Tourbericht “Auf Augenhöhe mit der Zauberin” am 17. März 2012
Mal ein ganz anderer Samstag: Früh im Wanderjahr brechen wir mittags in St. Goar auf in Richtung Oberwesel. Gut 200 Höhenmeter geht es hoch auf „Augenhöhe mit der Zauberin“. 10 Männer und Frauen , jeder meistert den Anstieg in seinem Tempo. Bei lauen 19 Grad ziehen hier die Letzten ihre Jacken aus. Die Lungen gut durchgeatmet, genießen wir dann das Gehen auf sanften Wiesenweg einfach gerade aus. Sogleich zieht der erste Aussichtspunkt magisch an und lädt zu kurzem Verweilen ein. Den Fluss stets linker Hand unter uns, streifen wir weiter. In kleinen Gruppen, alleine oder vertieft im Zweiergespräch, die Vorhut gebrieft an Gabelungen zu warten. Mal einen ausgesetzten Pfad abwärts in ein kleines Seitental, dann wieder auf wurzeligem Waldweg hinan. Immer eine Ahnung vom Strom tief unter uns.
Noch früh im Jahr, spüren wir den Frühling doch ganz deutlich im Gesicht. Besonders auf der Hochebene weht ein nachdrücklicher, aber schon warmer Wind vom Hunsrück runter zum Rheintal. Unterhalb von Urbar gelegen erreicht die Gruppe Mariaruh. Direkt gegenüber des Loreleyfelsens lassen wir uns auf Bänken nieder. Zwei Jagdvögel schrauben sich vor unseren Augen mit der aufsteigenden warmen Luft in die Höhe, bis sie unserem Blick entschwinden.
Zeit für eine Geschichte. Statt Heines romantischer Verführungsmär, Brentanos poetisches Drama „Zu Bacharach am Rheine“. „Lore Lay“, die schöne Verzauberin, bricht reihenweise die Herzen der Männer, kann aber den wahren Liebsten nicht finden. Selbst der Bischof, den sie um Erlösung bittet, verguckt sich in sie. Statt vor Gericht schickt er sie ins Kloster. Auf dem Weg dorthin entwindet sie sich den begleitenden Rittern und stürzt sich in ihrem Schmerz vom Fels in die Fluten, vor den Augen der vorbeifahrenden Schiffer.
Unten manövriert ein Hotelschiff durch die enge Passage. 100 Meter breit ist hier die Fahrrinne. Rechts und links steiler Fels. Stromschnellen. Nur ein Schiff nach dem anderen kann passieren. Die Klippen sind noch heute ein Herausforderung.
Wir starten zur Schlussetappe. Der „Troll beim Frühlingserwachen“ begrüßt uns am Eingang zum Oberweseler Skulpturenpark. Jetzt noch vorbei am Günderodehaus, dann liegt die Stadt im wahrsten Sinne der Worte vor unseren Füßen. Geprägt von Kirchen, Wehrtürmen und Schönburg. Der Rhein weitet sich. Die Frachter fahren wieder zweispurig. Obwohl mehrere Sandbänke ausgedehnte Flächen des grau-blauen Wassers bestimmen. Hinab durch Weinberge, Neubaugebiet, vorbei an Stadtmauer und über historischen Felsenpfad laufen wir in den Ort ein. Unser Ziel ist erreicht.
In der „Küche“ der historischen Weinwirtschaft kehren wir ein, bevor wir von Kopf bis Fuß müde, mit neuen Eindrücken im Kopf und Frühlingserwachen im Herzen nach Hause ziehen.
Schreibe einen Kommentar