Temperaturempfinden ist relativ. Wenn Ihnen gerade kalt ist, dann wirds Ihnen mit diesem Buch vielleicht wärmer. Darin geht es unter anderem um Kälte. Also um richtige Kälte. So minus 25 Grad abwärts. Es handelt von der Expedition der Baffin Babes. Die Baffin Babes sind die Norwegerinnen Kristin f. Olsen und Ingebjorg Tollefsen und die schwedischen Schwestern Emma und Vera Simonsson. Der Name leitet sich vom Ort ihres Unternehmens ab. Die Küste von Baffin Islands, Kanadas größte Insel und die fünftgrößte der Welt – im Nordosten der kanadischen Arktis.
Der Plan (den, das sei vorangestellt, die Ladies in die Tat umsetzen) ist eine Skiwanderung über 1200 Kilometer. Wie und warum kommen vier junge Frauen auf so eine Idee? „Für uns ist dieses Warum nicht so wichtig. Uns genügt es, den Wunsch, den Willen und die Lust zu etwas zu verspüren. Lässt man sich davon leiten, kommt man im Leben dahin, wohin man will.“ Nach 1 Jahr intensiver Vorbereitung beginnt die Tour am 1. März 2009.
Dieses Abenteuer dokumentieren die Frauen in ihrem Tourtagebuch mit sehr persönlichen und unverblümten Berichten und vielen Fotos. Der Grundtenor — neben Herausforderung, Spaß und Freude an und in der einmaligen Natur — bis kurz vor Ende der Strecke: Es ist kalt. Sobald die Frauen nicht mehr in Bewegung sind, frieren sie und zwar trotz adäquater Ausrüstung: vier Paar Strumpfhosen, mehrere Socken und Schuhe (!) übereinander, Thermokleidung und Pelzmützen. Die Feuchtigkeit im Zelt friert zu kleine Eiskugeln in den Schlafsäcken. Dinge, die unbedingt warm gehalten werden müssen, wie zum Beispiel die Akkus der Kamera oder die Zahnpasta, werden tagsüber direkt am Körper getragen. „Die Kälte fürchten wir am meisten. Doch jetzt befinden wir uns in ihr, leben mit ihr. Sie ist unser Alltag, wir müssen sie einfach akzeptieren, sie darf nicht die Oberhand gewinnen, sie selbst muss uns lehren, mit ihr umzugehen.“
Anstrengungen und Herausforderungen in der Arktis sind kein Zuckerschlecken – die Baffin Babes nehmen da kein Blatt vor dem Mund: „Erbrochenes gefriert glücklicherweise rasch bei minus 25 Grad“. Die Entschädigung für die Strapazen: Eindrucksvolle Naturerlebnisse und überbordende Glücksgefühle, wenn wieder Grenzen überschritten wurden, wie nach der Besteigung des 1890 Meter hohen Broad Peak: „Wir genießen den Anblick der schönen Gletscher, der senkrechten Felswände, der langen Fjorde und des unendlichen Horizonts Richtung Meer.…Wir verarbeiten unsere Eindrücke, und ich empfinde eine überwältigende Freude darüber, mich im Hier und Jetzt, mitten im meinem eigenen Leben zu befinden. Es gibt keinen Zweifel: Das ist die Krönung des Glücks!“
„Baffin Babes – In 80 Tagen auf Skiern durch die Arktis“ ist ein Buch für Abenteuerbegeisterte und Fans von Schnee, Eis, Licht und klarer Luft. Wir bekommen eine realistische Vorstellung davon, was richtige Kälte tatsächlich bedeutet. Und das Titelbild lässt ahnen, dass es durchaus auch wärmere Momente gegeben haben muss! Und wir lernen, dass es möglich ist, trotz Zweifel, Bedenken, nagender Unsicherheit und anderen Widrigkeiten (wie empfindliche Knie, Verfrorenheit, Krankheit) einen einmal gefassten Entschluss durchzuziehen. Das Buch macht Mut eigene Träume zu realisieren (es muss ja nicht gleich eine dreimonatige Skiwanderung in der Arktis sein), auch wenn es langsam geht, nicht immer alles “tschaka” ist, Rückschläge wegzustecken sind oder andere Hindernisse im Weg stehen. Außerdem ist es ein unterhaltsames, humorvolles, kurzweiliges und toll mit 205 farbigen Fotos bebildertes und mit Karten ergänztes Leseerlebnis.
Na, ist Ihnen jetzt warm? Da fühlen sich plus 10 Grad im Mai fast wie ein heißer Sommertag an. Oder? ;-)
K. Olsen, E. Simonsson, V. Simonsson, I. Tollefsen: „Baffin Babes – In 80 Tagen auf Skiern durch die Arktis“, Malik. National Geographic. Piper Verlag, 2012
Zu bestellen zum Beispiel direkt beim Verlag.
Danke an den Piper Verlag für das Rezensionsexemplar!
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