Folgte heute der Senke, die ich letzt auf der Rückfahrt mit dem Bus von Stromberg nach Bingen auf der Höhe Waldalgesheim sah. Auf der Karte schaute ich zu Hause, wo es denn da überhaupt hin geht. Daraus entstand der Plan für diese Über-Land-Wanderung: Von Waldalgesheim über Genheim, Waldlaubersheim, Windesheim nach Wallhausen (14,4 km).
Der Hahnenbach — oben von Stromberg kommend — bietet bis Windesheim runter optimale Orientierung. Danach leisten Kompass und Karte gute Dienste.
Zunächst also immer am mit Laubbäumen gesäumten Wasserlauf entlang. Auf einem wunderschönen Erdweg an Wiesen, Weiden, Stoppelfeldern vorbei. In sanften Kurven um den Galgenberg (329 m ü N.N.) und den Schanzenhübel (255 m ü N.N.) herum.
Warmes September-Morgenlicht in der Früh. Kräuterduft vom wohl letzten Heuen für dieses Jahr. Walnuss. Rotschwarzer Holunder. Die ersten Weinberge des Nahelands. In den Gärten am Rande der Dörfer sind die Alten mit Schüsseln bewaffnet schon unterwegs, um die Ernte des Tages nach Hause zu holen. Die Holzvorräte für den Winter sind sauber gestapelt. “Wie weit führt dieser schmale Pfad am Bach entlang?”, erkundige ich mich in Waldlaubersheim bei einem Einheimischen.
Waldlaubersheim ist übrigens für seine uralte Orgelbautradition bekannt. Hier arbeiteten im 18. Jahrhundert die Orgelbauerfamilien Engers und Schlaad. Und im Nachbardorf Windesheim steht das deutschlandweit einzigartige orgel ART museum Rhein-Nahe.
Über die Dörfer bedeutet im dicht besiedelten Deutschland nicht nur idyllische Natur, sondern unter Umständen auch Passagen mit Autobahnlärm (die A61 quere ich wieder sicher durch einen Tunnel) im Rücken und McDonald-Logo am Horizont. Sowie rotternde und stinkende Motoren als ich in Windesheim an einer Quad-Werkstatt vorbeilaufe. Das gehört halt dazu. Aber die Natur hier entschädigt für die weniger schönen Seiten der Zivilisation.
Kleiner Schwatz mit einer resoluten Windesheimerin. “Und da sind Sie so ganz allein in Gottes weiter Natur unterwegs? Na ja, ich jogge ja auch alleine hoch nach Stromberg. Und wenn ich kein Bock mehr habe, dann fahr’ ich einfach mit dem Bus wieder zurück.” Wie sie mir empfiehlt, quere ich über eine kleine Brücke den Guldenbach. Dann geht’s ordentlich rauf. Komme dann doch noch mal ordentlich ins Schwitzen an diesem warmen Spätsommertag ohne Wölkchen am Himmel. Auf der Höhe entdecke ich nördlich den Funkmast von Schweppenhausen. Dort war ich im Winter unterwegs.
Mittag. Die Sonne steht schräg links vor mir. Ich gehe mit Kompass in südwestlicher Richtung. Über die weiten Äcker und Wingerte oberhalb von Wallhausen. Frischer Wind kühlt mein verschwitztes Gesicht. Auf diesen Höhen mit unendlichen Weitsichten hat Wandern was von Fliegen, leicht durch die Lüfte gleiten.
Die sanft geschwungene Hochebene war mir schon im März vom Auto aus aufgefallen. Damals von Schnee bedeckt, sind sie mir in herrlichen Schwarzweiß-Kontrasten in Erinnerung. Damals tackerten Weinbergs-Frauen die Reben, die jetzt dick mit süßen Trauben behangen der Ernte entgegensehen. Den Ort selbst sehe ich nicht. Noch nicht. Das Dorf liegt tief im Gräfenbachtal. Muss noch über die alte Römerstraße, die einst von Kreuznach in Richtung Stromberg führte. Dann trete ich etwas zur Seite, schaue an einem Rebstock vorbei: da liegt mir mein Ziel zu Füßen. Das letzte Stück den Berg hinunter laufen ich auf der Stein-Wein-Farbe-Route, die ich schon von der erwähnten Frühjahrswanderung her kenne.
Mit dem Bus 244 fahre ich über Gutenberg nach Bad Kreuznach und von dort mit dem Regioexpress nach Mainz zurück. Waldalgesheim erreicht man ab Bingen Hauptbahnhof mit der Linie 230.
Karte: Naturpark Soonwald-Nahe – Blatt 4: Bad Kreuznach, Langenlonsheim, Bad Münster am Stein-Ebernburg, Bad Sobernheim, Rüdesheim. Topographische Karte 1:25.000, ISBN N 978–3‑89637–375‑5
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