Manuel Andrack schreibt in seinem Buch Du  musst wan­dern – ohne Stock und Hut im deutschen Mit­tel­ge­birge“ auf Seite 45: Eines weiß ich jedoch sich­er: Ich ver­achte Rundwanderwege…Rundwanderwege sind zu kurz…Rundwanderwege sind zu eintönig…Rundwanderwege sind unflexibel.“

Rund­wan­der­wege seien lang­weilig, meint Andrack: In den sel­tensten Fällen gelingt es, ohne eine Über­schnei­dung den (Rundwander)Weg wieder zum Aus­gangspunkt zurück­zuführen. So ist man gezwun­gen, die ersten Kilo­me­ter auf dem Rück­weg wieder zu passieren. Dadurch erhal­ten Rund­wan­der­wege die Form eines Luft­bal­lons anstelle eines Kreis­es, sind also gar nicht richtig rund.“ Luft­bal­lon­wan­der­wege, also Rundwege mit Dopplung, mag ich auch nicht. Da bin ich mit Manuel Andrack d’accord.

Trotz­dem: Ver­ach­tung hat der Rund­wan­der­weg nicht ver­di­ent. Als kreative Rund­wan­der­weg­wan­derin breche ich hier und heute eine Lanze für ihn!

Die Bas­tion der Ablehnung ver­liert sofort an Wehrhaftigkeit, wenn man genauer liest: Andrack meint Rund­wan­der­wege in Wan­der­führern. Aha, Fer­tig-Wege also. Das ist meine Kerbe. Denn sobald man Wan­dern als Frei­heit denkt, ver­liert das Bild vom öden Luft­bal­lon­wan­der­weg” seinen Schrecken!

By the way: Rund­wan­der­wege sind sel­ten rund – auch in Wan­der­führern nicht. Alle For­men sind denkbar: Ellipse, Spiegelei, Stern. Und: Rund­wan­der­wege lassen sich beliebig weit steck­en. Hal­brun­den, Eck­en lassen sich ergänzen. So wie For­men und Fig­uren, die bei Kritzeleien während lang­weiliger Tele­fonate und Besprechun­gen entste­hen. Oder diese lusti­gen, biegsamen Luft­bal­lon­fig­uren auf Kinder­festen. Dranset­zen, verbinden, aus­malen, anbauen. Was die Land­schaft hergibt. Soweit die Füße tra­gen. Der Phan­tasie sind keine Gren­zen gesetzt.

Span­nend wird s, wenn man sich seine eige­nen Rundwege gestal­tet. Meinetwe­gen auf der Karte. Aber beson­ders wenn zu Hause noch nicht ganz klar ist, wie es laufen wird, wird das Unternehmen zum Aben­teuer. Am meis­ten macht es Spaß, wenn man unter­wegs der Nase fol­gt. Kleinen Pfaden fol­gt, abseits ein­biegt. Das einzige, was fest­ste­ht sind Start und Ziel (das haben übri­gens alle Wan­der­wege gemein). Der Rest ist völ­lig offen. Möglich ist, was Mut und eigene Kon­di­tion hergeben. Was kann ich mir noch zu muten. Wage ich die Schleife noch? Lässt der Abzweig die Run­dung zu? Oder führt er zu weit weg? Die Her­aus­forderung ist, den Weg zu schließen. Das ist das Spiel!

Rundwege sind unflex­i­bel, kon­sta­tiert der Wan­der­papst: Die Rund­wan­derung ist fest­gelegt. Es gibt keine Erweiterungs- und Abkürzungsmöglichkeit­en wie bei der Streck­en­wan­derung.“ Auch in diesem Punkt halte ich dage­gen: Run­den lassen sich nach Lust, Laune, Kraft und Aus­dauer abkürzen, queren, ver­längern. Voraus­ge­set­zt, man geste­ht dem Wan­der­er zu, der eige­nen Nase zu fol­gen, vorgegebene Streck­en los zu lassen, sich einzu­lassen auf die Land­schaft und auf seinen Ori­en­tierungssinn. Dann sind Rundwege so beweglich wie ein Gummiband.

Luftballonwanderweg
Mit Kreativ­ität und Frei­heit geht dem Luft­bal­lon­wan­der­weg (schwarz markiert) die Luft aus!