„Atmen, atmen, atmen!“, mit Nachdruck erinnert uns Sport Mental Coach Petra Müssig an die Grundregel beim Umgang mit Sturzangst – wie der landläufig Höhenangst genannte Respekt beim Umgang mit Höhe eigentlich richtig heißt. Sauerstoffmangel ist es nämlich, der zu Puddingknie, Konzentrationsschwäche und im schlimmsten Fall zu Panik führt, wenn auf dem Berg der Atem stockt und es einen scheinbar unaufhaltsam in die Tiefe zieht.
Als Teilnehmerin eines Höhenangstkurse von Petra bin ich an diesem Mittwoch auf den Höhen rund um den Tegernsee unterwegs. Zusammen mit 5 anderen Höhenangsthasen. Es ist bedeckt, 18 Grad, aber zum Glück von oben trocken. Dass Boden und Fels feucht sind, “macht nix, dann lernts ihr auch gleich das sichere Gehen auf rutschigem Untergrund”, ermutigt uns die Trainerin. Die Wolken gen Norden lockern auf, so dass das Licht punktgenau einen Spot auf Deutschlands höchsten Berg, die Zugspitze (2962 m) setzt.
Unser Weg führt vom Wallberg (1722 m) zum Risserkogel (1826 m). Heute geht es nicht darum Höhenmeter im Aufstieg zu bewältigen, sondern ihren Anblick auszuhalten. Es geht um Tiefe und Abgründe. Und die bietet der zu einer Seite — nach Osten — gut 250 Meter zum Röthensteiner See abfallende Kammweg zwischen Setzberg und Risserkogel ausreichend. Auf der anderen Seite des Wegs geben Fichten und Latschenfelder dem Auge Halt.
Der Pfad zum Gipfel verläuft durch eine Felsrinne. Teils Krüppelkiefern, teils Felsplatten rechts und links; diese Sicherungen werden von kurzen offenen Abschnitten durchbrochen. „Und, kannste runter schauen?“ – Ja, ich fühle mich sicher und wage den Blick zum See runter problemlos. Bäume und Fels geben mir genug Halt. Mit anderen Teilnehmern übt Petra die brenzligen Passagen. Leichte Kletterei zum Gipfel. Auch der bietet — wider Erwarten — für mich genug festen Boden unter den Füßen. Den Blick in die Ferne genieße ich. Anderen wird bei der Rast hier oben schon beim Sitzen schlecht und schwindelig. Das Plateau ist zu freigestellt und die Berge rund herum zu weit weg, um den Kopf zu beruhigen. Aber in Bewegung lässt es sich dann für den Betroffenen aushalten. Nützliche Erkenntnis!
Der Abstieg hat es in sich. Es geht 150 Meter über einen kleinen Steig runter zum Wissensattel zwischen Risserkogel und Blankenstein (1768 m). Zum Teil rückwärts und auf allen Vieren sucht sich jeder seinen Weg. Erst als wir unten über die Schultern schauen, wird uns bewusst, wo wir eben abgestiegen sind. Wo soll denn da ein Weg sein? Dem einen und der anderen wird im Nachhinein noch mulmig. Aber im Tun, in der Bewegung waren alle so abgelenkt, dass keine Zeit blieb sich vorm Stürzen zu fürchten.
Fazit: Für mich bot die Tour in Bezug auf meine Sturzangst keine Herausforderung. Aber ich profitiere trotzdem: Ich kann jetzt meine individuellen Problemzonen genau eingrenzen und so gezielt den Umgang mit meiner Höhenangst trainieren. Denn auch das ist bei dieser besonderen Wanderung klar geworden: Sturzangst ist eine sehr persönliche Angelegenheit; Pauschallösungen gibt es nicht. Es gibt eine Menge an funktionierenden „Werkzeugen“, aber welches zum Einsatz kommt, muss jeder für sich selbst herausfinden.
Wieder mal deutlich geworden ist mir bei dieser Gruppenwanderung, wie wichtig es ist, konsequent beim eigenen Tempo zu bleiben und sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Übrigens eine weiteres Prinzip, dass uns Petra immer und immer wieder ans Herz gelegt hat. Denn Druck macht unsicher und fahrig, keine guten Voraussetzungen beim Managen von Sturzangst. Der Kurs war ausreichend und kompetent mit Co-Trainern besetzt, auf alle Belange — insbesondere auf das eigene Tempo der Teilnehmer — wurde sehr gut Rücksicht genommen! Ich habe mich gut betreut gefühlt. Dieses einfühlsame Training am Tegernsee bei — der sehr erfahrenen und praktisch orientierten — Petra Müssig empfehle ich deshalb mit dem Hinweis, im Vorfeld mit ihr genau die Situationen und Bedingungen am Berg bei einer Tour und die eigenen Bedürfnisse abzuklären, um dann auch wirklich den passenden Schwierigkeitsgrad mir ihr im Kurs üben zu können.
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