­grube für Ideen, um Wan­derun­gen auch in der Heimat span­nend und erfahrungsre­ich zu gestal­ten. Und damit erweist Jens Franke mir als Ent­deck­erin und Aben­teurerin vor der Haustür einen Bären­di­enst! Danke dafür! :-)

Hier lockt ein Buch, nicht nur mit tollen Fotos und anschaulich­er Sprache, son­dern, als eine Quelle, aus der die Ideen und Anre­gun­gen für eigene Wan­dereien nur so sprudeln. Hier schreibt ein­er, der die Natur ver­ste­ht: Mehrmals wan­dern meine Augen von den Stäm­men gen Him­mel. Alle Bäume haben ein Ziel: Wach­sen, um zu über­leben.“ Das will ich auch. Und Sie?

Das Buch erhal­ten Sie  im Buch­han­del vor Ort und online auch als E‑Book beim Ver­lag.