Das Toskana-Haus brachte mich diese Woche in eine entlegene Ecke des Rheingauer Gebirges. Die mediterrane Bauweise fiel mir schon des Öfteren ins Auge. Von der Schwarzkopfschafalm auf der anderen Seite des Flusses sieht man direkt drauf. Zu Hause recherchierte ich auf der Karte. Müsste der Bächergrund sein. Also nahm ich diesen als Ausgangspunkt einer Wanderung um den Felsrücken, den ich schon länger im Blick hatte. Er trennt das Grolochtal unterhalb von Presberg vom Rhein. Ich plante die Tour so, dass sie mit einer ausgedehnten Rheinblickpassage auslaufen sollte. Nachdem ich die hölzerne Feldkapellen-Kugel am oberen Einstieg zum Wispertal erkundet hatte, fuhr ich runter an den Rhein, parkte das Auto im letzten Lorcher Winkel – besagter Bächergrund — und stieg durch Mischwald auf zum Mandelberg, Rheinsteig und Rheinhöhenweg querend.
Die Waldarbeiter im Bauwagen beim Frühstück staunten nicht schlecht über die Wanderin. Weiter zu den 12 Aposteln. Auf dem Kamm sagenhafter Blick rüber auf die Rheingau Alpe bei Presberg. Dann einen steilen Pfad über die „Schwindeltreppe“ hinunter. Nomen est omen. Die eng gesetzten Höhenlinien auf der Karte markieren die stürzenden Hänge gut erkennbar. Im „Gebrannten Wald“ kurzer Schwatz mit dem Förster. „Da unten liegen die Bäume quer über den Wegen. Laufen Sie besser bis zur nächsten Kreuzung, halten sich rechts und gehen immer weiter runter bis an eine matschige Stelle, in der Böschung liegt altes Holz, da dann links; wird auch das „Tal des Todes“ genannt. Weil, da sind die Hänge so dermaßen steil. Da will keiner arbeiten. Wenn ich richtig steil will, dann fahr‘ ich in die Alpen.“
Jetzt erklärt sich mir auch der Flurname „Gebrannter Wald“ – Brandrodung – einst wohl die leichtere Lösung. Und noch was wird mir plötzlich bewusst: der Wald ist nicht nur Wandergebiet, sondern eben auch Produktionsstätte: für Sauerstoff und Holz. Dieser Natur-Betrieb will unterhalten und gepflegt werden. Natur ist keine Deko, sondern Lebensgrundlage. Die Menschen, die im Wald ihren Lebensunterhalt verdienen, trifft man beim Wandern am Wochenende natürlich nicht.
Oberhalb von Bobensitt – Gewerbepark von Lorch — noch mal ein toller, weit rausragender Ausguck-Fels mit weitem Blick in Wispertal, Tiefenbachtal und den Hochtaunus. Bei Lorch dann rum um den Berg: der Rhein. Ausruhen und gucken , gucken und noch mal gucken auf einer strategisch günstig gelegenen Bank. Dann der Nase nach zurück Richtung Bächergrund. Der Zufall bringt mich auf den alten Kaufmannsweg. Frachtschiffer nutzten im Mittelalter diesen Pfad, um Ware über Land zwischen Rüdesheim und Lorch zu transportieren. Denn dieser Abschnitt war damals für schwere Schiffe nicht passierbar. Das hängt mit dem berühmten Binger Loch zusammen. Die mir bisher unbekannte Geschichte dazu streift auch den Mainzer Dom. Über die Hintergründe erzähle ich demnächst hier im Blog.
Ach ja, das idyllische Toskana-Haus ist natürlich ein Weingut und heißt Traubenwerk. Ein schönes Fleckchen Erde, der Bächergrund. Bei näherer Betrachtung entpuppt es sich als Rheingauer Backsteinhaus. Der Blickwinkel von den gegenüberliegenden Berghängen entdeckt offenbar eine Toskana-Perspektive des Hauses. Ein Grund mehr da hoch zu steigen. Komme Sie doch einfach das nächste Mal mit auf die Binger Wald-Tour. Ich zeig’ Ihnen die Stelle. ;-)
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