“Fährst Du auch in die Schule?”, fragte mich die zarte Sechsjährige mit dem riesen Ranzen auf dem Rücken und der Barbiepuppe in der Hand neben mir. Ja, das ist schon länger her mit der Schule. Heute früh brachte mich der Schulbus zum Wandern! Von Bad Kreuznach nach Wallhausen, dem Ausgangsort meiner Über-die-Dörfer-Tour Nr. 3. Nach den Touren Bingen — Stromberg und Waldalgesheim ‑Wallhausen komplettierte ich den Bogen vom Rhein an die Nahe mit der Peilung Süd/Südost. Die 3. Etappe verlief von Wallhausen über Sommerloch, St. Katharinen, Mandel, Weinsheim, Hüffelsheim nach Norheim an der Nahe (rd. 16 Kilometer).
Glutrot steigt die Sonne über den Horizont als der Bus gegen 8 Uhr das Dorf erreicht. Um diese Uhrzeit ist im Oktober hier im Naheland die Weinernte bereits in vollem Gange. Von Weinlese kann man nicht mehr sprechen. Die Motoren der 4 ‑5 Meter hohen Vollernter dröhnen aus allen Richtungen. Durch die Wingerte laufe ich runter zum Floß. Sein Bachbett ist ganz schön tief und ich muss kraxeln, um ihn zu queren.
Ich mag diese hügelige, abwechslungsreiche Landschaft. Weinberge, Äcker, Wiesen und Wald prägen nach der Reihe das Bild. Bäche kreuzen an den tiefsten Punkten den Weg. Rechts und links lässt das tiefe Herbstlicht gelbe, rote, blaue Farben leuchten. Und immer offen für weite Blicke ist dieses Land.
Auf den Höhen oberhalb von St. Katharinen drückt der Wind die Gräser und zerrt schon ganz schön an den Haaren. Ich komme mir vor wie eine schottische Landadelige (leider verarmt) ;-) auf den Highlands: Stolz gehe ich über mein Land. Auf den Feldern glänzt zurückgelassenes Stroh in der flachen Morgensonne. Rechter Hand im Westen erkenne ich schon den Lemberg. Urzeitlicher Vulkankrater, Familienberg und 2. Heimat. Der Großvater väterlicher seits führte dort vor 50 Jahren die Wanderhütte des Pfälzer Waldvereins. Tatsächlich nennt sich die Region jenseits der Nahe Nordpfälzer Bergland!
In den Straßen von Mandel duftet es nach frisch gebackenem Pflaumenkuchen und gärenden Trauben. Jetzt ein Rosinenbrötchen! Hmm. Die Bäckersfrau schielt merke ich erst beim Rausgehen als ich ihr mein Wanderziel nenne. Die beiden anderen Kundinnen stöhnen hörbar auf. Wegen der Distanz von noch gut 7 Kilometern? “Was dann, ich find des gut!”, ermutigt die Geschäftsfrau und wünscht viel Spaß noch.
Die Notizen mit der Wegbeschreibung sind wohl aus der Tasche gerutscht. Egal, auch so komme ich prima klar. Nach 2. Überland-Touren klappt die Orientierung anhand von Abgleich zwischen Karte und Gelände schon erstaunlich gut. Einen Bach zum Beispiel erkenne ich jetzt schon von Weitem an den Bäumen, die sich den Lauf entlang an seine Ufer drängen. Auch das Lesen der Höhenlinien funktioniert schon viel besser.
Die Absperrung der Brücke über den Ellerbach wird ignoriert. Irgendwo muss ich ja schließlich über das zwar sehr flache aber dennoch meterbreite Wasser. Es geht wieder hoch. Nach Hüffelsheim (unter der lauten B41 durch) weiter bis zur Abbruchkante Nahetal. Dann liegt mir das Flüsschen zu Füßen! Herbst ist es und lange halte ich es — trotz Sonne — hier oben auf der Bank nicht aus. Kühl ist ’s. Vermisse den Sommer schon jetzt. Bei einem Abstecher über die noch grünen Auenwiesen der Nahe kommen plötzlich Frühlingsgefühle auf. Träume von Vogelgezwitscher und jungem Grün. Drüben auf der anderen Uferseite geht es rauf zum Lemberg — demnächst!
Karte: Naturpark Soonwald-Nahe – Blatt 4: Bad Kreuznach, Langenlonsheim, Bad Münster am Stein-Ebernburg, Bad Sobernheim, Rüdesheim. Topographische Karte 1:25.000, ISBN N 978–3‑89637–375‑5
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