Meine beiden (Wander)-Beine sind eine meiner Stärken. Bücher sind meine Leidenschaft. Das haben Sie schon gemerkt. Vor allem Bücher weiterzuempfehlen, die mich selbst bewegen, macht mir einfach großen Spaß! Heute stelle ich Ihnen das literarische Lesebuch „Die Kunst des Wanderns“ vor.
Die Gründe für dieses Buch treffen den Nagel wieder mal auf den Kopf. Die Idee ein literarisches Begleitbuch für Wanderer zu veröffentlichen entstand aus der persönlichen Erfahrung der Herausgeber Alexander Knecht und Günter Stolzenberg, dass die Literatur in der Lage ist, den Blick zu schärfen für die Dinge, die wir manchmal sehen, ohne sie zu sehen. Mehr noch war es die Freude, ausgedrückt zu finden, was uns im Angesicht der Schönheit der Natur oft genug die Sprache verschlägt.“
Dieser literarische Wegbegleiter versammelt die schönstenTexte der Weltliteratur rund ums Wandern vom 18.Jahrhundert bis in die Gegenwart: Marcel Proust, Thomas Mann, Poe, Kleist, Nietzsche, Hermann Hesse, George Sand, Mark Twain, Theodor Fontane und viele andere große Autoren erzählen von Wanderpfaden, von der Wohltat des Gehens, Umwegen und Abwegen (!) in der Natur und im wirklichen Leben.
Bei vielen Texten nicke ich bei jedem 2. Satz zustimmend mit dem Kopf, fühle mich berührt: Ja, genau so ist! Auch wenn mir der ein oder andere Autor ( Autorinnen sind es nicht gar so viele) mir persönlich zu romantisch, zu schwülstig schreibt (es ist seiner Zeit geschuldet), hier gibt es manch Kleinod zu entdecken.
Meine Favoriten sind Hesse (klar), Henry David Thoreau (hier entdeckt), Robert Walser, Max Frisch, Goethe (natürlich) und einige andere mehr. Ein Highlight ist der Text „Am Rheinfall“ von Wilhelm Heinse. Wer jemals am Rheinfall bei Schaffhausen war, der wird mir zustimmen. Genau so ist es: „ Es ist, als ob eine Wasserwelt in den Abgrund aus den Gesetzen der Natur hinausrollt…Der Mensch steht klein wie ein Nichts davor da, und kann nur bis ins Innerste gerührt den Aufruhr betrachten. Selbst der Schlaffste muss des Wassergebürggetümmels nicht satt werden können…Es ist ein Riesensturm, und man wird endlich ungeduldig, dass man ein so kleines festes mechanisches zerbrechliches Ding ist, und nicht mit hinein kann.“ Wassergebürggetümmel — cool, was für ein Wort!
Das Taschenbuch mit seinen 218 Seiten endet mit dem Nachwort der Herausgeber zum Thema „Was ist Wandern heute? Was war es früher?“. Weltflucht? Ja, ein bisschen Weltflucht, aber mit der Möglichkeit „sich als Mensch in einem umfassenden Sinn als sinnlich-empfindsames Wesen zu erfahren und die Natur in einem ursprünglichen Zusammenhang zu erleben.“
Das Lesebuch ist für Wandererinnen und Wanderer zu empfehlen, die gerne auch mal in die Tiefe gehen, klare Sprache, starke Worte und gute, treffende Texte zu schätzen wissen, sich das Wandern (bei gar zu schlechtem Wetter) ab und zu auf die Couch holen wollen oder andere mit Vorlesen vom Wandern begeistern möchten!
Die Kunst des Wanderns. Ein literarisches Lesebuch. Hrsg. Alexander Knecht und Günter Stolzenberg, Deutscher Taschenbuch Verlag, 2010, 3. Auflage 2011. 8,90 Euro.
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