„Momente lassen sich nicht wiederholen. Sie leuchten auf, das war‘s.“ — Wie Malerinnen des Impressionismus die Welt sahen.
Schon immer ziehen mich Bilder der Impressionisten magisch an. Ein Augenblick auf Leinwand gebannt. Natur, Licht, Freiheit, Leichtigkeit. In Farb- und Lichtimpulse transformierte Zeit von der Länge eines Wimpernschlags. Eine ganz neue Art die Welt zu sehen und darzustellen war das damals. Was zählte, war der individuelle Eindruck des Malers, der Malerin.
Auf der Suche nach Literatur über Künstler des Impressionismus bin ich auf das Buch “Meisterinnen des Lichts” gestoßen. Ingrid Pfeiffer hat es anlässlich der Ausstellung „Impressionistinnen — Morisot, Cassat, Gonzalès, Bracquemond“ in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt im Frühjahr 2008 herausgegeben.
In dieser Anthologie lernen wir vier Malerinnen des 19. Jahrhunderts kennen: Berthe Morisot, Mary Cassat, Eva Gonzalès und Marie Bracquemond. Privilegierte Frauen. In bürgerlichen, gut situierten Familien groß geworden, mit regelmäßigen Kontakt zu Künstlern, als Kinder gefördert. Dann jedoch war für ein Leben nach eigenem Gusto für die ein oder andere ein hoher Preis fällig, den zu zahlen Bereitschaft da war oder auch nicht. Die fiktiven Geschichten fußen auf realen Biografien:
Die Geschichten der Künstlerinnen sind einerseits ein Stück “Sozialgeschichte, untrennbar verknüpft, mit den besonderen Lebensbedingungen von Frauen vor Gleichberechtigung und Frauenwahlrecht.” Andererseits sind sie literarische Kabinettstückchen, die den Lesern gewissermaßen ein Blick durch die Augen der Malerinnen ermöglichen. Perspektiven mit Sinn für Licht- und Farbnuancen, Kontraste, Gesten, den vergänglichen Moment. Mit dem Verlangen, das individuelle Erfahren von Leben auf Leinwand festhalten zu wollen.
Und das gefällt mir am besten an diesem schmalen Bändchen. Was ich meine, möchte ich hier mit vier Zitaten verdeutlichen:
„Mein Drang nach Unabhängigkeit endete in unbeschreiblicher Einsamkeit.“, lässt Diana Broeckhoven Mary Cassat am Ende ihres Lebens resümieren. Sie ist am frühen Morgen aus dem Bett gefallen. Alt und schwach kann sie nicht alleine zurück: „Das Schlafzimmer war in kohlrabenschwarze Finsternis gehüllt. Doch durch das Fenster mit der zurückgeschobenen Gardine – ein Streifen Licht in meinem Augenwinkel – sah ich, dass draußen das Dunkel schon in schemenhaften Flecken auseinanderfiel.“
Etwas vom Geist des Impressionismus vermittelt uns Alisa Walser in ihrer Erzählung über Berthe Morisot: „Rot und gelb-grün gefleckte Bäume in der Herbstsonne. Dunst. (…) Berthe sieht alles, empfindet alles. Da fehlt eine Stufe in ihrem Bild. Genau sein. Genau? sagt sie und schaut dem Lehrer ins Gesicht. Gewissenhaft, sagt er. (…) Momente lassen sich nicht wiederholen. Sie leuchte auf, das war‘s. Stufenzähler verpassen das Wichtigste. Am Abend ist das Bild tot gemalt.“
Einfühlsam skizziert Annette Pehnt die heimlichen Momente des Malens ihrer Protagonistin Marie Bracquemond. “Trotzdem trage ich die Sachen nach draußen in den Garten, wo die Wespen über dem Flieder stehen, oder hinüber auf den Rasen zu den Margeriten und Astern, wo Weiß ins Violette springt und die Sonne durch das Laub der Birke bricht, es ist schwer, die Augen offen zu halten, so sehr wirbelt das Licht mit den Farben durch den Nachmittag, wenn er in der Manufaktur und Emma in ihrer Kammer und Louise im abgedunkelten Salon sind… und zugleich schaue ich auf die Farben und sehe keine Linien, so sehr ich auch schauen: Es ist alles Licht und Sonne, und ich muss die Augen schmal machen und leise lachen.”
Eva Gonzalès hat gerade geheiratet, als wir sie kennenlernen. Sie steht in ihrem Atelier und ist ganz besessen von einer Idee. Sie will ihre Schwester Jeanne in dem Brautkleid malen, das sie selbst noch vor wenigen Tagen trug.: „Die Verheißung, die ein neues Pastell in ihr weckt, ist ein besonderer Augenblick. Ein Moment der Rührung, aber auch der Neugier und der Ungeduld.“, schreibt die Erzählerin Noelle Chatellet. „Eva, in Gedanken schon ganz bei ihrem Bild, ist bester Laune. (…) »Was bist du in diesem Brautkleid schön, meine liebe Jeanne!« sagt Eva, die plötzlich wieder ernst, fast nachdenklich wird. »Es ist seltsam«, fügt sie hinzu, »ich habe den Eindruck, als sähe ich mich selbst.«
“Meisterinnen des Lichts” ist eine Fundstelle für alle, die sich für Frauengeschichte interessieren. Vor allem sind die Erzählungen aber literarischer Impressionismus vom Feinsten. Ein Genuss für Mußestunden für wenige Euro im Antiquariat zum Beispiel über Amazon zu haben.
Meisterinnen des Lichts, Herausgeberin Ingrid Pfeiffer, Hatje Cantz Verlag, 2008
Lesen Sie dazu auch meinen Blogbeitrag “Werte leben — Nachwort zu einem Buchtipp”
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