Irgend­wo im amerikanis­chen Hin­ter­land. Zwis­chen mür­rischen Wäldern…“ (Die Zeit), Ohne jede Gnade“ (Focus). Men­schlichkeit heißt hier Bluts­bande und hat klare Gren­zen: Ver­rat der Fam­i­lie. Jes­sup, dro­gen­deal­en­der Vater der sechzehn­jähri­gen Pro­tag­o­nistin des Romans, – Ree Dol­ly – hat diese Gren­ze über­schrit­ten. Dass er hin und wieder ver­schwindet ist nor­mal; nun ist er schon seit Wochen nicht mehr zu Hause aufgetaucht.

Ree ver­sorgt alleine die bei­den jün­geren Brüder und ihre Mut­ter, der der Ver­stand zer­bröselt ist“. Die weitläu­fige Ver­wandtschaft (zwei­hun­dert im Umkreis von dreißig Meilen um das Tal) küm­mert sich ger­ade so um die Vier; mit Essen und Holz. Es ist Win­ter. Eine Dol­ly lässt man halt nicht hängen.

Eines Tages kommt die Polizei: Sollte der Vater nicht bis zu seinem Gericht­ster­min in weni­gen Tagen erscheinen, müsse man das Haus pfän­den. Der Vater habe es damals inklu­sive Wald im Gefäng­nis als Kau­tion über­schrieben, um auf freien Fuß zu kom­men bis zur Ver­hand­lung. Man habe schon über­all gesucht, könne ihn nicht find­en: Sorg dafür, dass dein Dad­dy den Ernst der Lage begreift.“ Ree trifft der Schlag: Ree wäre beinah umge­fall­en. Sie hörte Don­ner­schläge zwis­chen den Ohren…Ohne das Haus wür­den die Jungs, sie und Mom auf der Straße hausen müssen wie Köter. Wie Köter… Sie würde nie von ihrer Fam­i­lie wegkom­men, wie sie geplant hat­te… Sie würde niemals nur ihren eige­nen Kram haben.“ Ree trägt Klei­der und Röcke – dazu immer Kampf­stiefel. Ich werde ihn find­en.“, antwortet sie dem Deputy. Sie hat keine Wahl. Win­ters Knochen“ erzählt Rees Suche nach dem Vater und den Preis, den sie auf diesem Weg bezahlen muss. Mit voller Wucht. Manche Pas­sagen sind schw­er auszuhal­ten. Eins wird ihr schnell klar: Es würde keine schnelle Lösung geben, keine Antwort, keine Hilfe.“

Das Buch empfehle ich aus 3 Grün­den: Wegen der inten­siv­en, tra­gen­den, wahrhafti­gen, direk­ten — ob der geschilderten Gewalt — Trä­nen in die Augen treiben­den Sprache. Wegen der mit Mut, Kampfgeist und Sen­si­bil­ität aus­ges­tat­teten Haupt­darstel­lerin. Und vor allem wegen den grandiosen, nahen, authen­tis­chen Naturbeschrei­bun­gen, die wie warme Strö­mungen mit­ten eiskalter Luft eines mit Hol­zofen beheizten Zim­mers, zwis­chen den Zeilen strö­men. Ree fol­gte einem Wild­wech­sel durchs Unter­holz den Hügel hin­auf, sie über­querte die kahle Kuppe und stieg hin­unter in einen Wald voller Ficht­en und Fich­t­en­duft und der from­men Stille, die Ficht­en schaf­fen. Ficht­en mit niedri­gen Ästen, die sich über frischen Schnee streck­ten, schufen ein schützen­des Dach für die Seele, viel bess­er, als Kirchen­bänke und Kanzeln dies jemals vermochten…Ree hat­te Zeit. Sie ließ sich auf einen großen Denker­stein zwis­chen den Bäu­men nieder und set­zte sich ihre Kopfhör­er auf…Ree blieb dort sitzen, bis der große Denker­stein ihren Hin­tern kalt wer­den ließ.“

Win­ters Knochen“ ein herz­er­greifend­es (nicht zu ver­wech­seln mit schwül­stig) Buch für kalte Tage auf der war­men Couch.

Woodrell, Daniel: Win­ters Knochen”, Heyne Taschen­buch, dt. Aus­gabe 2012,8,99 Euro.

Das Buch ist vor Ort in jed­er Buch­hand­lung oder online auf der Ver­lags­seite online erhältlich.